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On|to|lo|gie 〈f. 19; unz.; Philos.〉 Lehre vom Sein u. seinen Prinzipien [<grch. ont-, on „seiend“ + logos „Wort, Lehre“]
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1. (Philos.) Lehre vom Sein, vom Seienden.
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Ontologie
[griechisch] die, -, philosophische Grunddisziplin der allgemeinen Metaphysik oder Lehre vom Sein. Die Ontologie fragt nach der erkenntnistheoretischen und metaphysischen Struktur der Wirklichkeit, nach den formalen Gesetzen unseres Realitätsverständnisses und nach der relativen Gültigkeit des Seins in Ansehung seiner Abhängigkeit vom erkennenden Subjekt. Die traditionelle Ontologie lässt sich in eine formale und materiale Ontologie unterteilen, insofern ihr methodischer Ansatz entweder bei den rein formalen Gesetzen und Strukturen des Seins oder bei der materialen Erfassung und Gliederung des Seienden liegt.
Zu den erkenntnistheoretischen Prinzipien der formalen Ontologie gehören in erster Linie die drei wahrheitsbestimmenden Grundsätze der allgemeinen Metaphysik (Satz der Identität, des Widerspruchs, des ausgeschlossenen Dritten), die analytisch maßgebend sind für die logische Schlüssigkeit und formale Wahrheit einer Aussage über das Sein einer Sache. Zu ihnen gehört ebenso der Satz vom zureichenden Grund, dem zufolge die Realität eines Gegenstands nur unter der Voraussetzung einer denkbaren Ursache als tatsächlich real erkannt werden kann. Ferner bezeichnen die formalen Kategorien des Denkens die ontologische Funktion der Einheit, die in jedem gedachten Satz oder Urteil Sein konstituiert. Insofern stellt die Ontologie als allgemeine Metaphysik eine Seinslehre dar, die nach den erkenntnistheoretischen Fundamenten des Seins als Gegenstand möglicher Erfahrung fragt. Gegenüber der speziellen Metaphysik sieht die Ontologie somit davon ab, ob ein Sein materiell oder geistig ist. Es geht ihr primär um diejenigen Elemente des menschlichen Erkennens, die a priori, d. h. vor jeder sinnlichen Erfahrung, Sein konstituieren.
Die materiale Ontologie handelt vom organischen Aufbau der Welt als Gegenstand allgemeiner Klassifizierungen. Danach ordnet sie die Elemente konkreten Seins nach Einzelerscheinungen, Gruppen, Arten und Gattungen, die sich aufgrund bestimmter Merkmale (belebt/ unbelebt, körperlich/unkörperlich, empfindend/unempfindend, beseelt/unbeseelt usw.) voneinander unterscheiden. Es geht um die Klassifizierung des wirklichen Seins, insofern es sich als ein systematisch angeordnetes Ganzes von Sachen und entsprechenden Sachbegriffen handelt. Die traditionelle Ontologie ist dabei mit der Konstruktion eines Stufen- oder Schichtenmodells befasst, in das alle Erscheinungen der realen Welt nach objektiven Merkmalen eingeordnet sind. Z. B. ist die platonische Seinsordnung nach Erscheinungen des Geistes, des Gemüts und der Leidenschaften (Eros) gegliedert. Demgegenüber beruht das aristotelische System auf der Klassifikation in Totes, Lebendiges, Geistig-Übersinnliches und Göttlich-Ideelles. Die objektive inhaltliche Bestimmung des realen Seins stellt dabei die Voraussetzung dar für die philosophische Untersuchung von Einzelbereichen dieses klassifizierten Seins durch spezielle Disziplinen; so wird z. B. der Bereich der Natur durch die Naturphilosophie oder der Bereich des Seelischen durch die Psychologie untersucht.
Die Fragestellungen der Ontologie sind auf die griechische Vorsokratik zurückzuverfolgen. Auch die »erste Philosophie« des Aristoteles enthält eine Ontologie, insofern sie nach dem Seienden, seinem Wesen und den ihm zukommenden Bestimmungen fragt. Sie wurde später allgemeine Metaphysik genannt. Für die mittelalterliche Scholastik bildet die Ontologie als Gotteslehre den Abschluss der speziellen Metaphysik. Diese Verknüpfung herrscht in der katholischen Philosophie, besonders in der Neuscholastik, bis heute (natürliche Theologie). Im Sinne einer kritischen Seinslehre wurde die Ontologie von I. Kant radikal reformiert und im Rahmen seiner Transzendentalphilosophie erkenntnistheoretisch gewendet. Die Frage nach dem Sein tritt hier als die nach den Bedingungen der Möglichkeit von Seinserfahrung auf. Im späteren deutschen Idealismus wird sie erneut dogmatisch abgehandelt. Eine von der scholastischen, von der spekulativen und von der rationalen Ontologie gleich weit entfernte ontologische Forschung wurde im 20. Jahrhundert mehrfach wieder aufgegriffen. Sie wurde u. a. als regionale Ontologie der intentionalen Bedeutungseinheiten (E. Husserl), als allgemeine Ontologie der Wirklichkeit mit Immanenz-, Transzendenz- und Ideenontologie (G. Jacoby) sowie als kategorialanalytische Schichtenontologie (N. Hartmann) entwickelt, die eine streng gegenständliche Seinstheorie anstrebt und in der »gegenstandstheoretischen« (A. Meinong) und »grundwissenschaftlichen« Philosophie (J. Rehmke) ihre Parallelen findet. Als nichtgegenständliche Grundlage für alle Erfahrungswissenschaften sieht sich die Fundamentalontologie (M. Heidegger) an. Sie setzt an die Stelle des zeitlos Allgemeinen als Sein höherer Ordnung die konkrete Existenz in ihrer Besonderheit und betreibt existenziale Analytik. Dabei steht die Frage nach dem Sein individueller Existenz im Vordergrund (J.-P. Sartre).
M. F. Sciacca: Akt u. Sein (a. d. Ital., 1964);
H. Buchner: Eros u. Sein (1965);
N. Hartmann: Zur Grundlegung der O. (41965);
J. König: Sein u. Denken (21969);
B. von Brandenstein: Logik u. O. (1976);
R. W. Trapp: Analyt. O. (1976);
Max Müller: Sein u. Geist (21981);
G. Keil: Grundr. der O. (21984);
W. Künne: Abstrakte Gegenstände (Neuausg. 1987);
J. Koch: Abschied von der Realität (1988);
J. B. Lotz: Die Grundbestimmungen des Seins - vollzogen als transzendentale Erfahrung (Innsbruck 1988);
H. Rombach: Struktur-O. (21988).
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Universal-Lexikon. 2012.