Ver|jäh|rung 〈f. 20〉 das Verjähren, Verlust der Gültigkeit nach einer gesetzl. Frist
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Ver|jäh|rung, die; -, -en:
das Verjähren, Verjährtsein:
die V. eines Verbrechens.
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Verjährung,
Präskription,
1) im Privatrecht der Verlust der Durchsetzbarkeit eines Anspruchs, der innerhalb eines im Gesetz bestimmten Zeitraums (Verjährungsfrist) nicht geltend gemacht worden ist. Nach Ablauf der Verjährungsfrist kann der Verpflichtete die Leistung dauerhaft verweigern und die Einrede der Verjährung geltend machen (§ 222 BGB). Die Verjährung führt aber nicht zum Erlöschen des Anspruchs, sodass das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete auch dann nicht zurückgefordert werden kann, wenn die Leistung in Unkenntnis der Verjährung bewirkt worden ist (§ 222 Absatz 2 BGB).
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt 30 Jahre (§ 195 BGB). Für viele Ansprüche gelten kürzere Verjährungsfristen. Die Verjährungsfrist beginnt regelmäßig mit der Entstehung des Anspruchs zu laufen (§ 198 BGB), in den Fällen der zwei- und vierjährigen Verjährungsfrist (§§ 196, 197 BGB) jedoch erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 201 BGB, Beispiel: Der Anspruch entstand am 15. 8. 1990; der Lauf der Verjährungsfrist beginnt erst am 1. 1. 1991). Ein Anspruch, der durch ein rechtskräftiges Urteil oder einen vergleichbaren vollstreckbaren Titel festgestellt ist, verjährt in 30 Jahren, auch wenn er an sich einer kürzeren Verjährung unterliegt (§ 218 BGB), wobei die neue Verjährungsfrist mit Rechtskraft des Urteils zu laufen beginnt.
Die Verjährung ist im Ablauf gehemmt (Hemmung der Verjährung, d. h., die Frist wird in den Verjährungszeitraum nicht eingerechnet), wenn z. B. der Anspruch gestundet ist oder bei Stillstand der Rechtspflege (für den Zweiten Weltkrieg gelten Sondervorschriften). Sie wird unterbrochen (Unterbrechung der Verjährung, d. h., sie beginnt nach der Unterbrechung voll von neuem zu laufen) im Fall des Anerkenntnisses und der gerichtlichen Geltendmachung. Unverjährbar sind z. B. die Ansprüche auf Berichtigung des Grundbuchs, aus im Grundbuch eingetragenen dinglichen Rechten, auf Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft u. a. Die Verjährung kann durch Rechtsgeschäft in der Regel nicht verlängert, aber abgekürzt werden.
Das österreichische Recht begreift unter Verjährung den Verlust eines Rechtes, welches während der vom Gesetz bestimmten Zeit nicht ausgeübt worden ist (§ 1451 ABGB). - In der Schweiz verjähren Forderungen in der Regel in zehn Jahren; eine längere strafrechtliche Frist verlängert auch die zivilrechtliche Verjährung.
K. Spiro: Die Begrenzung privater Rechte durch V.-, Verwirkungs- u. Fatalfristen, Bd. 1 (Bern 1975);
R. Dohse: Die V. (71987);
2) im Steuerrecht das Erlöschen von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis infolge Zeitablaufs. Die AO unterscheidet zwischen der Festsetzungs- und der Zahlungsverjährung. Nach Ablauf der Festsetzungsfrist sind eine Steuerfestsetzung, deren Aufhebung oder Änderung unzulässig. Die Festsetzungsfrist beträgt ein Jahr für Zölle und Verbrauchsteuern, vier Jahre für alle übrigen Steuern, fünf Jahre für leichtfertig verkürzte und zehn Jahre für hinterzogene Steuern (§§ 169-171 AO). Fällige Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis unterliegen einer Zahlungsverjährung von fünf Jahren (§ 228 AO).
3) im Strafrecht unterscheidet man Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung. Die Strafverfolgung verjährt bei Vergehen und Verbrechen je nach Höchstmaß der angedrohten Freiheitsstrafe in 3, 5, 10, 20 oder 30 Jahren (§ 78 StGB). Nach Ablauf dieser Fristen ist die Ahndung der Tat ausgeschlossen. Die Verjährung beginnt mit Beendigung der Straftat oder Eintritt eines strafbaren Erfolgs. Die Verfolgungsverjährung ruht, 1) bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers bei Straftaten nach den §§ 176 - 179 StGB, 2) solange eine gesetzliche Vorschrift die Verfolgung nicht ermöglicht, z. B. wegen Immunität des Verdächtigen (§ 78 b StGB). Die Strafvollstreckung verjährt, je nach Höhe der verhängten Strafe, in 3, 5, 10, 20 oder 25 Jahren (§ 79 StGB), d. h., eine rechtskräftig verhängte Strafe oder Maßnahme kann dann nicht mehr vollstreckt werden. Die Verjährung von Ordnungswidrigkeiten ist nach Höhe der angedrohten oder verhängten Geldbuße gestaffelt (§§ 31-34 Ordnungswidrigkeitengesetz). Jede richterliche Untersuchungshandlung sowie auch die erste Vernehmung oder ihre Ankündigung durch Staatsanwaltschaft oder Polizei unterbrechen die Verfolgungsverjährung (§ 78 c StGB). Die Verbrechen des Völkermordes (§ 220 a StGB) sowie des Mordes (nach der »Verjährungsdebatte«, Gesetz vom 16. 7. 1979) verjähren nicht (§ 78 Absatz 2 StGB). Durch Bundesgesetz vom 26. 3. und 27. 9. 1993 sowie 22. 12. 1997 wird die Verjährung von SED-Unrechtstaten hinausgeschoben. Bei der Berechnung der Verjährung bleibt die Zeit vom 11. 10. 1949 bis 2. 10. 1990 außer Ansatz, falls in dieser Zeit Straftaten nach dem Willen der Staats- und Parteiführung der DDR aus politischen oder sonstigen Gründen nicht verfolgt wurden. Bestimmte Straftaten verjähren frühestens mit Ablauf des 31. 12. 1995 (bei Höchstfreiheitsstrafe bis zu einem Jahr/Geldstrafe) oder des 2. 10. 2000 (Taten mit Höchststrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren). - Das österreichische StGB differenziert beide Arten der Verjährung ähnlich wie das deutsche Recht, allerdings mit Verjährungsfristen von 1, 3, 5, 10, 20 Jahren (Verfolgungsverjährung) beziehungsweise 5, 10, 15 Jahren (Vollstreckungsverjährung). Die Verjährung von mit lebenslanger oder 10- bis 20-jähriger Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechen ist ausgeschlossen (§§ 57, 59). - Im schweizerischen Strafrecht verjährt die Strafverfolgung, je nach der Schwere der Strafe, nach 20, 10 oder 5 Jahren, die Strafvollstreckung, je nach der Schwere der Strafe, in 5 bis 30 Jahren (Art. 70 ff. StGB).
4) im Völkerrecht wird das Prinzip einer rechtsvernichtenden Verjährung von durch Vertrag oder Delikt begründeten Ansprüchen als allgemeiner Rechtsgrundsatz angesehen. Mangels genereller Regeln über die Verjährungsfristen steht die Verjährung dort meist dem Verzicht oder der Verwirkung gleich.
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Ver|jäh|rung, die; -, -en: das Verjähren, Verjährtsein: die V. eines Verbrechens.
Universal-Lexikon. 2012.