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Gestaltwandel
Ge|stạlt|wan|del 〈m. 5Wandlung, Veränderung der Gestalt

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Gestaltwandel,
 
Gestaltwandel ist ein Begriff, der typische Veränderungen körperlicher Proportionen und psychischer Funktionen beim Übergang vom Kleinkind zum Schulkind sowie im Pubertätsalter charakterisieren soll.
 
Der erste Gestaltwandel soll sich ungefähr zwischen dem 5. und 7. Lebensjahr vollziehen. War zuvor die Körperform des Kleinkindes gekennzeichnet durch einen relativ großen Kopf, einen rundlichen Rumpf, geringe Kurvung der Wirbelsäule, relativ kleine und weiche Extremitäten mit geringer Betonung der Gelenke sowie durch eine große und vorgewölbte Stirn bei verhältnismäßig kleinem Mittelgesicht, so geht diese jetzt in die Körperform des Schulkindes über, bei der eine weit geringere Dominanz des Kopfes vorliegt, der Rumpf gestreckter ist, die Schultern stärker betont sind, die Extremitäten, an denen sich jetzt Muskeln und Gelenke abzeichnen, länger und schlanker sind und der Anteil des Gesichts am Gesamtkopf deutlich größer ist. Im Übrigen wirken jetzt das Gesicht ebenso wie Rumpf und Gliedmaßen deshalb straffer und profilierter, weil auch eine Reduktion des Fettgewebes eintritt.
 
Der zweite Gestaltwandel soll bei Mädchen ungefähr im 12., bei Jungen etwa im 13. Lebensjahr eintreten. Hier ist der Übergang v. a. durch folgende Merkmale gekennzeichnet: zunehmendes Längenwachstum gegenüber dem Breitenwachstum und beschleunigtes Extremitätenwachstum (während der Rumpf seine Größe beibehält). Insgesamt sind Proportionsverschiebungen von Kopfgröße, Armlänge und Beinlänge im Verhältnis zur Gesamtlänge des Körpers zu beachten. Die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale prägen sich aus. Sowohl beim ersten als auch beim zweiten Gestaltwandel kommt es zu einem disharmonischen Verhältnis zwischen der jeweils erreichten Körperhöhe und der Leistungsfähigkeit der inneren Organe. Als mögliche Folgen werden u. a. eine zeitweilige Steigerung der vegetativen Labilität sowie eine nicht selten unzureichende motorische Steuerung genannt.
 
Wichtig ist zu betonen, dass schulärztliche und schulpsychologische Untersuchungen eine Revision dieser zuerst von dem Berliner Arzt W. Zeller gemachten Altersangaben nahe legen, da die beschriebenen proportionalen Veränderungen während der letzten Jahrzehnte zunehmend früher einzutreten scheinen und deshalb beispielsweise eine Übereinstimmung des kindlichen Entwicklungsstandes mit der von Zeller beschriebenen Schulkindform bereits am Ende des Vorschulalters festgestellt werden kann. So weist die Psychologin L. Schenk-Danzinger darauf hin, dass nur bei sehr stark retardierten Sechsjährigen heute noch die körpergestaltliche Kleinkindform im Sinne Zellers festzustellen ist. Dies ist u. a. ein Grund dafür, dass die Körpergestalttypen Zellers heute kaum mehr als diagnostisches Kriterium des psychischen (insbesondere des kognitiven) Entwicklungsstandes beim Schuleintritt oder beim Beginn der Berufsausbildung gelten können.
 
Wie der Psychologe H. Nickel betont, muss aber auch aufgrund empirischer Untersuchungen davon ausgegangen werden, dass beispielsweise die Körpergestaltmerkmale im Sinne Zellers keinen hinreichend sicheren Schluss auf die Ausprägung von Merkmalen der psychischen Schulfähigkeit zulassen. Recht deutlich zeigt dies das Ergebnis zweier Erhebungen an den Schulanfängern der Stadt Bielefeld in den Jahren 1953 und 1954. Nach körperlichen Kriterien wurden alle untersuchten Kinder den Körpergestalttypen »Kleinkindform«, »Übergangsform« und »Schulkindform« zugeordnet. Gleichzeitig wurden die Kinder mit einem Schulfähigkeitstest untersucht und dann, entsprechend ihrem Abschneiden, gleichfalls in drei Gruppen eingeteilt. Die Übereinstimmung der Zuordnungen nach beiden Kriterien sollte dann ein Maß für die wechselseitige Abhängigkeit der beiden Merkmale körperlicher Entwicklungsstand und psychische Schulfähigkeit sein. Es zeigte sich jedoch, dass bei einem beträchtlichen Prozentsatz von Kindern keine übereinstimmende Zuordnung nach den beiden Gesichtspunkten möglich war.

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Ge|stạlt|wan|del, der (Med.): sich mit den Vorgängen in den einzelnen Entwicklungsstufen vollziehende Wandlung der körperlichen Proportionen u. der Gesamtgestalt.

Universal-Lexikon. 2012.