1) Kerntechnik: Zustand eines Kernreaktors, wenn ebenso viele Neutronen durch Kernspaltung erzeugt werden, wie durch Absorption im Kernbrennstoff und in den Strukturmaterialien sowie durch Ausfluss aus dem Reaktorkern verloren gehen, d. h., wenn der effektive Vermehrungsfaktor keff = 1 ist. Der kritische Zustand ist der normale Betriebszustand eines Kernreaktors, bei dem die Kettenreaktion stationär abläuft und die thermische Reaktorleistung konstant bleibt. Ein Kernreaktor ist unterkritisch, wenn k 1 ist (eine Kettenreaktion kann sich nicht selbst aufrecht erhalten), und überkritisch, wenn k > 1 ist (die Reaktorleistung steigt exponentiell an). Die Bezeichnungen kritisch wird entsprechend für beliebige Anordnungen von Kernbrennstoffen verwendet.
2) Thermodynamik: Zustand des Zweiphasensystems gasförmig-flüssig eines Stoffes, in dem die beiden koexistierenden Phasen in allen ihren physikalischen Eigenschaften übereinstimmen. Der Punkt im Zustandsdiagramm, der dem kritischen Zustand entspricht, heißt kritischer Punkt. - Komprimiert man ein Gas isotherm bei niedriger Temperatur, so scheidet sich vom Erreichen eines bestimmten Volumens Vg an Flüssigkeit ab. Während der Dampfdruck über der Flüssigkeit konstant bleibt, ist schließlich beim Volumen Vfl das gesamte Gas kondensiert. Bei höherer Temperatur nähern sich Vg und Vfl, bis sie im kritischen Zustand zusammenfallen und eine Verflüssigung nicht mehr beobachtet wird.
Die Zustandsgrößen im kritischen Zustand sind kritische Größen. Sie sind für jeden Stoff charakteristische Konstanten und können z. B. mithilfe der Van-der-Waals-Konstanten und der Gaskonstante bestimmt werden (Theorem der korrespondierenden Zustände). Die kritische Temperatur (Tk) ist die Temperatur, oberhalb derer ein Gas auch bei Anwendung höchster Drücke nicht verflüssigt werden kann. Den Druck, bei dem eine Verflüssigung bei der kritischen Temperatur gerade noch möglich ist, bezeichnet man als kritischen Druck (pk), das Volumen, das 1 Mol eines Stoffs bei der kritischen Temperatur einnimmt, als kritisches Volumen (Vk), die entsprechende Dichte als kritische Dichte (ρk). Stoffe oberhalb der durch die kritischen Größen gegebenen Grenzen befinden sich im überkritischen Zustand.
Universal-Lexikon. 2012.