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Tantrismus
Tan|t|rịs|mus, der; -:
religiöse Strömung in Indien seit dem 1. Jh. n. Chr., die mit magisch-mystischen Mitteln Befreiung vom Irdischen sucht.

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I
Tantrịsmus
 
der, -, religiöse Strömung, die seit der Mitte des 1. Jahrtausends n. Chr., von Indien ausgehend, großen Einfluss auf Hinduismus (Shaktismus und Shivaismus) und Buddhismus (Vajrayana) gewann. Die im Tantra niedergelegten Lehren wenden sich von der Orthodoxie des Veda ab und werden immer nur von bestimmten Sekten anerkannt. Sie heben den Unterschied zwischen den Kasten und den Geschlechtern auf. Die Erlösung sucht der Tantrismus auf dem Weg des Rituals mithilfe magischer, mitunter auch origiastischer Praktiken. In den nicht völlig entschlüsselten Geheimriten, in die ein göttlicher Verehrung genießender Lehrer einführt, stehen die Rezitation mystischer Silben (Mantras) und der Genuss der fünf mit »M« beginnenden Dinge im Mittelpunkt: Madaya (Wein), Matsya (Fisch), Mamsa (Fleisch), Mudra (geröstete Körner), Maithuna (Geschlechtsverkehr). Mithilfe von Yogaübungen und der Vereinigung mit seiner Shakti als Symbol der göttlichen Schöpfungskraft gelangt der Tantriker durch einen Prozess der Läuterung zur Erkenntnis seiner Einheit mit dem Brahman und zur Erweckung und Beherrschung der kosmischen Kraft (Kundalini) in sich selbst.
 
Literatur:
 
Die Religionen Indiens, Bd. 2: J. Gonda: Der jüngere Hinduismus (1963);
 S. Gupta u. a.: Hindu Tantrism (Leiden 1979);
 B. Walker: T. Die geheimen Lehren u. Praktiken des linkshändigen Pfades (a. d. Engl., Basel 1987);
 
Tantra in Tibet. Das Geheime Mantra des Tsong-ka-pa, hg. v. J. Hopkins (a. d. Engl., 51994).
II
Tantrismus,
 
religiöse Strömung im Hinduismus, später auch im Buddhismus, deren Alter und Entstehung im Dunkeln liegen. Der Tantrismus taucht in der Mitte des ersten Jahrtausends n. Chr. in Indien auf. Das Wort »Tantra« bedeutet »Gewebe« und drückt die Vorstellung aus, dass der Kosmos aus den Fäden der Weiblichkeit und Männlichkeit gewebt ist. Im Tantrismus wird die Erlösung durch (zum Teil geheime) Rituale, durch magische Handlungen und durch sexuelle Akte gesucht, oft in Verbindung mit dem Sprechen magischer Silben, den »Mantras«. Der Tantrismus geht im Ursprung von der Höherbewertung der Frau aus, sie führte ursprünglich in die magischen Rituale ein. Der Geschlechtsakt gilt als heilig, weil durch die Vereinigung des weiblichen und männlichen Prinzips das Grundmodell der kosmischen Einheit nachvollzogen wird. Der so gesehene sexuelle Akt ist ein Weg zur Erlösung, das heißt der Kontakt zur geistigen Welt kann durch Sexualität herbeigeführt werden. Ein wesentliches Moment der sexuellen Praktiken im Tantrismus ist der Coitus reservatus. Der Mann hält sein Sperma zurück, weil die Frau unbegrenzte Yin-Essenz, der Mann aber nur begrenzte Yang-Kraft besitzt. So sammelt der Mann durch das Zurückhalten des Spermas und durch die Aufnahme der weiblichen Yin-Kraft beim sexuellen Akt Lebenskräfte - beide Energien verschmelzen und verwandeln sich in geistige Kraft. Im Westen wird dem Tantrismus in den letzten Jahren viel Beachtung geschenkt; häufig wird er allerdings ohne seinen religiösen Kontext gesehen und dann lediglich als Übung sexueller Praktiken falsch verstanden.

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Tan|trịs|mus, der; -: religiöse Strömung in Indien seit dem 1. Jh. n. Chr., die mit magisch-mystischen Mitteln Befreiung vom Irdischen sucht.

Universal-Lexikon. 2012.