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Qumran
Qumran
 
[k-], Kumran, Khịrbet Qumran [x-; arabisch »Ruine von Qumran«], Ruinenstätte einer klosterähnlichen Anlage mit Nekropole am Nordwestende des Toten Meeres, nahe dem Wadi Qumran (Westjordanland); seit Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt, jedoch erst 1952 und 1956 unter Leitung von Gerald L. Harding von der jordanischen Altertümerbehörde und dem Dominkanerpater und Archäologen Roland de Vaux (* 1903, ✝ 1971) systematisch ausgegraben. Die Anlage von Qumran wurde Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. auf älteren Fundamenten errichtetet und wurde bis zu ihrer Zerstörung im römisch-jüdischen Krieg (68 n. Chr.) wohl von verschiedenen jüdischen Gruppen bewohnt. Im Unterschied zum wissenschaftlichen Konsens der älteren Qumran-Forschung, der die »Qumran-Gemeinde« beziehungsweise »Qumran-Leute« weitgehend mit den Essenern identifizierte, geht die gegenwärtige Forschung aufgrund der Vielgestaltigkeit der Qumran-Texte von mehreren Gruppen unterschiedlichen Selbstverständnisses beziehungsweise von einer differenzierteren Sicht der Essener aus. Das alle Gruppen Einende wird dabei in dem Bestreben gesehen, außerhalb der hellenistisch-römischen Stadtkultur in bewusster Abgrenzung von den so genannten »hellenistischen« (hellenisierten) Juden »in der Wüste« zu den Quellen des Judentums zurückzukehren und ein an authentischer jüdischer Tradition ausgerichtetes Leben zu führen. Dabei verstanden sich einige wohl als der »heilige Rest« des Volkes Israel, in dessen Mitte der davidische Königsmessias und der hohepriesterliche Messias auftreten werden.
 
Zwischen 1947 und Mitte der 1960er-Jahre wurden in elf Höhlen in Qumran und Umgebung eine große Anzahl in Tonkrügen verborgener Schriftrollen (Leder, Papyrus sowie eine Rolle aus Kupfer) aus der Zeit zwischen dem 3. Jahrhundert v. Chr. und dem 1. Jahrhundert n. Chr. entdeckt: Handschriften von Büchern der hebräischen Bibel (u. a. eine vollständige Handschrift des Buches Jesaja, Teile des Buches Daniel, Reste mehrerer Psalmenhandschriften, althebräische Fragmente von 3. Mose sowie hebräische und aramäische Fragmente von deuterokanonischen Büchern), Kommentare zu biblischen Texten, pseudepigraphische Schriften und gemeindeinternes Schrifttum (Regelbuch, Kriegsrolle, Loblieder, Tempelrolle, rituelle und zivilrechtliche Bestimmungen). Die Textfunde sind von großer Bedeutung für die Forschungen zur vorkanonischen Textgestalt der hebräischen Bibel und das philologische Studium der hebräischen Sprache und Literatur und bilden wichtige Quellen zur Geschichte der jüdischen Theologie zwischen dem 2./1. Jahrhundert v. Chr. und dem 1. Jahrhundert n. Chr.
 
Die von den Journalisten Michael Baigent und Richard Leigh in »Verschlußsache Jesus« (1991) vertretene These (u. a. mit Hinweis auf angeblich durch den Vatikan unterdrückte Qumran-Texte), die Gemeinde von Qumran sei die erste Christengemeinde gewesen und die Person Jesu sowie weitere Personen des Neuen Testaments ließen sich aus den Qumran-Texten erschließen, wird als wissenschaftlich unhaltbar nahezu einhellig seitens der jüdischen und christlichen Bibelwissenschaftler zurückgewiesen.
 
Literatur:
 
Revue de Q. (Paris 1958 ff.);
 
Q., hg. v. K. E. Grözinger u. a. (1981);
 
Die Texte aus Q., hg. v. E. Lohse (41986);
 D. Batzner: Die Q.-Gemeinde. Lebensform u. Grundlagen ihrer Theologie (1994);
 O. Betz u. R. Riesner: Jesus, Q. u. der Vatikan (Neuausg. 1995);
 Johann Maier: Die Q.-Essener, 3 Bde. (1995-96);
 R. de Vaux: Die Ausgrabungen von Q. u. En Feschcha, auf mehrere Bde. ber. (a. d. Frz., 1996 ff.);
 F. Rohrhirsch: Wissenschaftstheorie u. Q. (Freiburg 1996);
 M. Wise u. a.: Die Schriftrollen von Q. Übers. u. Komm., hg. v. A. Läpple (a. d. Amerikan., 1997).

Universal-Lexikon. 2012.