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Charakterkunde
Cha|rạk|ter|kun|de 〈[ka-] f. 19; unz.〉 Wissenschaft von Wesen u. Entwicklung des Charakters, Persönlichkeitsforschung; Sy Charakterologie

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Charakterkunde
 
(Charakterologie): Die Charakterkunde stellt sich die Aufgabe, Erscheinungsformen des Charakters als einzelmenschliche und gruppenmäßige Ausprägung zu beschreiben, charakterliche Einzelfunktionen zu erfassen, den Zusammenhang zwischen Körperbau und Charakter (Konstitution) aufzuzeigen, Konstanz und Entwicklung von Charakterzügen nachzuzeichnen, einen strukturellen Aufbau des Charakters zu entwerfen, die Grundzüge einer Charakterdiagnostik zu erarbeiten, Charakterstörungen auf ihre ursächliche Herkunft hin zu untersuchen und Wege zu deren Verhütung aufzuzeigen. Den zeitlichen Anfang der deutschen Charakterkunde bestimmte die Erforschung des Charakteraufbaus. Der deutsche Philosoph und Psychologe L. Klages gliederte den Charakter nach stofflichen Eigenschaften (z. B. Fähigkeiten wie Intelligenz, Gedächtnis, Wille), nach Artungseigenschaften, die die Richtung von menschlichen Strebungen anzeigen (z. B. Güte, Mitleid, Ehrgeiz), und Gefügeeigenschaften, in denen sich ein Mehr oder Weniger an Antrieb oder Hemmung manifestiert (z. B. Ablenkbarkeit, Wortkargheit, Temperament, Gehemmtheit).
 
Die jeweilige Eigenschaftsausstattung eines Menschen bestimmt somit das Gesamtbild des Charakters (harmonisch, widerspruchsvoll, reif, labil u. a.) und die Charakterhaltung (höflich, frech, derb, schüchtern u. a.). Unberücksichtigt blieb jedoch hierbei die von der ursprünglichen Anlage und den Umwelteinflüssen bestimmte Charakterentwicklung. Sie wurde erst später thematisiert (Person als Prozess), wodurch auch die Frage nach dem Verhältnis von Anlage (Anlagen) und Umwelt gestellt war, die zu empirischen Untersuchungen über den Einfluss der Anlage- und Umweltfaktoren auf den Charakter anregte.
 
Zunächst suchte jedoch die wissenschaftliche Psychologie, das Vorfeld des individuellen Charakters durch die Herausarbeitung von Typen (Typus, Typologie) abzusichern. Erneute Aktualität gewann die Frage nach dem Aufbau des Charakters durch die Schichtenlehre. Inzwischen haben jedoch die angloamerikanische Persönlichkeitsforschung und die bereits um 1900 von W. Stern konzipierte differenzielle Psychologie weitgehend die Nachfolge der Charakterkunde angetreten. Für die empirische Psychologie ist die Charakterkunde nur noch von historischer Bedeutung.

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Cha|rạk|ter|kun|de, die: Charakterologie.

Universal-Lexikon. 2012.