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Bürokratie
Administration; Verwaltung; Obrigkeit; öffentliche Hand

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Bü|ro|kra|tie 〈f. 19
1. Beamtenherrschaft
2. der gesamte, aus den Beamten bestehende Verwaltungsstab
3. 〈fig.〉 engstirnige, schwerfällige Beamtenwirtschaft

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Bü|ro|kra|tie, die; -, -n [frz. bureaucratie, zu: bureau (Büro) u. griech. krateĩn = herrschen]:
1. <Pl. selten>
a) Beamten-, Verwaltungsapparat:
die B. bläht sich immer mehr auf;
b) Gesamtheit der in der Verwaltung Beschäftigten.
2. <o. Pl.> (abwertend) bürokratische Denk- u. Handlungsweise:
etw. ohne viel B. regeln.

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Bürokratie
 
[zu französisch bureau, Büro, und griechisch krateĩn »herrschen«] die, -/...'ti|en, spezielle Form sozialer Organisation mit einer Zuordnung von Personen und Positionen in einem hierarch. System der Über- und Unterordnung (z. B. Ämtern, Unternehmen, Verbänden); sie kann sowohl eine Herrschaftsform als auch ein Herrschaftsmittel darstellen. Daneben meint der Begriff auch die Träger der Bürokratie, die Schicht der Bürokraten in einem bestimmten Bereich, besonders die Leitungspersonen. Bürokratisierung bezieht sich auf den Prozess der Ausdehnung der Bürokratie. Bürokratismus kennzeichnet übersteigerte Formen der Bürokratisierung.
 
 Begriffliches
 
Das von dem französischen Physiokraten Vincent de Gournay (* 1712, ✝ 1759) geprägte, in die meisten Sprachen eingegangene Wort »Bürokratie« bezeichnete die im Absolutismus entwickelte Herrschaft durch hauptberufliche Beamte. Auch in der grundlegenden Theorie M. Webers wird Bürokratie mit Herrschaft verbunden. Weber beschrieb Bürokratie als zentrales Phänomen moderner Gesellschaften und Staaten idealtypisch am Beispiel der preußischen Verwaltung. Von anderen Formen (»charismatische«, »traditionale« Herrschaft) unterscheidet sich die »legale« Herrschaft mit bürokratischem Verwaltungsstab u. a. dadurch, dass sie auf einer gesatzten Ordnung beruht und die Beamten als Hauptträger des bürokratischen Apparates nur nach sachlichen Amtspflichten handeln, in hierarch. Beziehungen der Über- beziehungsweise Unterordnung stehen, abgegrenzte Kompetenzen besitzen, eine Laufbahnbeförderung erhalten, v. a. nach Amtsalter und Laufbahngruppen, von den sachlichen Verwaltungsmitteln getrennt sind, d. h. diese nicht besitzen, und einer einheitlichen Amtsdisziplin und Kontrolle unterliegen. Sachliche Rationalität, d. h. die unpersönliche Ordnung aufgrund von Normen und Regeln, und die Abwägung von Zwecken und Mitteln sind das Kennzeichen der Bürokratie und der Disziplin des Verwaltungshandelns. Dieser Sachlichkeit und Rationalität entspricht das Prinzip der schriftlichen Fixierung und Dokumentierung der Verwaltungstätigkeit; die »Aktenmäßigkeit« ist auch die Voraussetzung zur Kontrolle der Bürokratie durch diejenigen Personen und Institutionen, die sich ihrer als Herrschaftsmittel bedienen. Die Vorteile der Bürokratie liegen in ihrer technischen Leistungsfähigkeit, d. h. ihrer Berechenbarkeit, Stetigkeit und Verlässlichkeit. Grundlage dieser technischen Leistungsfähigkeit ist das in der Bürokratie konzentrierte Fachwissen; bürokratische Verwaltung ist Herrschaft aufgrund von Fachwissen.
 
In modernen Gesellschaften sind alle größeren sozialen Organisationen wie staatliche und kommunale Verwaltungen, öffentliche und private Unternehmen, Verbände, Parteien, Gewerkschaften, Kirchen mehr oder weniger bürokratisch aufgebaut.
 
 Typologie
 
Man hat versucht, staatliche Bürokratien historisch und im Zusammenhang mit dem politisch-ökonomischen System, in das sie eingebunden sind, zu klassifizieren. Historische Bürokratietypen sind die Wächterbürokratie, die sich als staatstragend und -repräsentierend versteht, die Kastenbürokratie, die sich aus einer gesellschaftlichen Klasse beziehungsweise Kaste von Oberbeamten herausgebildet hat, und die Patronagebürokratie, bei der die Besetzung von Ämtern nach der politischen Gesinnung erfolgt. Diesem Typ steht die Leistungsbürokratie gegenüber, bei der die Beamten nach objektiven Regeln und formalen Qualifikationen ausgewählt werden. Die öffentliche Verwaltung in Deutschland entspricht am ehesten dem Typ der repräsentativen Bürokratie. Sie ist aber auch Leistungsbürokratie in der Demokratie, und sie enthält Elemente der regierenden Bürokratie, weil die Ministerialbürokratie eine relativ starke Position gegenüber Regierung und Parlament hat, sowie der Patronagebürokratie, weil u. a. die Zugehörigkeit zu bestimmten Parteien und Verbänden bei der Besetzung von Ämtern eine Rolle spielen kann.
 
Bezüglich der Funktionen der Bürokratie wird zwischen den Modellen der dienstleistungsorientierten und der instrumentalisierten Bürokratie unterschieden. Das Modell der dienstleistungsorientierten Bürokratie stellt die ordnende Verwaltung, die Erstellung von Dienstleistungen, die Erhaltung der Grundordnung, die Wahrung der Rechte der Bürger und die Anpassung an sich ändernde ökonomische, soziale, technologische und internationale Rahmenbedingungen in den Vordergrund, und zwar ohne Bevorzugung einzelner Gruppen, Schichten oder Klassen. Der Beamte ist in diesem Modell ein »Diener des Volkes« und in seinem Handeln der Verfassung verpflichtet und nicht einem Herrscher oder einer sonstigen Instanz. Der Herrschaftsaspekt der Bürokratie tritt dabei gegenüber dem Verwaltungs- und Leistungsaspekt in den Hintergrund. Im Gegensatz dazu ist die instrumentalisierte Bürokratie in den Dienst eines Herrschers beziehungsweise einer Gruppe, Schicht oder Klasse gestellt und primär auf die Ausweitung und Sicherung der bestehenden Machtverhältnisse ausgerichtet. Damit steht der Herrschaftsaspekt im Vordergrund, wobei die Handlungsziele der Bürokratie durch eine nicht bürokratische Spitze, die sich der Bürokratie als Instrument bedient, bestimmt werden. Ein Beispiel dafür ist die Bürokratie im nationalsozialistischen Deutschland, die als gleichgeschaltetes Werkzeug im Rahmen einer Ideologie sowohl für die Verwaltung des Bildungssystems als auch für die Errichtung von Konzentrationslagern und die Organisation des Holocaust eingesetzt wurde (Schreibtischtäter). Das zeigt, wie Bürokratien unter bestimmten Bedingungen umgewandelt werden und hinsichtlich ihrer Ziele menschenfeindlich ausgerichtet werden können.
 
In den sozialistischen Ländern verselbstständigte sich die umfassende Staatsbürokratie gegenüber dem Volk. Es bildeten sich parallele Hierarchien in Staat (»Staatsapparat«) und Staatspartei (»Parteiapparat«), die auf allen Ebenen des staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Handelns, bei gleichzeitigem Fehlen öffentlicher Kontrollmechanismen, eine Verknüpfung und Abhängigkeit der Verwaltungen von einer sie steuernden und kontrollierenden Politbürokratie zur Folge hatte. Diese Verknüpfung fand ihren Ausdruck in den politischen Führungspersonen, die nach eigenem Verständnis »Repräsentanten der Partei- und Staatsführung« waren und in der Regel Führungsfunktionen in der Staatspartei und den staatlichen Schlüsselressorts in Personalunion verbanden.
 
 Bürokratisierung
 
Bürokratien tendieren dazu zu expandieren. Die langfristigen Prozesse der Bürokratisierung sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich auf immer mehr Bereiche der individuellen Lebensverhältnisse erstrecken und dass sie mehr und mehr eine weltweite Dimension annehmen. Vor allem in Zusammenhang mit dem Ausbau moderner Wohlfahrtsstaaten wurde Bürokratie zunehmend Verantwortung für die Gestaltung der Lebensverhältnisse übertragen. Mit der Tendenz zur Globalisierung, der zunehmenden Integration in eine sich abzeichnende Weltgesellschaft, entstehen unvermeidlich neue bürokratische Organisationen, wie sie die Europäische Union und die Vereinten Nationen darstellen.
 
Die theoretische Interpretation sieht in der Bürokratisierung einen Prozess der Entzauberung der Welt, der mit zunehmender Rationalisierung und Intellektualisierung einhergeht und von der Berechenbarkeit und Steuerbarkeit der gesellschaftlichen Entwicklung ausgeht. Die Ursachen der Bürokratisierung sind omnipräsent, und keine Gesellschaft kann sich ihnen entziehen.
 
In den Anfängen der Bürokratisierung hat die Geldwirtschaft - nicht zuletzt die Erhebung von Steuern - eine besondere Bedeutung für die Ausbildung von Bürokratie. Zur Expansion der Bürokratie trug dann v. a. die Ausweitung von Staatsaufgaben bei (vom »Nachtwächterstaat« zum »Wohlfahrtsstaat«), die Administration und Regulierung erforderten. Die Umsetzung so zentraler Postulate wie Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit konnte nicht ohne bürokratischen Einrichtungen erfolgen. Auch die Demokratisierung der Gesellschaft ist ohne Verwaltungsvorgänge nicht denkbar.
 
Die hohe Leistungsfähigkeit der Bürokratie, die ihr teilweise zugeschrieben wird, war sicher ein Argument, das ihre Einführung im Anschluss an preußische Vorbilder begünstigt hat. Das »parkinsonsche Gesetz« sieht jedoch die Gründe für die Ausdehnung der Bürokratie in bürokratischen Verhaltensstrategien selbst. Beamte in der Bürokratie streben danach, die Zahl ihrer Untergebenen zu vergrößern, und sie versorgen sich gegenseitig mit Arbeit. In Arbeitsspitzen erfolgt zwar eine Ausdehnung des Personals, aber bei geringerem Arbeitsanfall wird meist kein Personalabbau zugelassen.
 
Die Ausdehnung der Bürokratie wird meist nur illustrativ beschrieben, sie kommt auch in einigen langfristigen Zeitreihen zum Ausdruck, die freilich nur unvollkommene Indikatoren der Bürokratisierung darstellen. So hat sich der Anteil des Staates am volkswirtschaftlichen Gesamtprodukt in modernen Industriegesellschaften vervielfacht (Tabelle 1). Dies trifft sowohl auf die Ausgaben der jeweiligen Zentralregierung als auch der gesamten öffentlichen Ausgaben zu. In Deutschland steigerte sich dieser Ausgabenanteil der staatlichen Instanzen von 13,3 % im Jahr 1872 auf 34,4 % im Jahr 1992. Die Entwicklung verläuft allerdings nicht gleichmäßig, sondern ist gekennzeichnet von Brüchen und Schüben. Dieser Indikator zeigt an, dass der Staat und seine Bürokratie auf die Verteilung und Verwendung von Einkommen mehr und mehr Einfluss gewannen. Dabei handelt es sich schwerpunktmäßig um gesellschaftspolitisch gewollte Umverteilung (»Sozialpolitik«) und auch um die Bereitstellung öffentlicher Infrastruktureinrichtungen.
 
Ein anderer Bürokratieindikator ist die Zahl der Staatsbediensteten; sie stieg in Deutschland von 0,7 Mio. (1882, Reich, Bundesstaaten, Gemeinden, ohne Militär) auf 4,9 Mio. (1994, Bund, Länder, Gemeinden, Bahn und Post: Tabelle 2). Darin kommt eine überproportionale Zunahme zum Ausdruck, und inzwischen ist jeder fünfte Erwerbstätige (20 %) bei einem öffentlichen Arbeitgeber beschäftigt. Einerseits ist dieser Indikator zu weit gefasst, weil der gesamte öffentliche Dienst nicht ohne Weiteres als bürokratischer Tätigkeitsbereich eingestuft werden darf. Andererseits ist dieser Indikator als allgemeiner Bürokratieindikator zu eng, weil in vielen Unternehmen und Verbänden Verwaltungsangestellte beschäftigt sind, deren Zahl ebenfalls zugenommen hat.
 
Als Ausdruck zunehmender Bürokratisierung im Sinne von Verrechtlichung sozialer Beziehungen wird das Anwachsen der Rechtsnormen interpretiert. Das Reichsgesetzblatt des Deutschen Reiches kam im Jahr 1872 kurz nach der Reichsgründung mit 436 Seiten aus. In der Bundesrepublik Deutschland betrug im Jahr 1950 der Umfang des Bundesgesetzblattes 825 Seiten; 1994 hatte es sich auf 7 884 Seiten erweitert. Hier liegt ein Indikator für die zunehmende formelle Regelungsdichte der sozialen Beziehungen vor. Er zeigt allerdings nicht an, inwieweit gegen diese Regelungen verstoßen wird und inwieweit rechtlich-bürokratische Reaktionen notwendig werden.
 
Bürokratisierung ist zweifellos eine universelle Tendenz, die sich säkular weitgehend durchgesetzt hat. Sie wird ambivalent beurteilt, weil sie gesellschaftlich ebenso Vorzüge aufweist wie sie mit Risiken behaftet ist. Die erfolgreiche Durchsetzung der Bürokratisierung ist nicht zuletzt der Grund, dass sie nun vermehrt auf Kritik stößt.
 
 Bürokratiekritik
 
Die Kritik an der Bürokratie und dem Prinzip der bürokratischen Organisation betrifft zunächst das Verhältnis zwischen Individuum und Bürokratie. Schon Weber hatte auf die emotionale Ablehnung der Bürokratie durch den Bürger aufgrund ihres Formalismus und ihrer Selbstgerechtigkeit hingewiesen (politische Schlagwörter sind »Amtsschimmel« und »Bürgerferne«). Formalisierte Sachlichkeit, Fachwissen und Unpersönlichkeit als Prinzipien der Bürokratie und die Tatsache, dass die Funktionsweise von Bürokratie den Bürgern oft undurchsichtig und unverständlich erscheint, sind Ursachen für Gefühle der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins. Verstärkt wird dies noch durch eine oft überformalisierte Amtssprache. Auch die »bürokratische Beamtenpersönlichkeit« belastet die Beziehung zwischen Bürger und Bürokratie. Die Übersteigerung der Bürokratie zum Bürokratismus ist darüber hinaus mit negativen Merkmalen wie Langsamkeit, Schwerfälligkeit, Pedanterie, fehlender Sensibilität verbunden.
 
Die Kritik an der Bürokratie richtet sich auch auf ihre gesellschaftspolitische Macht. Befürchtet wird, dass sich das angestrebte Gleichgewicht von Legislative, Exekutive und Rechtsprechung in parlamentarischen Demokratien aufgrund der nicht mehr zu überblickenden und schwer zu kontrollierenden Vielfalt und Differenziertheit der Aufgaben und der relativen Unabhängigkeit und Unentbehrlichkeit der Bürokratie (»Potenzial spezialisierten Fachwissens«) zugunsten der Exekutive verschiebt. Der überwiegende Teil der Gesetzesvorhaben wird von der Ministerialbürokratie entworfen und von der Regierung eingebracht, nicht vom Parlament. Auch die Delegation des Verordnungsrechts an die Exekutive, die wegen der Überlastung des Parlaments mit Gesetzgebungsaufgaben notwendig ist, macht die Bürokratie zu einem eigenständigen Machtfaktor und einer potenziellen Gefahr für die Demokratie. Bürokratie und Parlament sind auch dadurch miteinander verflochten, dass 35,9 % der Mitglieder des 12. Deutschen Bundestages Beamte oder Angestellte des öffentlichen Dienstes und 10,1 % Regierungsmitglieder (einschließlich ehemalige Regierungsmitglieder) sind. Die Kontrolle der Bürokratie durch Verwaltungsgerichte, Rechnungshöfe, Wehr- und Datenschutzbeauftragte soll bürokratischen Machtmissbrauch verhindern. In der Bundesrepublik Deutschland haben seit Anfang der 1970er-Jahre nicht zuletzt Bürgerinitiativen auf Interessenkonflikte zwischen dem Handeln der Verwaltung und den davon Betroffenen aufmerksam gemacht.
 
Kritisch wird auch die öffentlich v. a. von Vertretern der Beamtenverbände und der Gewerkschaft Öffentlicher Dienste, Transport und Verkehr oft hervorgehobene Effektivität der Bürokratie beurteilt. Angelegt auf Kontinuität, Stetigkeit, Berechenbarkeit und Regelgebundenheit, kann die Bürokratie ihre überlegene Leistungsfähigkeit nur bei gleichförmigen Aufgabenstellungen entfalten; d. h., sie ist wenig flexibel hinsichtlich des dynamischen Wandels in Wirtschaft und Gesellschaft. Eine unzureichende Leistungsorientierung wird zurückgeführt auf die Berufsrolle des Beamten beziehungsweise die Prinzipien der genauen Kompetenzabgrenzung, die laufbahnorientierten Beförderungsregeln und die Lebenszeitanstellung. Es besteht bei mangelhafter Anpassung der Bürokratie an eine sich verändernde Umwelt die Gefahr einer Erstarrung zum Bürokratismus, in dem die Leistungen für die Gesellschaft gegenüber den eigenen schematisierten und ritualisierten Amtsgeschäften, der Stärkung der Autonomie und dem Streben nach Statusgewinn der Mitglieder der Bürokratie in den Hintergrund treten. Fehlen wirksame Anreiz-, Lenkungs- und Kontrollmechanismen, wird bürokratisches Handeln zum Selbstzweck, die öffentliche Verschwendung gefördert und der Verwaltungsapparat aufgebläht.
 
 Reformüberlegungen
 
Da es - außer in Sozialutopien - keine Alternative zur Bürokratie in komplexen Gesellschaften gibt, kann die Lösung der Bürokratieproblematik nur in einer Reorganisation der Bürokratie (»Entbürokratisierung«) sowie in einer Stärkung des Parlaments gegenüber Regierung und Bürokratie gesucht werden. Nach den gesellschaftlichen Umbrüchen in Mittel- und Osteuropa wurde der Einfluss der staatlichen Bürokratie in den ehemaligen sozialistischen Staaten v. a. durch die weitgehende Privatisierung der bis dahin staatlich gelenkten Wirtschaft zurückgedrängt. In demokratischen Staaten wird eine Entbürokratisierung vor allem durch eine Veränderung des Führungsstils in Bürokratien in Richtung auf Kooperation und Kollegialität erwartet. Auch die fachlich-funktionale Ausbildung der Beamten sollte durch die Vermittlung politischem und soziologischem Wissens und sozialer Kompetenzen und Fähigkeiten ergänzt werden. Die Ziele sind eine größere »Bürgernähe« der Bürokratie und größere Flexibilität zur Bewältigung auch ungleichförmiger Aufgaben. Notwendig ist darüber hinaus die Verbesserung der politischen Kontrolle und der Partizipation der Bürger am Verwaltungshandeln. Hinzutreten könnten neben der Durchforstung der Verwaltungsvorschriften (»Rechtsvereinfachung«) eine Verbesserung der Erfolgskontrolle, leistungsbezogene Budgets, Zweckbindung von Steuereinnahmen, Erhöhung des Kostenbewusstseins. Da bürokratische Organisationen über große Beharrungstendenzen verfügen (struktureller Konservativismus), lassen sich derartige Veränderungen nur längerfristig erreichen.
 
Vor diesem Hintergrund und im Angesicht eines nach wie vor starken Anwachsens der Kosten für die öffentliche Verwaltung (u. a. durch steigende Pensionsverpflichtungen von Bund, Ländern und Gemeinden) erfolgt die Forderung nach einem »schlanken Staat«. Neben den beschriebenen inneren Reformen bürokratischer Strukturen und Abläufe (u. a. mithilfe von Entbürokratisierungsbeiräten und -kommissionen auf den verschiedenen Ebenen staatlichen und öffentlichen Handelns) wird dabei insbesondere der Abbau von Bürokratie als wichtiger Weg angesehen. Diesem Ziel sollen v. a. die Begrenzung der Beamtentätigkeit auf die im engen Sinne hoheitlicher Tätigkeiten, die Verhinderung von Frühpensionierungen und die gezielte Privatisierung einzelner, bislang durch den öffentlichen Sektor erbrachter wirtschaftlichen Leistungen dienen (öffentliche Unternehmen, Bundesbeteiligungen), was in der öffentlichen Diskussion nicht unumstritten ist und auf den zum Teil heftigen Widerstand der betroffenen Interessenverbände stößt.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Beamte · Demokratie · öffentliche Ausgaben · öffentlicher Dienst · Organisation · Verwaltung
 
Literatur:
 
F. Morstein Marx: Einf. in die B. (a. d. Amerikan., 1959);
 M. Crozier: Le phénomène bureaucratique (Paris 1963);
 
Bürokrat. Organisation, hg. v. R. Mayntz (1968);
 T. Leuenberger: Bürokratisierung u. Modernisierung der Gesellschaft (Bern 1975);
 
Der Apparatschik. Die Inflation der B. in Ost u. West, hg. v. G.-K. Kaltenbrunner (1976);
 M. Weber: Wirtschaft u. Gesellschaft (51976, Nachdr. 1990);
 Gerd Meyer: Bürokrat. Sozialismus (1977);
 F. Hegner: Das bürokrat. Dilemma (1978);
 U. Lohmar: Staats-B. (31978);
 
Bürokrat. Politik, hg. v. H. Uthoff u. W. Deetz (a. d. Amerikan., 1980);
 D. Lau u. U. Fried: Die Herrschaft der B. (1980);
 H. Laufer: Bürokratisierte Demokratie? (Zürich 1983);
 H. Meister: Wohlfahrtsverluste im Staat. Ein Beitr. zur Theorie bürokrat. Ineffizienz (1983);
 
Verrechtlichung u. Verdrängung, Beitrr. v. A. Funk u. a. (1984);
 H. Jacoby: Die Bürokratisierung der Welt (Neuausg. 1984);
 R. Mayntz: Soziologie der öffentl. Verwaltung (31985);
 B. Wunder: Gesch. der B. in Dtl. (1986);
 
Entbürokratisierung. Dokumentation u. Analyse, hg. v. H. Helmrich (1989);
 W. Benz: Herrschaft u. Gesellschaft im natsoz. Staat (1990);
 T. Ellwein: Das Dilemma der Verwaltung (1994);
 W. Bruns: Zeitbombe B. (Neuausg. 1995);
 N. Luhmann: Funktionen u. Folgen formaler Organisation (41995).

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Bü|ro|kra|tie, die; -, -n [frz. bureaucratie zu: bureau (↑Büro) u. griech. krateĩn = herrschen]: 1. <Pl. selten> a) Beamten-, Verwaltungsapparat: die B. bläht sich immer mehr auf; Mit B. und Militär ... verselbstständigen sich die Institutionen der öffentlichen Gewalt (Fraenkel, Staat 222); b) die in der Verwaltung Beschäftigten. 2. <o. Pl.> (abwertend) bürokratische Denk- u. Handlungsweise: Es (= das Verwarnungsgeld) werde ... unnötige B. vermeiden (ADAC-Motorwelt 1, 1982, 10).

Universal-Lexikon. 2012.