Zwölftontechnik,
Dodekaphonie, Bezeichnung für die von A. Schönberg entwickelte »Methode der Komposition mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen« sowie für die Tropenlehre von J. M. Hauer. Beide Techniken setzen die temperierte Stimmung, die die Oktave in 12 gleiche Intervalle teilt, voraus.
Grundlage und Ausgangspunkt der Zwölftontechnik Schönbergs ist die Reihe, ein frei gewähltes melodisches Gebilde, das alle zwölf Töne der temperierten Skala je einmal enthält, wobei nur die Tonqualitäten, d. h. die Notennamen, nicht deren Oktavlage, festgelegt werden. Diese in einer Komposition stets beibehaltene Reihe ist die Quelle aller musikalischer Gedanken, sowohl horizontal der Tonfolgen (Melodien) als auch vertikal der Zusammenklänge (Akkorde). Die Reihe selbst folgt nicht melodischen Gesetzen, sondern bleibt musikalisch abstrakt, auch wenn sie, wie bei Schönberg, stets einem musikalischen Gedanken, dem »Einfall«, entspricht. Aus ihr können, da die Rhythmisierung und die Oktavlage frei bestimmbar sind, die verschiedensten musikalischen Gedanken (Motive, Themen u. a.) abgeleitet werden. Darüber hinaus erscheint sie in 48 grundsätzlich gleichberechtigten Gestalten: in ihrer Grundgestalt, der umgekehrten und der rückläufigen Gestalt (Umkehrung, Krebs) und der umgekehrten rückläufigen Gestalt (Krebs der Umkehrung), die jeweils auf die zwölf verschiedene Stufen transponiert werden können. Ein Zwang, alle diese Gestalten zu verwenden, besteht nicht. Die Satztechnik der Zwölftonmusik ist überwiegend polyphon, doch gibt es auch hier durchbrochene Arbeit, primär akkordische Anlage und zahlreiche Mischungen. Vorausgesetzt ist die grundsätzliche Gleichberechtigung aller Klänge. Durch die Zwölftontechnik verabsolutiert sich die motivisch-thematische Beziehung innerhalb eines Werkes, die schon vielfach bei L. van Beethoven, v. a. aber bei J. Brahms herrschte, und wird zum einzigen, den Zusammenhang garantierenden Mittel.
Schönberg betrachtete die Zwölftonmusik als logische Konsequenz jener Entwicklung zur Neuen Musik, die um 1908 mit der freien Atonalität (atonale Musik) begann. Konkret leitete die Entwicklung der Zwölftontechnik die Zeit der gebundenen Atonalität ein. Schönberg hat seit 1923 in Zwölftontechnik komponiert. Ihm folgten A. Berg, A. Webern, H. Eisler, später E. Krenek, L. Dallapiccola, R. Leibowitz, nach 1947 auch H. W. Henze, W. Fortner, I. Strawinsky u. a. Galt es zunächst, eine Komposition aus nur einer einzigen Reihe zu entwickeln, so hat Schönberg bereits seit 1929 Nebenformen aus Reihenteilen abgeleitet; Berg entwickelte in seiner Oper »Lulu« (1928-35) aus einer Reihe neue Reihen, während Krenek versuchte, den Reihenzwang zu brechen, indem er einzelne Töne innerhalb bestimmter Gruppen nach bestimmten Regeln umstellte. Die Übertragung der Reihenidee von der Tonhöhe auf andere Eigenschaften der Töne (z. B. auf Tondauer und Klangfarbe) führte zur seriellen Musik.
Die seit 1918 entwickelte Zwölftontechnik von Hauer beruht nicht auf Reihen, sondern auf Tropen, je zwei sich zu einer Zwölftongruppe ergänzenden Sechstongruppen, innerhalb derer die Töne allerdings beliebig, im weiteren Sinn auch tonal umgestellt werden können. Die Aufeinanderfolge der Tropen (Hauer gibt insgesamt 44 an) ist keinen bestimmten Regeln unterworfen. Die Zwölftontechnik Hauers, die erst 1942 endgültig festgelegte »Spielregeln« erreichte, steht mit der Schönbergs in keinem Zusammenhang.
C. Möllers: Reihentechnik u. musikal. Gestalt bei Arnold Schönberg (1977);
H. Eimert: Lb. der Z. (91981);
M. Beiche: Terminolog. Aspekte der »Zwölftonmusik« (1984);
T. W. Adorno: Philosophie der neuen Musik (71995);
A. Schönberg: Stil u. Gedanke (Neuausg. 5.-6. Tsd. 1995);
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Zwọ̈lf|ton|tech|nik, die <o. Pl.> (Musik): Technik der Zwölftonmusik.
Universal-Lexikon. 2012.