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Mitterrand
Mitterrand
 
[mitɛ'rã], François, französischer Politiker, * Jarnac (Département Charente) 26. 10. 1916, ✝ Paris 8. 1. 1996; Lehrer und Jurist, gehörte 1944 der Provisorischen Regierung de Gaulles an; in der Vierten Republik (1945-58) führendes Mitglied der Union Démocratique et Socialiste de la Résistance (UDSR), Abgeordneter und mehrmals Minister. Nach Gründung der Fünften Republik (1958) sammelte er, 1959-62 Senator, 1962-81 wieder Abgeordneter, v. a. in Opposition zur Verfassungs- und Innenpolitik Präsident de Gaulles erfolgreich die Linkskräfte in Frankreich (1965 Präsidentschaftskandidat der linken, nichtkommunistischen Parteienkoalition Fédération de la Gauche Démocrate et Socialiste, FGDS). 1971 verschmolz er die von ihm 1970 gegründete »Convention des Institutions Républicaines« (deutsch etwa: »Vereinigung zugunsten der republikanischen Institutionen«) mit dem Parti Socialiste (PS), dessen Generalsekretär er 1971-80 war. Unter seiner maßgeblichen Mitwirkung schlossen sich 1972 Sozialisten, Kommunisten und Linksradikale auf der Basis eines gemeinsamen Programms zur Union de la Gauche zusammen.
 
Bei den Präsidentschaftswahlen 1974 unterlag er nur knapp V. Giscard d'Estaing, 1981 löste er ihn (nach dem 2. Wahlgang) im Amt des Staatspräsidenten ab. Gestützt auf die absolute Mehrheit des PS in der Nationalversammlung (1981-86) und die von ihm getragenen Regierung unter P. Mauroy (1981-84) und L. Fabius (1984-86), führte Mitterrand ein Reformprogramm durch (u. a. Festsetzung von Mindestlöhnen, Familienbeihilfen, Rentenerhöhung, Verstaatlichung von Banken und Schlüsselindustrien, Dezentralisierung der Verwaltung). Parallel dazu suchte Mitterrand seit 1982/83 wachsende Arbeitslosigkeit und Inflation durch Sparprogramme zu bekämpfen. Nach den Parlamentswahlen von 1986, bei denen der PS die absolute Mehrheit verlor, musste Mitterrand mit einer bürgerlichen Regierung unter dem Gaullisten J. Chirac (1986-88) zusammenarbeiten (Cohabitation). Dennoch konnte er seine Kompetenzen in der Führung der Außen- und Sicherheitspolitik stärken. Im Mai 1988 wurde er erneut zum Staatspräsidenten gewählt. In der zweiten Amtsperiode (1988-95) berief Mitterrand zunächst M. Rocard (1988-91), dann Edith Cresson (1991-92) und P. Bérégovoy (1992-93; alle PS) zum Premierminister, nach der Niederlage des PS in den Parlamentswahlen vom März 1993 in einer neuen Cohabitation den Gaullisten É. Balladur.
 
In der Außenpolitik setzte Mitterrand die von Präsident de Gaulle begründete eigenständige Konzeption der französischen Nuklearverteidigung fort. Im Bereich der EG beförderte er den Prozess der europäischen Integration. Die deutsche Vereinigung unterstützte er nach anfänglichem Zögern. Gegen Ende seiner Amtszeit im Mai 1995 bemühte sich Mitterrand verstärkt um ein überparteiliches Profil. Mit seinem Namen sind Großprojekte im Raum Paris wie die Erneuerung des Louvre und der Neubau der Bibliothèque Nationale verbunden.
 
Schriften: Aux frontières de l'Union française (1961); Le coup d'État permanent (1964); Ma part de vérité, de la rupture à l'unité (1969); La paille et le grain (1975; deutsch Spreu und Weizen); Politique, 2 Bände (1977-81); Ici et maintenant (1980); Réflexions sur la politique extérieure de la France (1986); Mémoire à deux voix (1995, mit E. Wiesel; deutsch Nachlese. Erinnerungen, zweistimmig); De l'Allemagne, de la France (1996; deutsch Über Deutschland); Mémoires interrompus. Entretiens avec Georges-Marc Benamou (1996).
 
Literatur:
 
J. Dunilac: F. M. sous la loupe (Genf 1981);
 C. Nay: M., Anatomie einer Karriere (Zürich 1986);
 P. Péan: Eine frz. Jugend - F. M. 1934-1947 (a. d. Frz., 1995).

Universal-Lexikon. 2012.