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Nacktheit
Blöße

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Nạckt|heit 〈f. 20; unz.〉 das Nacktsein, Unbekleidetsein, Blöße

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Nạckt|heit, die; -:
das Nacktsein, Unbekleidetsein.

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Nacktheit,
 
1) Evolutionsgeschichtlich: weitgehende Haarlosigkeit (mit Ausnahme v. a. des Kopfhaars) als eines der charakteristischen Merkmale des Menschen. Diese Nacktheit ist im Wesentlichen ein Selektionsvorteil, der sich (und zwar relativ spät im Verlauf der menschlichen Evolution) mit der Abnahme der Körperbehaarung - hauptsächlich in Verbindung mit einer Zunahme an Schweißdrüsen auf der gesamten Körperoberfläche - ergeben hat. Es wurde dadurch ein kombinierter Effekt aus Schutz vor Überhitzung und gleichzeitig vermehrter Kühlung erreicht, der dem prähistorischen Menschen in seiner Phase als Wildbeuter zugute kam und ihm dadurch die Möglichkeit bot, seine Beute vor dem Erlegen über längere Strecken zu verfolgen.
 
 2) Kulturgeschichtlich: der Zustand des unverhüllten menschlichen Körpers. Als kulturelle, kultische oder modische und weltanschauliche Erscheinung (z. B. Freikörperkultur) widerspricht Nacktheit dem sekundären Bedürfnis des Menschen, sich den klimatischen Gegebenheiten entsprechend durch Kleidung zu schützen. In Klimaten, die keine Schutzkleidung erforderlich machen, ging man jedoch (zum Teil noch heute) vorzugsweise nackt, legte sich aber durch Bemalung, Tatauierung oder Amulette einen magischen Schutz zu. Aus diesen unterschiedlichen Lebensgewohnheiten resultiert auch ein unterschiedliches - kulturspezifisch ausgeprägtes - Schamgefühl (das wiederum das individuelle Schamgefühl bestimmt). In Kulturen, in denen Kleidung als Norm gilt, gliedert diese u. a. den Menschen in die Gesellschaftsordnung ein; Nacktheit dagegen macht ihn »sozial ortlos«. - Der nackte Mensch wird in einem anderen Sinne betrachtet als der bekleidete. Für die bildende Kunst wird Nacktheit deshalb häufig zum Ausdrucksmittel für die sinnbildliche Darstellung abstrakter Ideen und Ideale; bis ins 19. Jahrhundert meist mit religiösen und mythologischen Bezügen (Akt). - Eine besondere Rolle spielt die Nacktheit (oder teilweise Nacktheit, der oft höhere Stimulanz zugeschrieben wird) bei der sexuellen Begegnung, u. a. da die nackte Haut für erotische Reize empfänglicher ist und da die Entblößung von Körperteilen selbst sexuelle Reize ausübt. Die Instrumentalisierung des nackten (meist weiblichen) Körpers zur Verkaufsförderung ist im Zusammenhang mit Sexismus zu sehen. - In der Religionsgeschichte kann Nacktheit Ausdruck besonderer Askese sein; charakteristisch hierfür sind die Digambaras des Jainismus. Kultische Nacktheit (als solche gelten z. B. auch Barhäuptigkeit und Barfüßigkeit etwa beim Besuch heiliger Stätten) soll entweder eine bedingungslose Hingabe an die Gottheit erkennen lassen oder die paradiesische Unschuld des ersten Menschen wiederherstellen (so bei den Adamiten). Die teilweise Entblößung wird z. B. in der griechischen und germanischen Religion beim Gebet gefordert. Das Christentum verweist die Nacktheit in den Intimbereich des Menschen und fordert für die Öffentlichkeit die jeweils »angemessene« Kleidung. - In der Magie ist Nacktheit oft mit Fruchtbarkeitsriten verbunden. Liebeszauberpraktiken wurden nackt vollzogen, nackt war auch die Fragestellerin beim Liebesorakel in der Andreasnacht (Andreas, Apostel). Als Hexen verdächtigte Männer und Frauen wurden nackt (im »Peinkleid«) gefoltert.
 
Literatur:
 
E. Fehrle: Die kult. Keuschheit im Altertum (1910, Nachdr. 1966);
 
Hwb. des dt. Aberglaubens, hg. v. E. Hoffmann-Krayer u. a., Bd. 6. (1934-35, Nachdr. 1987);
 H. F. Geyer: Philosoph. Tagebuch, Tl. 5: Dialektik der N. (1973);
 C. Lévi-Strauss: Mythologica, Bd. 4, Tl. 1 u. 2: Der nackte Mensch (a. d. Frz., 1976);
 N. Himmelmann: Ideale N. in der griech. Kunst (1990);
 H. P. Duerr: N. u. Scham (41992).

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Nạckt|heit, die; -: das Nacktsein, Unbekleidetsein: in paradiesischer N. herumlaufen; so dass ich über ihre ... wenig verhüllte N. (ihren nackten Körper) gebeugt saß (Th. Mann, Krull 202); Ü die N. (geh.; Kahlheit) der winterlichen Landschaft.

Universal-Lexikon. 2012.