Akademik

Warschauer Pakt
Warschauer Vertragsorganisation; Warschauer Vertrag

* * *

I
Wạrschauer Pạkt,
 
Abkürzung WP, Wạrschauer Vertrags|organisation, Abkürzung WVO, 1955-91 bestehendes Militärbündnis kommunistischer Staaten Europas unter Führung der Sowjetunion; war neben dem Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe die wichtigste multilaterale Organisation dieser Staaten. Gegründet wurde der Warschauer Pakt am 14. 5. 1955 in Warschau mit dem von Albanien, Bulgarien, der DDR, Polen, Rumänien, der Sowjetunion, der Tschechoslowakei und Ungarn unterzeichneten »Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand« (Warschauer Vertrag). Der Vertrag, in Kraft getreten am 4. 6. 1955 mit einer Laufzeit von 20 Jahren (Verlängerung um weitere 10 Jahre bei Nichtkündigung) und 1985 verlängert, verpflichtete zu Konsultationen in allen wichtigen Fragen der internationalen Politik, v. a. bei Gefahr für die Sicherheit eines der Vertragspartner (Art. 3), zu gegenseitigem militärischem Beistand bei einem bewaffneten Überfall in Europa auf einen oder mehrere Teilnehmerstaaten (Art. 4) sowie zur Unterstellung der Streitkräfte unter ein Vereintes Kommando (Art. 5).
 
Politische Organisation:
 
Als politisches Führungsorgan des Warschauer Pakts fungierte der »Politisch Beratende Ausschuss«, in dem jeder Teilnehmerstaat vertreten war (Art. 6). 1976 wurden zwei Hilfsorgane mit Sitz in Moskau gebildet: das »Vereinigte Sekretariat« und das »Komitee der Außenminister«, das die Ausarbeitung von Empfehlungen in außenpolitischen Fragen verantwortete.
 
Militärische Organisation:
 
Das militärische Führungsorgan des Warschauer Pakts bildete das »Vereinte Kommando der Streitkräfte« mit Sitz in Moskau. 1969 wurden zwei weitere Institutionen geschaffen, der »Militärrat der Vereinten Streitkräfte« und das »Komitee der Verteidigungsminister«; der Oberbefehlshaber des Vereinten Kommandos war stets ein sowjetischer General (1955-60 I. S. Konjew, 1960-67 A. A. Gretschko, 1967-76 I. I. Jakubowskij, 1977-89 W. G. Kulikow, 1989-91 P. G. Ljuschew), dem neben seinen Stellvertretern ein aus Vertretern der einzelnen nationalen Generalstäbe gebildeter »Stab der Vereinten Streitkräfte« zur Seite stand.
 
Die Militärstrategie von Warschauer Pakt und UdSSR waren infolge der sowjetischen Dominanz fast deckungsgleich. Der Krieg als solcher wurde - vorausgesetzt, er erfüllte von Wesen und Zielsetzung her die Forderungen des internationalen Klassenkampfes - als legitimes Mittel der Politik betrachtet, auch unter Einbeziehung von Massenvernichtungswaffen. Trotz friedlicher Koexistenz mit dem Westen ließ die sowjetische Führung nie einen Zweifel daran, den Ost-West-Konflikt notfalls militärisch auszukämpfen. Nach eventuellem Ausbruch eines Krieges war es nach sowjetischer Auffassung (beeinflusst auch durch die historischen Erfahrungen) in jedem Fall erforderlich, zum Schutz des eigenen Territoriums die Kampfhandlungen auf gegnerischem Gebiet zu führen. Hierzu musste bereits im Frieden die Überlegenheit der eigenen Kräfte sichergestellt und deren Kriegführungsfähigkeit gewährleistet werden. Nach Angriffsbeginn sollten die konventionellen Kräfte rasch die strategischen Räume der Kriegsschauplätze besetzen und damit den schnellen Sieg der Warschauer-Pakt-Streitkräfte herbeiführen. Auch unter nuklearen Einsatzbedingungen sollte ein Krieg führbar und gewinnbar sein. Für den Fall, dass die Verwendung von Kernwaffen »zwingend« geworden wäre, sah die sowjetische Nuklearstrategie die Ausschaltung der gegnerischen nuklearen Einsatzmittel, aber auch das Schlagen von Breschen in die Verteidigung vor.
 
Geschichte:
 
Nach Unterzeichnung der Pariser Verträge und damit der Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die NATO und die Westeuropäische Union (WEU) wollte die Sowjetunion vertraglich gesicherte Rechte zur Stationierung ihrer Truppen in den Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas erhalten und damit ein Gegengewicht zur NATO bilden, die Streitkräfte der europäischen kommunistischen Staaten einheitlich zusammenfassen und diese Staaten möglichst eng an sich binden. Das Warschauer-Pakt-Bündnis wurde durch bilaterale Verträge mit allen Mitgliedsstaaten sowie durch Truppenstationierungsverträge der Sowjetunion mit Polen (1956), der DDR (1957), Rumänien (1957), Ungarn (1957) und der Tschechoslowakei (Oktober 1968) ergänzt. Die Kündigung der Mitgliedschaft durch Ungarn 1956 (im Verlauf des ungarischen Volksaufstandes) wurde durch die bewaffnete Intervention von sowjetischen Truppen unwirksam gemacht. Faktisch schon mit dem Ausbrechen des sowjetisch-chinesischen Konflikts 1961, offiziell 1968 nach dem Einmarsch von Warschauer-Pakt-Truppen in die Tschechoslowakei, trat Albanien aus dem Bündnis aus; die DDR trat am 24. 9. 1990 aus. Nach den politischen Umwälzungen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa 1989/90 sollten zunächst Charakter und Funktion des Warschauer Pakts geändert werden; am 25. 2. 1991 beschlossen die Mitgliedsstaaten jedoch, die Militärstruktur und damit die gegenseitige militärische Beistandsverpflichtung zum 1. 4. 1991 aufzulösen. Am 1. 7. 1991 wurde in Prag ein Abschlussprotokoll über die endgültige Auflösung des Warschauer Pakts, d. h. auch der politischen Organisation, unterzeichnet.
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
 
Deutschland: Teilung Berlins und Deutschlands bis 1955
 
II
Warschauer Pakt
 
Die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die NATO am 5. Mai 1955 bot der Regierung der UdSSR den Anlass, am 14. Mai in Warschau einen seit November 1954 vorbereiteten multilateralen Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand durch Vertreter von sieben osteuropäischen Ländern unterzeichnen zu lassen. In dem auf zwanzig Jahre abgeschlossenen Warschauer Pakt (WP) verpflichteten sich Albanien (Mitglied bis 1968), Bulgarien, die DDR, Polen, Rumänien, die Tschechoslowakei, Ungarn und die UdSSR zu gegenseitigem Beistand bei einem militärischen Angriff in Europa und sagten sich die friedliche Beilegung internationaler Streitfragen, gegenseitige Konsultationen sowie Nichteinmischung in innere Angelegenheiten eines Mitgliedstaates zu. Die Beteiligung an anderen Bündnissystemen wurde verboten; Bestimmungen über einen vorzeitigen Austritt fehlten. Der Einsatz von gemeinsamen WP-Verbänden auf dem Boden eines Signatarstaates war nicht von vornherein ausgeschlossen.
 
Dem von den Partei- und Regierungschefs sowie den Außen- und Verteidigungsministern gebildeten Beratenden Politischen Ausschuss kam vor der Reform der Paktstruktur 1969 nur geringe Bedeutung zu. Ein Militärrat überwachte die Koordination, Planung, Ausbildung und Waffenstandardisierung. Das Vereinigte Kommando der Streitkräfte der Signatarmächte (ab 1969: Gemeinsames Oberkommando) mit Sitz in Moskau stand unter sowjetischem Oberbefehl. Durch vage Formulierung waren die anderen Vertragspartner gehalten, ihre nationalen Streitkräfte dem Vereinigten Kommando zu unterstellen, ohne aber selbst Einfluss auf die sowjetische Militärdoktrin und Rüstung nehmen zu können.
 
Da alle Mitglieder zudem durch zweiseitige Beistandsverträge miteinander verbündet und sowjetische Einheiten in der DDR, Polen, Rumänien und Ungarn stationiert waren, diente der Warschauer Pakt dem Kreml anfangs als Instrument der politischen Kontrolle und Disziplinierung. Erst in den Sechzigerjahren kam es zu einer Intensivierung der militärischen Zusammenarbeit und zu gemeinsamen Manövern. Der Kreml drohte mehrfach Mitgliedern mit Truppenintervention und beendete dementsprechend gewaltsam den Prager Frühling.
 
Mit den Entspannungsbemühungen in Europa, mit den Bestrebungen der Mitgliedstaaten nach mehr Eigenständigkeit und der Möglichkeit, in außereuropäische Konflikte der UdSSR (China 1969, Afghanistan 1979) verwickelt zu werden, wuchs der Widerstand gegen die sowjetische Militärdominanz. Der Demokratisierungskurs seit 1985 verstärkte sowohl in den Mitgliedstaaten des Warschauer Paktes als auch in der UdSSR die Vorbehalte gegen die überholte Paktstruktur. Den 1990 geschlossenen bilateralen Abkommen über den Abzug der Sowjetarmee aus Osteuropa folgte die Vereinbarung über seine Auflösung zum 1. Juli 1991.

Universal-Lexikon. 2012.