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Bio|di|ver|si|tät 〈[-vɛr-] f. 20; unz.; Biol.〉
1. biologische Vielfalt der Arten innerhalb eines geografischen Raumes
2. genetische Variation innerhalb einer Art
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Bio|di|ver|si|tät [auch: 'bi:o…], die <Pl. selten> (Fachspr.):
biologische Vielfalt.
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Biodiversität,
biologische Vielfalt,
ist die Summe der gesamten biologischen Variabilität von den Genen über die Arten bis hin zu den Ökosystemen.
Der Erhalt der globalen Biodiversität ist heute eine der zentralsten und wichtigsten Aufgaben der Menschheit, um die nachhaltige Nutzbarkeit der Naturgüter und damit ihr eigenes Überleben zu sichern. Breite politische Aufmerksamkeit erfahren die Bemühungen um den Erhalt der Biodiversität seit der Verabschiedung der Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt auf der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro. Wohl wichtigstes europäisches Instrument ist das Programm »Natura 2000« der EU, dessen Kernstück die Umsetzung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) ist. Hier soll u. a. durch ein europaweites, kohärentes und repräsentatives Netz von Schutzgebieten der Erhalt der Biodiversität gesichert werden.
Bei der Bewertung der biologischen Vielfalt besteht heute grundsätzlich Einigkeit darüber, dass im Durchschnitt höhere Mannigfaltigkeit beispielsweise auch höhere Produktivität (und damit steigende Nutzbarkeit unter Wahrung der Nachhaltigkeit) sowie höhere Stabilität (und damit geringere Störungsempfindlichkeit infolge der Nutzung) bedeutet. Die Forderung, die Biodiversität zu erhalten, ist damit nicht nur ethisch begründet oder Selbstzweck sondern dient v. a. dem Erhalt natürlicher, erneuerbarer Ressourcen (Nahrung, Brennstoffe, Medikamente usw.).
Die gegenwärtige Situation ist allerdings noch immer von einem drastischen Verlust an Biodiversität gekennzeichnet. Insbesondere die rapiden, vom Menschen verursachten Umweltveränderungen führen zu einer Verminderung der genetischen Vielfalt innerhalb der Arten, zum Aussterben von Arten und zum Verschwinden von Ökosystemen. Gerade unter den Bedingungen einer sich heute dramatisch schnell verändernden Umwelt benötigen Arten ihre gesamte im Laufe der Evolution entstandene genetische Vielfalt, um sich den veränderten Bedingungen anpassen zu können. Genetische Verarmung (über das Aussterben ganzer Populationen, Isolation und Verminderung der Individuenzahlen) führt zu so genannten »genetischen Flaschenhälsen«. Auch wenn anschließend, beispielsweise durch Schutzmaßnahmen, die ursprüngliche Individuenzahl wieder erreicht wird, bleibt die genetische Verarmung und damit die verminderte Anpassungsfähigkeit, häufig auch eine geringere Vitalität, noch für lange Zeit erhalten, das Aussterberisiko für Arten erhöht sich. Ein Beispiel um das Ausmaß genetischer Verluste zu verdeutlichen: Schätzungen zufolge geht man davon aus, dass jährlich allein durch den Verlust tropischer Wälder 16 Millionen Populationen von Tieren und Pflanzen aussterben, etwa alle 2 Sekunden eine. Zwar sind damit zumeist die Arten selbst noch nicht ausgestorben, ihre genetische Vielfalt wird jedoch mit jeder erloschenen Population weiter eingeschränkt.
Ein ganz besonders brisantes Thema sind in diesem Zusammenhang die prognostizierten Klimaänderungen. Eine globale Erwärmung könnte demnach (für evolutive Vorgänge) sehr kurzfristig zur Verschiebung von Vegetationszonen um mehrere hundert Kilometer führen. Längst nicht alle Arten wären in der Lage diesem Prozess zu folgen, gravierende und möglicherweise katastrophale Umstrukturierungen von Ökosystemen und ein zumindest erheblicher Verlust der Leistungsfähigkeit und Nutzbarkeit wären die Folge. Genetische Verarmung und die damit verminderte Anpassungsfähigkeit würden zu einer Beschleunigung des dadurch verursachten Aussterbeprozesses führen.
Schon heute hat das Aussterben von ganzen Arten ein gewaltiges Ausmaß angenommen. Aussterbeprozesse sind dabei in der Natur grundsätzlich normal. Man nimmt an, dass der globale Verlust von drei Arten pro Jahr durch natürliche Evolutionsprozesse kompensiert würde. Modellrechnungen gehen jedoch davon aus, dass jährlich ungefähr 27 000 Arten Arten aussterben, etwa alle 20 Minuten eine. Der überwiegende Teil, ohne jemals bekannt und untersucht worden zu sein - ein überhaupt nicht abschätzbarer Verlust an Biodiversität und damit auch an genetische Ressourcen. Dieser Artenverlust hat u.a. auch Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und Ernährung. So enthalten z.B. die Organismen der Regenwälder ein noch unerforschtes Potenzial neuer Arzneistoffe. Eine bekannte, bereits genutzte Regenwaldpflanze ist das Madagaskar-Immergrün (Catharanthus roseus), aus der ein Medikament zur Krebsbehandlung entwickelt wurde. Wildpflanzen bieten genetische Ressourcen für Nutzpflanzen, da sie häufig Gene enthalten, die die Pflanze widerstandsfähiger gegen schädliche Viren, Pilze und Insekten machen. Diese, die gewünschte Resistenz enthaltenen Gene, können z.B. durch Kreuzung an Nahrungspflanzen weitergegeben werden, um deren Erträge zu steigern.
Ähnliche Ausmaße wie der Verlust an genetischer und Artenvielfalt hat heute der Verlust an Lebensräumen beziehungsweise Ökosystemen erreicht und gerade hierbei sind Gebiete von Landnutzungsänderung beziehungsweise -intensivierung betroffen, die als so genannte »hotspots« gelten, also ein besonders hohes Maß an Biodiversität beherbergen. Diese »hotspots« (überwiegend in Mittel- und Südamerika, West- und Südafrika, Südostasien und Australien/Neuseeland gelegen) nahmen ursprünglich etwa 12 % der Landoberfläche ein. Inzwischen haben sie bereits 88 % ihrer natürlichen Vegetation, besonders durch Brandrodung und Holzeinschlag verloren. Damit sind heute über 40 % aller Gefäßpflanzen und mehr als ein Drittel aller Landwirbeltiere auf circa 1,4 % der Landoberfläche der Erde beschränkt. Ähnlich kritisch zeichnet sich die Situation im marinen Bereich ab, wo in den letzten Jahren flächiges Absterben von Korallenriffen als einem der artenreichsten Ökosysteme der Erde infolge kurzzeitiger Überwärmung der Ozeane in verschiedenen Gebieten (Seychellen, Malediven, Belize) beobachtet werden musste.
E. O. Wilson: Der Wert der Vielfalt. Die Bedrohung des Artenreichtums und das Überleben der Menschheit (a. d. Amerikan., 31997);
E. O. Wilson: Des Lebens ganze Fülle (a. d. Amerikan., 1999).
Universal-Lexikon. 2012.