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Gehlen
Gehlen,
 
1) Arnold, Philosoph und Soziologe, * Leipzig 29. 1. 1904, ✝ Hamburg 30. 1. 1976; lehrte nach dem Studium von Philosophie, Geschichte und Kunstgeschichte (daneben auch Physik und Biologie) Philosophie in Leipzig (1934), Königsberg (1938) und Wien (1940), nach dem Zweiten Weltkrieg an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer (1947) und an der TH in Aachen (ab 1962).
 
Gehlens Arbeitsgebiete waren v. a. die philosophische Anthropologie und die Sozial- sowie die politische Philosophie. Hier versuchte er, die Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften, insbesondere der Biologie (L. Bolk und A. Portmann), für das philosophische Denken fruchtbar zu machen. Ausgangspunkt ist für Gehlen die Bestimmung des Menschen als »Mängelwesen« (»Der Mensch,. ..« 1940). Aufgrund mangelhafter Ausstattung mit Organen und Instinkten sei der Mensch in seiner individuellen und in seiner gattungsmäßigen Existenz ständig bedroht. Dieser Bedrohung müsse er sich handelnd entgegenstellen. Auf diesem Hintergrund entstehen nach Gehlen die Institutionen des menschlichen Zusammenlebens, aber auch Kulturleistungen wie Sprache, Wissenschaft und Kunst. Deren Daseinsberechtigung liege in ihrer Entlastungs- und Führungs- oder Ordnungsfunktion. Diese Funktionen bildeten zugleich den Gütemaßstab, an dem sowohl die Institutionen als auch die kulturellen Leistungen zu messen sind. Der Philosophie Gehlens wird ein konservativer Charakter zugeschrieben, weil die Ausformungen der Institutionen bei ihm als naturgeschichtliche Notwendigkeiten erscheinen; deshalb ist sie v. a. von der Frankfurter Schule wiederholt kritisiert worden. Seine anthropologischen Thesen werden v. a. von der Verhaltensforschung infrage gestellt.
 
Weitere Werke: Sozialpsychologische Probleme in der industriellen Welt (1949; später unter dem Titel: Die Seele im technischen Zeitalter); Urmensch und Spätkultur (1956); Studien zur Anthropologie und Soziologie (1963); Moral und Hypermoral. Eine pluralistische Ethik (1969).
 
Ausgabe: Gesamtausgabe, auf 10 Bände berechnet (1978 ff.).
 
Literatur:
 
F. Jonas: Die Institutionenlehre A. G.s (1966);
 C. Hagemann-White: Legitimation als Anthropologie. Eine Kritik der Philosophie A. G.s (1973);
 
Standorte im Zeitstrom. Festschr. für A. G., hg. v. E. Forsthoff u. a. (1974);
 
A. G. zum Gedächtnis. Vorträge vom 21. Juni 1976 in der Hochschule für Verwaltungswiss.en Speyer (1976);
 
Funk-Kolleg prakt. Philosophie, Ethik, Bd. 1, hg. v. K.-O. Apel (6.-7. Tsd. 1986).
 
 2) Reinhard, Offizier, * Erfurt 3. 4. 1902, ✝ Berg (Landkreis Starnberg) 8. 6. 1979; leitete 1942-45 im Generalstab des Heeres die Abteilung »Fremde Heere Ost« (später mit dem Abwehrdienst verbunden). Mit Billigung der amerikanischen Besatzungsmacht baute er nach 1945 einen Auslandsnachrichtendienst auf, die Organisation Gehlen, die 1956 in den Bundesnachrichtendienst umgewandelt wurde. 1956-68 leitete Gehlen diese Behörde. Er schrieb »Der Dienst. Erinnerungen 1942-1971« (1971).

Universal-Lexikon. 2012.