Stọrm,
Hans Theodor Woldsen, Schriftsteller, * Husum 14. 9. 1817, ✝ Hademarschen (heute zu Hanerau-Hademarschen, Kreis Rendsburg-Eckernförde) 4. 7. 1888; Sohn eines Advokaten; studierte Jura in Kiel und Berlin, schloss Freundschaft mit den Brüdern Theodor und Tycho Mommsen (* 1819, ✝ 1900), mit denen er 1843 den Gedichtband »Liederbuch dreier Freunde« herausgab; 1843 Advokat in Husum, verlor er sein Amt nach der Einverleibung Schleswigs in Dänemark; 1846 Ȋ mit Konstanze Esmarch (* 1825, ✝ 1866); ab 1852 war Storm an Gerichten in Potsdam und Heiligenstadt (1856-64) tätig; in Berlin war er Mitglied des Dichterkreises »Tunnel über der Spree«, zu T. Fontane und P. Heyse bestanden freundschaftliche Beziehungen. 1864 ging er in das preußisch gewordene Schleswig-Holstein zurück und wurde Landvogt. 1866 Ȋ mit Dorothea Jensen (* 1828, ✝ 1903); ab 1874 war Storm Oberamtsrichter in Husum, nach seiner Pensionierung übersiedelte er 1880 nach Hademarschen. - Storms Lyrik, die den Vorbildern E. Mörike, J. von Eichendorff und H. Heine folgt, ist geprägt vom Erlebnis der norddeutschen Landschaft, Unmittelbarkeit des Gefühls, Schlichtheit und großer Musikalität der Sprache: Gedichte wie »Abseits« und »Die Stadt« gehören zu den schönsten deutscher Sprache. Seit etwa 1850 wandte sich Storm verstärkt der Novelle zu (berühmt wurde er mit »Immensee«, 1849), die er als strengste Prosaform und »Schwester des Dramas« ansah; über theoretische Fragen dieser Gattung führte er eine rege Korrespondenz mit Mörike, G. Keller, Fontane und I. S. Turgenjew. Ein zentrales Motiv der 58 Novellen Storms ist die Auseinandersetzung des Einzelnen mit scheinbar unüberwindlichen zwischenmenschlichen Konflikten, dämonischen Kräften, dem Schicksal und der Vergänglichkeit, wobei die Erinnerung und das Erzählen als Mittel fungieren, um die Flüchtigkeit der Zeit zu bewältigen. Höhepunkt der Erzählkunst Storms sind die chronikartigen Novellen, die außergewöhnliche, tragische Charaktere und Schicksale der Vergangenheit über eine kunstvolle Rahmentechnik in die Gegenwart holen (»Aquis submersus«, 1876; »Der Schimmelreiter«, 1888). Neben realistischen Handlungssträngen stehen dämonische und unheimliche Elemente, auch märchenhafte wie in »Der kleine Häwelmann« (1849) und »Die Regentrude« (1864). Storm, einer der bedeutendsten und bis in die Gegenwart populärsten Erzähler der deutschen Literatur, wirkte u. a. auf R. M. Rilke und T. Mann. - Theodor-Storm-Museen bestehen in Husum und Heiligenstadt.
Weitere Werke: Lyrik: Gedichte (1852).
Novellen: Angelika (1855); Pole Poppenspäler (1874); Viola tricolor (1874); Carsten Curator (1878); Die Söhne des Senators (1880); Der Herr Etatsrath (1881); Hans und Heinz Kirch (1882).
Ausgaben: Sämmtliche Schriften. Erste Gesamtausgabe, 19 Bände (1868-89, ab Band 7 unter dem Titel Gesammelte Schriften); Werke. Mit einem Essay von Thomas Mann, herausgegeben von G. Honnefelder, 2 Bände (31980); Gesammelte Werke in 6 Bänden, herausgegeben von demselben (3-81988-90); Gesammelte Werke, herausgegeben von H. A. Neunzig, 6 Bände (1981); Sämtliche Werke, 2 Bände (71982); Sämtliche Werke, herausgegeben von P. Goldammer, 4 Bände (51982); Sämtliche Werke, herausgegeben von K. E. Laage u. a., 4 Bände (1987-88).
Schrr. der T.-S.-Gesellschaft (1952 ff.);
F. Stuckert: T. S. Der Dichter in seinem Werk (31966);
H.-E. Teitge: T. S. Bibliogr. (Berlin-Ost 1967);
H. Vinçon: T. S. (1973);
H. Vinçon: T. S. (57.-59. Tsd. 1994);
Harro Müller: T. S.s Lyrik (1975);
M. T. Peischl: Das Dämon. im Werk T. S.s (1983);
W. Freund: T. S. (1987);
T. S.s Welt in Bildern. Eine Bildbiogr., hg. v. K. E. Laage (1987);
K. E. Laage: T. S. Studien zu seinem Leben u. Werk mit einem Hss.-Kat. (21988);
K. E. Laage: T. S. Leben u. Werk (61993);
E. Pastor: Die Sprache der Erinnerung. Zu den Novellen von T. S. (1988);
T. S. Studien zur Kunst- u. Künstlerproblematik, hg. v. W. Zimorski (1988);
T. S. u. das 19. Jh., hg. v. B. Coghlan u. a. (1989);
G. Bollenbeck: T. S. (Neuausg. 1991);
R. Paulin: T. S. (1992);
R. Fasold: T. S. (1997).
Universal-Lexikon. 2012.