Großer Rat,
1) französisch Grand Conseil [grãkɔ̃'sɛj], italienisch Grạn Consiglio [-'siːʎo], bündnerromanisch Cussẹgl Grọnd, in den schweizerischen Kantonen - unter Vorbehalt der Mitspracherechte des Volkes - die gesetzgebende Behörde (Parlament). Ausnahmen bilden die Landsgemeindekantone, in denen der Große Rat weniger Kompetenzen besitzt. Er wird in allen Kantonen vom Volk gewählt, in den meisten nach dem Proporzwahlsystem. Nur die westschweizerischen Kantone sowie Basel-Stadt kennen Bestimmungen, nach denen lediglich Parteien und Gruppierungen, die in der Wahl ein bestimmtes Quorum erreichen (mindestens 5-10 %), in den Großen Rat einziehen können. Der Große Rat verfügt in der Regel über Kommissionen, die über die zu behandelnden Sachfragen vorher beraten.
2) italienisch Maggior Consiglio [mad'dʒoːr kon'siːʎo], in der Republik Venedig das 1172 entstandene oberste Ratsgremium. Es bestand aus indirekt (durch Wahlmänner) gewählten Mitgliedern (im 13. Jahrhundert zwischen 300 und 500, später meist 900-1 200), die seit der »Schließung« (»Serrata«) des Großen Rats 1297 einer festgelegten Anzahl von Patrizierfamilien entstammten (Goldenes Buch). Ursprünglich als Instrument der Machtbeschränkung des Dogen eigentliches Entscheidungsgremium der Republik, mit gesetzgebender, exekutiver und richterlicher Gewalt ausgestattet, aber durch die hohe Mitgliederzahl behindert, verlor der Große Rat seine Kompetenzen mit der Zeit an den »Kleinen Rat« (die Signoria), den »Rat der Vierzig« und den Senat, blieb aber als Wahlorgan für alle anderen Gremien bis 1797 eine bedeutende politische Kraft.
Universal-Lexikon. 2012.