Bhạgvan-Bewegung
[zu Bhagvan], inoffizielle Selbstbezeichnung Neo-Sạnnyas-Bewegung [zu Sanskrit sanyasi, der Bezeichnung für einen frommen Hindu, der sich im Alter in strenger Askese auf den Tod vorbereitet und dadurch eines der vier hinduistischen Lebensziele erfüllt], die religiöse Bewegung um den Inder »Shri Bhagvan« C. M. Rajneesh, der seit 1974 einen Ashram, ein religiös-therapeutisches Zentrum in Pune (Maharashtra) leitete. Er entwickelte ein Therapie- und Meditationsprogramm, in dem er psychische Selbsterfahrung nach der westlichen humanistischen Psychologie und der ihr verpflichteten Therapie (z. B. Bioenergetik) mit religiös-mystischer Erfahrung nach östlicher Traditionen (tantrische Yoga mit einer positiven Einstellung zur Sexualität und mystischen Traditionen aus Taoismus und Sufismus) verband und in den Rahmen eines intensiven Meister-Schüler-Verhältnisses einfügte. Dieses Programm sollte der Entkrampfung und Auflösung gesellschaftlich festgelegter Ich-Strukturen dienen, an deren Stelle Selbstannahme und ganzheitliche Öffnung für das Göttliche, die reine Existenz im »Hier und Jetzt«, treten sollten. Die Lehre verstand sich als lebensbejahend, Askese wurde abgelehnt (daher Neo-Sannyas-Bewegung). Auf dem Höhepunkt der Bhagvan-Bewegung in der ersten Hälfte der 1980er-Jahre wurden ihre Anhänger weltweit auf 200 000 geschätzt, davon ein Viertel in der BRD. - Weltzentrum der Bhagvan-Bewegung war zunächst die »Rajneesh-Foundation« in Pune. 1981 verließ Rajneesh Pune und ließ sich mit seiner Gefolgschaft im amerikanischen Bundesstaat Oregon nieder, wo er ein neues Zentrum, die Stadt »Rajneeshpuram«, gründete. Seit 1983/84 betreibt die Bhagvan-Bewegung in zahlreichen europäischen Ländern, v. a. in Deutschland, auch Wirtschaftsunternehmen (z. B. Diskotheken und Verlage), deren hohe Gewinne in erster Linie auf der freiwilligen Selbstausbeutung der oft gut ausgebildeten Anhänger der Bewegung beruhen. Im September 1985 brach die Bhagvan-Bewegung auseinander, als die langjährige Vertraute des »Bhagvan«, Sheela Silverman (genannt Ma Anand Sheela), mit einigen Anhängern Rajneeshpuram und die USA verließ (Anfang 1986 wieder unter Anklage an die USA ausgeliefert) und Rajneesh das Ende der Bhagvan-Bewegung verkündete. Rajneesh wurde im November 1985 aus den USA abgeschoben und kehrte, nach erfolglosen Versuchen sich in anderen Ländern niederzulassen, 1987 nach Pune zurück. Dort gründete er die Bhagvan-Bewegung neu, seit 1989 Osho-Bewegung (»Osho Commune International«), nachdem er den Titel eines Osho angenommen hatte. Seit Rajneeshs Tod (1990) leitet ein von ihm bestimmter Kreis von Männern und Frauen die Bewegung. Durch die Systematisierung der Lehre Rajneeshs (rd. 600 mitgeschriebene Lehrreden), die Einführung einer verbindlichen Frömmigkeitspraxis (u. a. eines Festkalenders) und den zielgerichteten Aufbau einer zentralistischen Organisationsstruktur nimmt die Bewegung zunehmend die von dem »spontan« lehrenden Rajneesh abgelehnte Form einer institutionalisierten Religionsgemeinschaft an. Anfang der 90er-Jahre wuchs die Zahl ihrer Anhänger weltweit wieder auf über 200 000 an, in Deutschland (geschätzt) 20 000. Seit der politischen Öffnung Ost- und Mitteleuropas ist die Bewegung auch in diesen Ländern aktiv.
Universal-Lexikon. 2012.