Gassendi
[gasɛ̃'di], Pierre, eigentlich P. Gassend [ga'sã], französischer Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler, * Champtercier (bei Digne) 22. 1. 1592, ✝ Paris 24. 10. 1655; nach Priesterweihe Professor der Philosophie in Aix-en-Provence (1617-23) und Professor der Mathematik am »Collège Royal« in Paris (1645-48). Im Sinne seiner Zeit wandte er sich gegen den Aristotelismus der Scholastik, beschäftigte sich mit den Schriften des Lukrez, des Sextus Empiricus und insbesondere des Epikur. In der Philosophie versuchte Gassendi, den antiken Atomismus, die neuzeitliche mechanistische Physik und den christlichen Glauben miteinander in Einklang zu bringen. Erkenntnistheoretisch vertrat er eine dem modernen Empirismus nahe kommende skeptische Position. Danach können die Dinge nur so erfasst werden, wie sie die Sinne zeigen (Sensualismus); über ihre Natur lässt sich daraus nur hypothetisch urteilen. Bekannt geworden sind seine Einwände gegen R. Descartes (1644), die in dessen »Meditationen« abgedruckt sind. Gassendis naturwissenschaftliche Leistungen reichen von der Astronomie (Beobachtung eines Merkurdurchganges) über die Mechanik (Formulierung eines Trägheitsprinzips; Bestimmung der Schallgeschwindigkeit zusammen mit M. Mersenne) bis zur Hydrostatik (Bestätigung der Existenz des Vakuums durch das Barometer). In seinem metaphysischen Hauptwerk »Syntagma philosophicum« (1658, postum) entwickelte er eine Theorie vom Aufbau der Materie aus Atomen, denen er »Schwere«, d. h. einen inneren Bewegungsantrieb, zuschrieb. Gassendi hat damit zur Wiederbelebung der atomistischen Lehren wesentlich beigetragen.
P. Pendzig: Die Ethik G.s u. ihre Quellen (1910, Nachdr. 1969);
P. Humbert: L'œuvre astronomique de G. (Paris 1936);
E. J. Dijksterhuis: Die Mechanisierung des Weltbildes (a. d. Niederländ., 1956);
R. Tack: Unters. zum Philosophie- u. Wiss.-Begriff bei P. G. (1974);
W. Detel: Scientia rerum natura occultarum. Methodolog. Studien zur Physik P. G.s (1978);
H. Jones: P. G. An intellectual biography (Nieuwkoop 1981).
Universal-Lexikon. 2012.