Zie|gel|bau, der:
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Ziegelbau,
Bauwerk aus getrockneten oder gebrannten Ziegeln. In Altertum und Antike wurde der Ziegelbau meist verputzt und angestrichen, bemalt oder verkleidet. Zeitweise nutzte man auch Effekte von Mauerverbänden oder, z. B. bei Mischmauerwerk, von unterschiedlichen Materialien. Als Mauerziegel wurden luftgetrocknete Ziegel (Lehmziegel) in Vorderasien bereits seit dem Spätneolithikum (Jericho, Çatal Hüyük), in Mesopotamien und Ägypten seit dem 4. Jahrtausend v. Chr. bei fast allen Bauaufgaben verwendet (Lehmarchitektur). Neue Ziegelbauten entstanden oft über den planierten Resten älterer, sodass v. a. die altorientalischen Siedlungen in die Höhe wuchsen. Die Ziegel wurden aus mit Wasser und Häcksel oder anderen vegetabilen Zuschlagstoffen vermischter lehmiger Erde hergestellt, freihändig oder in einfachen Holzrahmen in der Regel rechteckig geformt und an der Sonne getrocknet. Beim Verlegen in waagerechten Schichten diente ein Mörtel aus den gleichen Grundstoffen zum Verbinden; bei größeren Bauwerken wurden Schilfmatten zwischen einzelne Ziegelschichten eingelegt und beim Aufschichten zur Sicherung Taue verwendet. In Uruk errichtete man zeitweise Mauern und Säulen mit sehr kleinen viergeteilten Ziegeln (»Riemchen«). In den dicken Putz schlug man farbige gebrannte Ton- oder Steinstifte (Stiftmosaik). Im Mesopotamien der frühdynastischen Zeit verwendete man plankonvexe Ziegel (an der Oberfläche gewölbt). Der später übliche Ziegel war der allseits gerade begrenzte Rechteckziegel von 20-40 cm Seitenlänge und etwa 8-12 cm Stärke. Er wurde für die vor- und zurücktretenden Fassaden (Nischenarchitektur) der mesopotamischen Tempel genutzt. Während diese im Außenbau anscheinend verputzt waren, erhielt der assyrische und hethitische Ziegelbau eine Verkleidung mit Orthostatenreliefs. - Den gebrannten Ziegel (Backstein) verwendete man zunächst als Bodenbelag, für Wasserbassins und Kanalisation und verlegte ihn dabei oft mit Bitumenmörtel, in der Harappakultur wurde er auch für den Brunnen- und Hausbau genutzt. In Babylonien fand er auch für Repräsentationsbauten (Zikkurat, Palast) Anwendung; außergewöhnlich sind die Formziegel für Fassadenreliefs. Der dank einer Emailglasur farbige Ziegel tritt zuerst in der assyrischen Kunst auf. In Babylon ließ Nebukadnezar II. Ziegelbauwände mit bunt glasierten Ziegeln oder glasierten und reliefierten bunten Formziegeln verkleiden. Glasierte glatte und flache Ziegel (Fliesen, Kacheln oder, bei Zinnglasur, Fayence) gehören wie plastischer Bauschmuck (Formziegel, besonders Stirnziegel, Akrotere, auch vollplastische Dachterrakotten, z. B. bei den Etruskern) zur Baukeramik, Dachterrakotten werden zum Teil auch zu den Dachziegeln gerechnet. Der gebrannte flache Dachziegel verbreitete sich von Griechenland, wo er bereits im 3. Jahrtausend (Lerna) bezeugt ist, seit dem 8./7. Jahrhundert v. Chr. von Korinth über das ganze Mittelmeergebiet. Der gebrannte Mauerziegel wurde erst in hellenistischer Zeit üblich. In der römischen Architektur spielte der Bau aus gebrannten Ziegeln (Opus testaceum; Opus) eine überragende Rolle, da mit ihnen die seit Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. immer komplizierteren Grund- und Aufrissformen mit dem Gewölbebau bei Thermen, Palästen (u. a. Domus Aurea, Rom), Villen (z. B. Hadriansvilla, Tivoli) und Tempeln (Pantheon, Rom) zu bewältigen waren. Die gekurvten Mauern und schwierigen Wölbformen errichtete man entweder gänzlich aus gebrannten Flachziegeln, oder man verschalte eine betonartige Füllung (Opus caementicium) mit Ziegeln. Die gemauerten Flächen konnten verputzt, mit Marmor- und Travertinplatten verkleidet oder durch aufwendige Mauerverbandtechniken (Opus reticulatum) gestaltet werden. Ziegelmauerwerk oder auch die Verbindung von (gebrannten) Tonziegel- und Steinlagen (besonders Opus reticulatum) u. a. Formen von Mischmauerwerk (Opus mixtum) fanden weite Verbreitung, auch in der frühchristlichen und durch Jahrhunderte in der byzantinischen Baukunst. Eine neue Blüte erlebte der Ziegelbau seit dem 8./9. Jahrhundert n. Chr. in Iran. Als Verzierung erhielt er Stuck- oder Ziegeldekor. Beim Ziegeldekor erzeugte man durch vortretende Ziegel Muster, deren Schatteneffekte die Schwere der Wand optisch auflösen. Der Backsteindekor der Mausoleen, Moscheen und Minarette wird um 1200 durch farbige Akzente ergänzt (glasierte Inschriftelemente, Quadrate und Sternchen aus Fliesen in Blau, Türkis, Weiß und Schwarz). Die seldschukischen Backsteindekors erinnern an textile Muster; Fliesen aus Kaschan gelangten zunehmend in alle Teile der islamischen Welt. Sie schmückten den Mihrab und überzogen vielfach die Kuppeln oder auch den ganzen Ziegelbau. In Europa lebte der Ziegelbau seit dem frühen Mittelalter wieder auf, zuerst in Oberitalien (Lombardei: Sant'Ambrogio in Mailand; San Lorenzo in Verona), wobei die Eigenwertigkeit des Backsteins den Außenbau prägt. In Kiew (Sophienkathedrale, 1037) wurden rote Backsteine im Wechsel mit weißen Kalksteinen gefügt. Im 12. Jahrhundert setzte unter lombardischem Einfluss der Bau von Backsteinkirchen in Dänemark ein, und der Backsteinbau verbreitete sich besonders im Ostseeraum; in Norddeutschland entstand die Backsteingotik.
Süd-
und Ostasien: In Indien wurde der Ziegelbau bis in die Guptazeit verwendet. Im steinarmen Bengalen entstanden ab dem 7. Jahrhundert buddhistische Klosteranlagen und hinduistischer Tempel aus gebrannten Ziegeln, die mit Reliefs aus Terrakotta verkleidet wurden. In Hinterindien verwendeten die Khmer und Cham für ihre Heiligtümer luftgetrocknete Ziegelbauten (aus Laterit). In China, wo der Lehmziegel seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. bekannt war, nahm der gebrannte Dachziegel eine auffällige Entwicklung. Die Farbe seiner Glasuren hatte symbolische Bedeutung (gelb bei den Palästen der kaiserlichen Familie, blau für den Himmelstempel); die Motive der Formziegel (Dachterrakotten) reichten von apotropäischen Fratzen und Tieren (Schutzgötter) bis zu symbolisch-ornamentalem Schmuck (besonders in Japan).
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Universal-Lexikon. 2012.