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Katharer
Ka|tha|rer 〈m. 3; 10.-14. Jh.〉 Angehöriger einer den Manichäern nahestehenden asket. Sekte in Süd- u. Westeuropa bis zum Balkan; Sy Albigenser [zu grch. katharos „rein“]

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Ka|tha|rer [auch: 'ka(:)tarɐ ], der; -s, - [mlat. cathari (Pl.), eigtl. = die Reinen, zu: catharus < griech. katharós = rein]:
Angehöriger einer streng asketischen Sekte des Mittelalters.

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Kạtharer
 
[griechisch »die Reinen«], eine der größten religiösen Bewegungen des Mittelalters. Die Herkunft des im 12. Jahrhundert belegten Namens ist unklar. Die Katharer selbst nannten sich »veri christiani« oder »boni christiani« (wahre oder gute Christen) oder »boni homines« (gute Menschen). Zeitgenössische Bezeichnungen waren auch Manichäer, Patarener (in Italien) und Albigenser (in Frankreich).
 
Erstmals im Rheinland nachweisbar (Köln 1143), breiteten sich die Katharer im 12. und 13. Jahrhundert in Mittel-, West- und Südeuropa aus, wobei Südfrankreich und Oberitalien ihre Zentren wurden. Motive ihrer Entstehung waren die Kritik an der Verweltlichung des Klerus und an den Mängeln der Seelsorge und Theologie sowie der Ruf nach einer »armen« Kirche und das Streben nach einem apostolischen Leben. Als kirchenkritische Bewegung lehnten sie Ehe, Eid, Bilder-, Heiligen- und Reliquienverehrung und den Kriegsdienst ab. Theologisch ist die Lehre der Katharer, die v. a. durch Wanderprediger vermittelt wurde, von den Bogomilen und von auf die Paulikianer zurückgehenden manichäischen Gedanken beeinflusst; Einflüsse, die vermutlich von abendländischen Kaufleuten oder Kreuzfahrern in den Westen gebracht worden waren. Als Heilige Schrift galten den Katharern lediglich das Neue Testament (v. a. Johannesevangelium und Apokalypse) sowie die Psalmen und einige der Propheten des Alten Testaments. Grundlegend für die katharische Lehre war der Dualismus von zwei einander entgegengesetzten, fast gleich starken Prinzipien, einem guten (Gott) und einem bösen (Satan), wobei v. a. die Katharer in Süd- und Südwestfrankreich und Oberitalien, deren Gemeinschaften am längsten bestanden, sich die bogomilische und manichäische Auffassung zu Eigen machten, der Schöpfer der Körperwelt sei nicht Gott, sondern der Satan. Infolgedessen verachteten sie alles Leibliche. Jesus Christus war nach ihrer Vorstellung kein wirklicher Mensch gewesen (seine körperliche Existenz war nur vorgespiegelt, er war also auch nur scheinbar gestorben), sondern ein den Menschen als Führer zur Erkenntnis des Guten aus dem Himmel gesandter Engel.
 
Innerhalb der Katharer gab es die Unterscheidung in »Credentes« (Gläubige) und »Perfecti« (Vollkommene). Letztere galten als Geistträger und nur sie bildeten die »wahre Kirche«, die »Gemeinschaft der Heiligen«. Zentraler Ritus der Katharer war das »Consolamentum« (Tröstung), eine »Geisttaufe« als eine Kombination aus Taufe, Ordination, Beichte, Buße und Absolution, bei der der künftige »Perfectus« sich zu einem asketischen Leben (Verzicht auf Fleisch und Völlerei), insbesondere zu sexueller Enthaltsamkeit verpflichtete. Auch Frauen konnten zu »Perfectae« ordiniert werden, die jedoch in den kirchlichen Funktionen den Männern nicht gleichgestellt waren. - Organisatorisch waren die Katharer in sechs Diözesen aufgeteilt, die von Bischöfen, gewählt aus den »Perfecti«, geleitet wurden. Die höchste Lehrinstanz war das Konzil der »Perfecti«.
 
Zu den Anhängern der Katharer zählte fast der ganze Adel Okzitaniens. Als die Grafen von Toulouse und von Foix Partei gegen die römische Kirche und den König von Frankreich ergriffen, kam es im Zuge der Albigenserkriege zu einem Blutbad in Béziers (1209). Nach der letzten bewaffneten Verteidigung der Lehre, die mit der Kapitulation der Burg Montségur 1244 endete, flüchteten viele französische Katharer vor der Inquisition in die Lombardei. Um 1300 erlebten die Katharer in Südfrankreich einen letzten Aufschwung. Gründe für den Rückgang der Bewegung waren nicht nur die Verfolgung durch die Inquisition, sondern auch die Ausbreitung der Bettelorden, v. a. der Franziskaner.
 
Literatur:
 
H. Grundmann: Religiöse Bewegungen im MA. (1935, Nachdr. 1977);
 H. Grundmann: Ketzergesch. des MA. (31978);
 E. LeRoy Ladurie: Montaillou. Ein Dorf vor dem Inquisitor 1294-1324 (a. d. Frz., 1980);
 L. Baier: Die große Ketzerei. Verfolgung u. Ausrottung der K. durch Kirche u. Wiss. (1984);
 M. D. Lambert: Ketzerei im MA. Eine Gesch. von Gewalt u. Scheitern (a. d. Engl., Neuausg. 1991);
 A. Borst: Die K. (Neuausg. 21992);
 D. Roché: Die K.-Bewegung. Ursprung u. Wesen (a. d. Frz., 1992);
 U. Bejick: Die Katharerinnen. Häresieverdächtige Frauen im mittelalterl. Süd-Frankreich (1993);
 H.-G. Deggau: Befreite Seelen. Die K. in Südfrankreich (1995);
 M. D. Lambert: Gesch. der K. Aufstieg u. Fall der großen Ketzerbewegung (a. d. Engl., 2001).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Ketzer im Mittelalter: Der eine Glaube?
 

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Ka|tha|rer [auch: 'katarɐ], der; -s, - [mlat. cathari (Pl.), eigtl. = die Reinen, zu: catharus < griech. katharós = rein] <meist Pl.>: Angehöriger einer streng asketischen Sekte des Mittelalters.

Universal-Lexikon. 2012.