Teilhard de Chardin
[tɛjardəʃar'dɛ̃], Marie-Joseph Pierre, französischer Paläontologe, Geologe, Anthropologe, Philosoph und katholischer Theologe, * Landsitz Sarcenat (bei Clermont-Ferrand) 1. 5. 1881, ✝ New York 10. 4. 1955. Nach Ausbildung im Jesuitenkolleg von Mongré bei Lyon (1892-97) und vielseitigen Studien (zum Teil im Ausland) ab 1899 Jesuit; 1911 Priesterweihe. 1912 begann er in Paris ein Studium der Paläontologie, das er nach dem Kriegsdienst (Sanitäter 1915-19) fortsetzte. Geichzeitig lehrte er am Institut Catholique in Paris. 1923-24 und 1926-39 war er zu Forschungsaufenthalten in China, wo er an der Auswertung der Ausgrabung des Pekingmenschen (Sinanthropus) beteiligt war. Große Expeditionen führten ihn u. a. nach Mittelasien. 1939-46 hielt er sich in Peking auf, wo sein Hauptwerk »Le phénomène humain« (veröffentlicht 1955; deutsch »Der Mensch im Kosmos«) entstand. 1946 kehrte Teilhard de C. nach Frankreich zurück; die katholische Kirche verbot die Veröffentlichung wesentlicher Schriften wie auch die Annahme eines Lehrstuhls in Paris. Ab 1951 Reisen nach Südafrika, Arbeiten für die Wenner Gren Foundation in New York.
Teilhard de C.s Werk bildet den Versuch einer universalen christlichen Weltdeutung auf evolutionistischer Grundlage. Auf der Basis spiritueller Erfahrung sucht er Ergebnisse der modernen Naturwissenschaften, besonders die materialistische Evolutionstheorie, und die christliche Heilslehre und Heilsgeschichte in Einklang zu bringen. Dabei geht er davon aus, dass die Materie, um Geist (in Gestalt des Selbstbewusstseins des Menschen) hervorzubringen, als Urmaterie bereits beseelt gewesen sein müsse; je komplexer die Materie in ihrem Außen (in der Molekülbildung usw.) werde, um so deutlicher trete ihr Innen (als Bewusstsein) in Erscheinung, um sich schließlich im Bewusstsein des Menschen ihrer selbst bewusst zu werden. Auf dieser Stufe der Evolution, dem qualitativen Sprung von der Entfaltung des Organischen, der »Biosphäre«, zur Entfaltung des Geistigen als »Noosphäre«, wird der Mensch zum Träger der weiteren Entwicklung, die sich Teilhard de C. in einer mystischen Vision als eine teleologische Entwicklung des Kosmos zu einer einzigen Weltkultur, dem »Punkt Omega«, denkt; dieser wird auch als das göttliche Zentrum des Kosmos, das absolut letzte, transzendente Prinzip der Irreversibilität und Personalisation beschrieben. Kennzeichnend für die evolutionäre Aufwärtsbewegung sind Beschleunigung und Konvergenz; der Beitrag des Menschen besteht in der in Liebe und Hinwendung zu Christus vollbrachten Tat. - Die katholische Kirche hat Teilhard de C. nicht nur seinen »Evolutionismus« vorgehalten, sondern auch seinen Fortschrittsoptimismus, der mit den christlichen Grundannahmen der Erbsünde und des Jüngsten Gerichtes nur schwer vereinbar sei. Naturwissenschaftler üben Kritik an der Durchdringung wissenschaftlicher Lehre mit Glaubensmomenten.
Weitere Werke: L'apparition de l'homme (herausgegeben 1956; deutsch Das Auftreten des Menschen); Le groupe zoologique humain (herausgegeben 1956; deutsch Die Entstehung des Menschen); Le milieu divin (herausgegeben 1957; deutsch Der göttliche Bereich); Science et Christ (herausgegeben 1965; deutsch Wissenschaft und Christus).
Ausgaben: Œuvres, 13 Bände (1955-76); L'œuvre scientifique, herausgegeben von N. Schmitz-Moormann und anderen, 11 Bände (1971).
Briefwechsel. Maurice Blondel und P. Teilhard de C., herausgegeben von H. de Lubac (1967); Tagebücher, herausgegeben von N. Schmitz-Moormann u. a., 3 Bände (1974-77).
Armin Müller: Das naturphilosoph. Werk T. de C.s (1964);
C. Cuénot: Unsere dynam. Welt. T. de C. zw. Dogma u. Wiss. (a. d. Frz., Olten 1968);
A. Gosztonyi: Der Mensch u. die Evolution. T. de C.s philosoph. Anthropologie (1968);
H. de Lubac: T. de C.s religiöse Welt (a. d. Frz., 1969);
A. Haas: T. de C.-Lex., 2 Bde. (1971);
G. Schiwy: T. de C. Sein Leben u. seine Zeit, 2 Bde. (1981);
L. Ebersberger: Der Mensch u. seine Zukunft. Natur- u. Humanwiss. nähern sich dem Weltverständnis von T. de C. (Olten 1990);
J. Hemleben: P. T. de C. (90.-92. Tsd. 1991);
M. Trennert-Helwig: Die Urkraft des Kosmos. Dimensionen der Liebe im Werk P. T.s de C. (1993);
Universal-Lexikon. 2012.