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Katastrophentheorie
Ka|ta|stro|phen|the|o|rie 〈f. 19; unz.〉
1. 〈Biol.〉 Annahme, dass die Tierwelt früherer Erdzeitalter mehrmals durch Naturkatastrophen vernichtet worden sei; Sy Kataklysmentheorie
2. 〈Astron.〉 Theorie über die Entstehung des Planetensystems
3. 〈Math.〉 Theorie, mit deren Hilfe versucht wird, Katastrophen bzw. extreme Änderungen innerhalb eines Systems mathematisch zu erfassen
Die Buchstabenfolge ka|ta|str... kann in Fremdwörtern auch ka|tas|tr..., ka|tast|r... getrennt werden.

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Ka|ta|s|t|ro|phen|the|o|rie, die (Astron.):
eine Theorie über die Entstehung der Planeten.

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Katastrophentheorie,
 
1) Astronomie: Anfang des 20. Jahrhunderts von J. Jeans u. a. vertretene (und heute widerlegte) Hypothese, nach der das Planetensystem aufgrund äußerer Einflüsse entstanden ist. Dabei habe die Gezeitenwirkung eines die Sonne in geringem Abstand passierenden Sterns aus dieser große Materiemengen herausgerissen, aus denen sich dann die Planeten und ihre Satelliten bildeten. Wegen der hohen Temperatur der abgelösten Materie hätte sich diese jedoch im Raum verflüchtigt, ohne größere Himmelskörper zu bilden.
 
 2) Biologie und Paläontologie: Kataklỵsmentheorie, v. a. mit dem Namen von G. Baron de Cuvier verknüpfte Theorie, nach der Tier- und Pflanzenwelt nach Ablauf einzelner geologischer Zeitabschnitte durch Naturkatastrophen vernichtet worden und durch Neuschöpfung oder außerirdische Einwanderung immer wieder neu entstanden seien.
 
Die an die Vorstellungen von der Sintflut erinnernde Katastrophentheorie spielte bis weit ins 19. Jahrhundert eine wichtige Rolle, wurde dann aber aufgrund der sich mehrenden paläontologischen Kenntnisse zugunsten der Abstammungslehre aufgegeben. Als eine neue Art von Katastrophentheorie kann die v. a. von dem amerikanischen Physiker L. W. Alvarez und seinem Sohn Walter begründete Anschauung bezeichnet werden, nach der infolge extraterrestrisch bedingter Ereignisse, d. h. durch Einfall von Meteoriten, Kometen oder Kleinplaneten auf die Erde, Umbrüche in der gesamten Lebewelt hervorgerufen worden sein sollen. Dies betrifft v. a. das Aussterben der Dinosaurier u. a. Tiergruppen an der Wende Kreide/Tertiär, das allerdings auch anders erklärt wurde. Noch größeren Widerspruch erfuhr die Ansicht, dass solche katastrophalen Ereignisse periodisch, etwa alle 26 Mio. Jahre, eingetreten sein sollen. Unbestritten bleibt, dass immer wieder, aber unperiodisch auftretende, gewaltige Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüche, Erdbeben, Bergstürze auch die Lebewelt beeinflusst haben.
 
 3) Mathematik: von R. Thom durch sein 1972 erschienenes Buch »Stabilité structurelle et morphogenèse« begründetes Forschungsgebiet der angewandten Mathematik, das sich v. a. aus der Topologie heraus entwickelte. Ziel der Katastrophentheorie ist es, »Katastrophen«, wie sie z. B. auch in der Biologie, Physik und den Sozialwissenschaften vorkommen, mathematisch zu erfassen. Als Katastrophe oder singuläres Ereignis bezeichnet man hierbei sprunghaft auftretende Systemänderungen, z. B. in der Physik den Übergang in einen anderen Aggregatzustand, in der Biologie extreme Populationsschwankungen und in den Sozialwissenschaften die Entstehung von Konflikten. Die Systemänderungen hängen von äußeren Parametern (Einflussfaktoren) ab, die auf das System einwirken (z. B. der Übergang in einen anderen Aggregatzustand von Temperatur und Druck). Variiert man diese Parameter, so erhält man verschiedene Werte, bei denen das System »umkippt«. Diese Werte bilden die Katastrophenwertmenge oder Bifurkationsmenge. Mathematisch stellen sie Singularitäten von Abbildungen dar. Thom zeigte nun, dass sich (unter bestimmten Voraussetzungen) alle Katastrophenmengen von Systemen mit maximal vier Einflussgrößen auf insgesamt nur sieben Arten (Elementarkatastrophen) zurückführen lassen.
 
Stellt man grafisch die Zustandsänderungen in Abhängigkeit von den n Einflussgrößen (n = 1, 2, 3, 4) dar, so entstehen »Figuren« mit sich überlappenden Bereichen. Die Randpunkte dieser Bereiche sind die Katastrophenpunkte. Projiziert man diese auf die Parameterachsen beziehungsweise auf die von diesen aufgespannten Parameterebenen oder -räume, so erhält man bei n = 1 einzelne Katastrophenpunkte, bei n = 2 Katastrophenlinien, bei n = 3 und n = 4 unterschiedlich strukturierte Katastrophenflächen im drei- beziehungsweise vierdimensionalen Parameterraum.
 
Literatur:
 
P. T. Saunders: K. Eine Einf. für Naturwissenschaftler (a. d. Engl., 1986);
 I. Ekeland: Das Vorhersehbare u. das Unvorhersehbare. Die Bedeutung der Zeit von der Himmelsmechanik bis zur K. (a. d. Frz., Neuausg. 1989);
 V. I. Arnold: Catastrophe theory (a. d. Russ., Berlin 31992).

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Ka|ta|stro|phen|the|o|rie, die: 1. eine Theorie über die Entstehung der Planeten. 2. Kataklysmentheorie.

Universal-Lexikon. 2012.