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Weltchronik
Weltchronik
 
[-k-], Gattung der mittelalterlichen Geschichtsschreibung beziehungsweise Geschichtsdichtung. Im Anschluss an P. Orosius (auf Hieronymus fußend, Gliederung der Weltgeschichte in eine Abfolge von vier »Epochen«, bis 417) und Augustinus (Gliederung in sechs Weltalter, »Aetates«, von denen das letzte mit der Geburt Christi beginnt und mit der Herrschaft des Antichrist endet) fassen Weltchroniken das gesamte Weltgeschehen zusammen. Sie berücksichtigen dabei die Profangeschichte und die christliche Heilsgeschichte, die im Mittelalter weithin verschmelzen, handeln von der Schöpfung bis zum Jüngsten Tag und bieten kompendienartig das historische Wissen ihrer Zeit: Die frühmittelalterliche Weltchronik des Isidor von Sevilla (bis 625), des Beda Venerabilis, aus der karolingischen Zeit die Weltchronik des Frechulf (bis zu Gregor I., dem Großen) und des Regino von Prüm (bis 906), wobei der Zerfall des Fränkischen Reiches zugleich das vorläufige Ende der Weltchronistik markiert.
 
Erst in der Mitte des 11. Jahrhunderts nimmt diese Form der Geschichtsschreibung einen neuen Aufschwung, v. a. in der Weltchronik des Frutolf vom Michelsberg. Im 12. Jahrhundert erreichte die Gattung einen Höhepunkt durch die Weltchronik Ottos von Freising, die von tiefem Pessimismus erfüllt ist und durch ihren philosophischen Ansatz und Gedankenreichtum herausragt. Spätere Weltchroniken vermochten dieses Werk nur noch an Stofffülle zu übertreffen, so die Enzyklopädie des Vinzenz von Beauvais und die volkstümlichen »Martinschroniken« im Gefolge der weit verbreiteten Chronik des Martin von Troppau. Eine spätere Weltchronik stammt von H. Schedel, die 1493 lateinische und in deutscher Übersetzung in Nürnberg erschien.
 
Auch in der Volkssprache wurden ab dem 13. Jahrhundert Weltchroniken verfasst. Die meist sehr umfangreichen Werke, die Geschichten, Sagen, Legenden, Anekdoten u. a. enthalten, waren im Mittelalter als Unterhaltungsstoff weit verbreitet. Bedeutsam unter den deutschen, auf lateinisch beruhenden Weltchroniken sind die Sächsische Weltchronik in niederdeutscher Prosa (um 1225), die Weltchronik des Rudolf von Ems (1250/54) sowie die um 1280 entstandene Weltchronik des J. Jansen Enikel.
 
Die muslimische Welt kennt ähnliche Weltchroniken, die fast stets auf den islamischen Religionskreis beschränkt sind, so wie die deutschen und lateinischen Weltchroniken nur die christliche und die als deren Vorläufer verstandene alttestamentliche und römische Geschichte berücksichtigen.

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Wẹlt|chro|nik, die: mittelalterliche Darstellung der Weltgeschichte anhand literarischer Vorlagen: auf einen ersten universalgeschichtlichen Überblick zielen -en und Historienbücher ab (Bild. Kunst III, 65).

Universal-Lexikon. 2012.