Py|re|nä|en <Pl.>:
Gebirge zwischen Spanien u. Frankreich.
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Pyrenäen
Plural, französisch Pyrénées [pire'ne], spanisch Pirineos [-'neɔs], katalanisch Pirinẹus, Hochgebirge zwischen dem Atlantischen Ozean (Golf von Biskaya) und dem Mittelmeer (Golfe du Lion), schließt die Iberische Halbinsel (auch Pyrenäenhalbinsel genannt) gegen die Hauptmasse Europas ab; über die Hauptkämme verläuft die Grenze zwischen Frankreich und Spanien. Im östlichen Teil der Pyrenäen liegt der Kleinstaat Andorra.
Trotz der Geschlossenheit des massigen Gebirgskörpers lassen sich die Pyrenäen durch bedeutende Pässe und historische Grenzen in Zentral-, Ost- und Westpyrenäen gliedern. Der Puerto de Somport (lateinisch summus portus, 1 631 m über dem Meeresspiegel) im Westen und der Puerto del Portillón (1 308 m über dem Meeresspiegel) im Osten begrenzen den Hauptkamm der Zentralpyrenäen (Aragonesische Pyrenäen) mit Pico Infierno (3 076 m über dem Meeresspiegel), Vignemale (3 298 m über dem Meeresspiegel), Monte Perdido (3 355 m über dem Meeresspiegel), Pico de Poseta (3 375 m über dem Meeresspiegel) und Pico de Aneto (3 404 m über dem Meeresspiegel) sowie dem spanischen Nationalpark Ordesa und dem französischen Nationalpark Pyrénées Occidentales (477 km2; 1967 eingerichtet). In diesem Teil liegen auch einige kleinere rezente Hanggletscher. Die Westpyrenäen (Navarrische Pyrenäen) mit Visaurin (2 668 m über dem Meeresspiegel), Pic d'Anie (2 504 m über dem Meeresspiegel) und Pic d'Orby (2 016 m über dem Meeresspiegel) werden zur Baskischen Küste hin immer niedriger und sind auf mehreren Pässen gut zu überqueren (z. B. Puerto de Ibañeto/Roncesvalles, 1 056 m über dem Meeresspiegel). Die Ostpyrenäen (Katalanische Pyrenäen) mit Pic Maubermé (2 880 m über dem Meeresspiegel), Montvalier (2 839 m über dem Meeresspiegel), Pic de Horedo (2 760 m über dem Meeresspiegel), Pic de Montcalm (3 141 m über dem Meeresspiegel), Port Negre (2 761 m über dem Meeresspiegel) und Mont Canigou (2 785 m über dem Meeresspiegel) sowie dem spanischen Nationalpark Aigües Tortes sind im östlichen Teil durch die Hochtäler Capcir, Cerdagne und Vallespir aufgelöst, verflachen rasch und erreichen in der Kette der Albères und im Alto Ampurdán das Mittelmeer beim Kap Creus.
Aufbau · Oberflächengestalt
Die Pyrenäen erstrecken sich von Westnordwesten nach Ostsüdosten auf 440 km Länge und 50-140 km Breite und sind im Pico de Aneto (Maladeta) 3 404 m über dem Meeresspiegel hoch. Durch ihre ungleichseitige Abdachung (steile Nordseite, sanftere Südseite) entfallen zwei Drittel der Gebirgsbreite auf spanischem, ein Drittel auf französischem Gebiet. Als Teilstück der alpidischen Gebirgsbildung sind die Pyrenäen in Zonen gegliedert: Beiderseits einer variskisch gefalteten (im Westen aufgelösten) Zentralzone mit Gneisen, Schiefern, Graniten und Kalken folgen alpidisch angefaltete mesozoische und alttertiäre Gesteinsserien (in Spanien »Prepireneos« genannt), deren steil gestellte Kalke Serien von Schichtkämmen und -stufen bilden (in Spanien die »Sierras Interiores«, z. B. Sierra de la Peña, Sierra del Cadi); die weicheren Schichten wurden ausgeräumt, sodass sich weit gespannte Längstalfurchen bildeten (in Spanien »Depresión Muedia«); die Quertäler bilden vielfach enge Schluchten. Im Norden der Pyrenäen ist die Zone der inneren Sierren nur sehr schmal ausgebildet. Die nach der Gebirgsbildung erfolgte Heraushebung der Pyrenäen war im Westen deutlich geringer als im Osten (hier mächtige Nagelfluhablagerungen im Vorland). Durch die eiszeitlichen Vergletscherungen (geringer als die der Alpen) wurden die höchsten Teile (im Westen oberhalb 1 400 m über dem Meeresspiegel, im Osten oberhalb 2 000 m über dem Meeresspiegel) glazial überformt (Talschlüsse, Kare, Karseen, Gratbildung, Trogtäler). Die Gletscher der Nordabdachung waren länger als die der Südseite (Würm-Eiszeit: Ariègegletscher 63 km, Aragóngletscher 18 km), erreichten aber nur bei Lourdes das Vorland. Die Pyrenäen entwässern in meist tief eingeschnittenen Tälern (Staudämme, Kraftwerke; besonders auf der spanischen Seite) nach Norden in das Flusssystem der Garonne, nach Süden in dasjenige des Ebro.
Klima · Pflanzen- und Tierwelt
Das Klima ist überwiegend immerfeucht; aus dem Ebrobecken und von Südosten her reichen Zonen des sommertrockenen Mittelmeerklimas herein. Die Nordabdachung auf der atlantischen Seite ist mild mit 1 500-1 800 mm Jahresniederschlägen; die raueren Zentralpyrenäen haben, je nach Hangexposition, zum Teil über 2 500 mm Niederschläge; nach Osten zu sinken diese auf 900-700 mm ab. Die Schneegrenze steigt vom Westen (2 700 m über dem Meeresspiegel) zum Zentralkamm (3 100 m über dem Meeresspiegel) an und sinkt im Osten nur gering ab. Die Niederschläge auf der Südseite sind deutlich geringer (zum Teil unter 500 mm).
Dem Klima entsprechend tragen die waldärmeren Süd- und Ostpyrenäen Stein- und Korkeichen sowie Schwarzkiefern, die nördlichen Pyrenäen Stieleichen, Buchen, Ahorn, Rotkiefern und Kastanien - im Westen auch Erika-, Ginster- und Farnbestände. Nahe der Mittelmeerküste sind Macchien häufig. Das Innere ist steppenhaft und trägt in den feuchteren Gebieten lichte Eichenbestände oder Macchien, die auf trockeneren Standorten in Garigue übergehen.
Wölfe, Füchse und Wildschweine leben in den Wäldern, Gämsen an der Waldgrenze (2 400 bis 2 500 m über dem Meeresspiegel), die von Zwergstrauchheiden und alpinen Matten begleitet wird. Der Pyrenäensteinbock wurde Anfang des 20. Jahrhunderts ausgerottet. In den Bergbächen leben der Pyrenäendesman, ein Maulwurf, der auf dem Grund des Gewässers nach Nahrung sucht, und der Pyrenäengebirgsmolch.
Bevölkerung · Siedlungen
Obwohl weniger leicht passierbar als die Alpen, waren die Pyrenäen nie eine Völkerscheide. Baskenland, Navarra, Katalonien umfassen noch heute jeweils Nord- und Südseite. Die Bevölkerungsdichte ist in den zentralen Teilen gering (zum Teil unter 15 Einwohner/km2), in den östlichen und westlichen Pyrenäen etwas höher (50-75 Einwohner/km2). Im Kernraum finden sich kleinere Bevölkerungskonzentrationen nur in Winter- und Bergsportzentren sowie in Heilbädern und Kurorten; auf der französischen Seite reichen Großdörfer in die unteren Täler herein, auf der spanischen Seite treten, mit Ausnahme von Jaca, größere Siedlungen erst in den Vorpyrenäen auf. In den Zentralpyrenäen dominieren eng gebaute Kleindörfer.
Wirtschaft · Verkehr
Die Höhenlagen sind Weidegebiete für die noch immer bedeutende Schafhaltung, zum Teil als Transhumanz über die Staatsgrenzen hinweg, zum Teil verbunden mit Rinderhaltung. Auch die Pferdehaltung spielt seit jeher eine große Rolle. Auf der spanischen Seite Anbau (mit Bewässerung) von Mais, Weizen, Roggen in breiteren Becken- und schmaleren Talsohlen, bis 800 m über dem Meeresspiegel Oliven-, bis 1 000 m über dem Meeresspiegel Weinbau, in geschützten Tallagen Mandel- und Feigenkulturen. Auf der französischen Nordflanke Weinbau in niedrigeren Lagen, begleitet von Kernobst (Birnen, Äpfel), im Osten auch Anbau von Tomaten und Gemüse. In den französischen Zentralpyrenäen Bauxitabbau und Aluminiumherstellung (Département Ariège); der früher auch auf spanischer Seite bedeutende Erzabbau (Eisen, Blei, Zink, Magnesium) ist großenteils aufgegeben worden. Thermalheilbäder sind Bagnères-de-Luchon, Bagnères-de-Bigorre, Ax-les-Thermes, Panticosa; französische Wintersportzentren u. a. Barèges, Font-Romeu, Superbagnères. Auf spanischer Seite sind in den beiden letzten Jahrzehnten viele Winter- und Bergsportzentren ausgebaut oder neu angelegt worden, u. a. La Molina, Nuria, Valiter 2000, Tredós, El Formigal, Candanchú, Astún, Super Espot, Baqueira-Beret, Burguete, Isaba, Sallent de Gallego.
Wegen der geringen Schartung - der wasserscheidende Kamm geht auf einer Länge von 300 km nicht unter 1 600 m über dem Meeresspiegel hinab - liegen die wichtigsten Übergänge an den Gebirgsrändern: im Osten bei Le Perthus (290 m über dem Meeresspiegel), im Westen die Küstenstraße Hendaye-Irún (20 m über dem Meeresspiegel), heute beide mit Autobahn. Außer den beiden Küstenlinien queren Eisenbahnen die Pyrenäen unter dem Col de Puymorens und dem Pass Somport. Zwei Übergänge sind durch moderne Straßentunnel ganzjährig befahrbar: Viella-Pont de Suert und Saint-Lary-Soulan-Bielsa; sie verbinden das oberste Garonnegebiet mit dem Ebrobecken im Bereich des Segre. Weitere wichtige Straßenpässe sind der Pass von Roncesvalles, der Somport (Römerstraße, im Mittelalter Pilgerweg nach Santiago de Compostela), der Col de la Perch und der Col de Puymorens nach Puigcerdá sowie der Port d'Envalira nach Andorra la Vella und der Col d'Ares bei Prats-de-Molló-La-Preste am Tech. Im Bau befindet sich ein 8,6 km langer Straßentunnel, der die Fahrt über den Pass Somport ersetzen soll (geplante Fertigstellung 1999). Die Route des Pyrénées durchzieht über eine Anzahl hoher Pässe die französischen Pyrenäen von Saint-Jean-de-Luz an der Atlantikküste nach Cerbère an der Mittelmeerküste.
Geröllgeräte und Steinwerkzeuge des Clactonien aus Terrassenschottern der oberen Garonne bilden die ältesten Spuren des Menschen im Randgebiet der Pyrenäen. Das Acheuléen ist im Garonnebecken fast ausschließlich durch Quarzitgeräte vertreten. Aus der Grotte Malarnaud (Ariège) stammen Skelettreste eines Neandertalers. Wie hoch gelegene Höhlen mit Moustérienfunden beweisen, ist diese Menschenform in einer Wärmephase des Jungpleistozäns tiefer in die Pyrenäen eingedrungen als ihre Vorgänger. In der jüngeren Altsteinzeit haben Jägergruppen das nördliche Pyrenäengebiet bis an den Rand der Talgletscher durchstreift. Felsbilder des Aurignacien und Gravettien wurden in den Höhlen Gargas, Massat und Le Portel entdeckt. Das Solutréen hat im französischen Pyrenäengebiet Sonderformen entwickelt, die Zusammenhänge mit Nordspanien erkennen lassen. Die meisten jungpaläolitischen Kulturreste der Pyrenäen sind auf den Menschen des Magdalénien zurückzuführen, der den zurückweichenden Gletschern der Würm-Eiszeit folgte und Höhlen in Höhen bis zu 800 m über dem Meeresspiegel aufsuchte. Außer Felsbildern in vielen Höhlen (Labastide, Montespan, Niaux, Trois Frères, Tuc-d'Audoubert) zeugen zahlreiche Kleinkunstwerke aus Höhlen und Abris für eine beachtliche Kulturhöhe der späteiszeitlichen Rentierjäger. In der Höhle bei Le Mas-d'Azil wurde mit dem Azilien eine Kultur entdeckt, die sich stratigraphisch als epipaläolithische Übergangskultur erwies (Mittelsteinzeit).
Die Verbreitung der jungsteinzeitlichen Fundorte auf beiden Hängen der östlichen Pyrenäen lässt auf Benutzung der Hochweiden und der Pässe seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. schließen. Aus der Bronzezeit (2. Jahrtausend) sind Kulturreste in Höhen über 2 000 m über dem Meeresspiegel bezeugt (Port d'Orle, Col de la Hunarde). In der älteren Eisenzeit reichten die iberischen Einflüsse, die nun auch auf dem Fernhandel beruhten, bis an den Fuß der Cevennen.
Willy Meyer: P. (Bern 1962);
G. Viers: Les Pyrénées (Paris 31973);
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Py|re|nä|en <Pl.>: Gebirge zwischen Spanien u. Frankreich.
Universal-Lexikon. 2012.