Ẹckhart,
Meister Ẹckhart, Philosoph und Theologe, Dominikaner, * Hochheim (bei Gotha) um 1260, ✝ vor April 1328; trat in den Dominikanerorden ein, studierte am Kölner Studium generale seines Ordens (vielleicht noch bei Albertus Magnus), war 1293/94 Dozent (lector sententiarum) und 1302 Magister der Universität Paris, wurde 1303 Provinzial der neu geschaffenen Ordensprovinz Saxonia, kehrte 1311/12 im Auftrag seines Ordens noch einmal als Magister nach Paris zurück und lehrte ab 1313 in Straßburg, wo das »Buch der göttlichen Tröstung« und ein Großteil seiner »Predigten« entstanden. Nach 1322 war Eckhart als Professor und Prediger in Köln tätig. 1326 eröffnete der Kölner Erzbischof gegen ihn ein Inquisitionsverfahren. Eckhart protestierte gegen die Vorgehensweise und den Häresievorwurf und appellierte an den Papst. Johannes XXII. verurteilte jedoch kurz nach dem Tod Eckharts (Verurteilungsbulle vom 27. 3. 1329) Thesen aus seinen Schriften als häretisch beziehungsweise der Häresie verdächtig und verwarf auch das Gesamtwerk als neuerungssüchtig, ketzerisch und volksaufwühlend.
Eckhart selbst betonte ausdrücklich die philosophische Intention, die alle seine Werke auszeichne. Gestützt auf Aristoteles und Averroes, Augustinus und Albertus Magnus (weniger auf Thomas von Aquino, auf den er sich als eine Schulautorität bezog), wollte er die Einheit des Gerechten und der Gerechtigkeit, Gottes und des menschlichen Geistes beweisen und als die Gottesgeburt im Menschen, als die Wahrheit der Inkarnation Gottes in der Seele aus dem sachlichen Gehalt der biblischen Bilderreden und der christlichen Dogmen rational (mit philosophischen Argumenten) aufzeigen. Die Einheit von Vernunft und Gottheit begründete er philosophisch mit der aristotelisch-averroistischen Intellekt-Theorie, die Albertus Magnus aufgenommen und Dietrich von Freiberg entfaltet hatte. Diese besagt, dass der Intellekt mit der Dingwelt nichts gemein haben kann, um sie erfassen und durchschreiten zu können. Wenn der Intellekt (das so genannte »Seelenfünklein«[»scintilla animae«]) aufhört sich mit den Dingen zu verwechseln, wenn er sich loslöst von allen Fixierungen, auch auf das Ich, die Tugend, den jenseitigen Gott und den Himmelslohn, vollzieht er die Einheit mit dem Weltgrund, in der er an sich immer steht. Die Lehre von der Gelassenheit (»Abgeschiedenheit«) radikalisierte die Armutsidee der Bettelorden; die Intimität von Intellekt und Gottheit relativierte die Hierarchien, ausdrücklich auch die von Mann und Frau.
Der im Denkansatz Eckharts implizierten Rangerhöhung des Menschen (sofern er gut handelt und wahr denkt) und der daraus folgenden Relativierung der Heilsgeschichte, der Sakramente, der sichtbaren Kirche und des buchstäblichen Bibelsinns widersprach der Papst als einer kirchenzerstörenden Neuerung, zumal sie religiöse Fragen (in einer ausdrucksstarken Bildersprache) in der Volkssprache erörterte. Von mystischer Erfahrung sprachen jedoch (im Gegensatz zu Eckharts späterer Kennzeichnung in der Forschung als »Mystiker«) weder Eckhart selbst noch der verurteilende Papst. H. Seuse und J. Tauler konnten dem Erbe Eckharts nur dadurch ein Randdasein in der Kirche sichern, dass sie ihn abschwächten und zum Teil verleugneten.
Sein deutsches Werk wurde auch wirksam durch die von ihm neugeschaffene Terminologie, v. a. für philosophische und religiöse Inhalte. Der Einfluss seiner philosophischen Theologie wurde durch die Verurteilung blockiert, auch wenn Nikolaus von Kues sich vorsichtig zu ihm bekannte. F. Schlegel, Franz von Baader und Hegel rühmten ihn als verwandten Denker, ähnlich Schopenhauer. Erst die neueste Forschung untersucht sein Werk im historischen Kontext, nachdem er seit Anfang des Jahrhunderts von vielfältigen politischen und weltanschaulichen Bewegungen vereinnahmt worden war.
Ausgaben: Die deutschen und lateinischen Werke, herausgegeben im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft von J. Quint, J. Koch u. a. (1936 folgende); Deutsche Predigten und Traktate, herausgegeben von J. Quint (61985, neuhochdeutsche Übertragung).
J. Koch: Krit. Studien zum Leben Meister E.s, in: Archivum Fratrum Praedicatorum, H. 29/39, 1959/60;
I. Degenhardt: Studien zum Wandel des E.-Bildes (1967);
H. Fischer: Meister E. Einf. in sein philosoph. Denken (1974);
L. Seppänen: Meister E.s Konzeption der Sprachbedeutung (1985);
W. Trusen: Der Prozeß gegen Meister E. (1988);
K. Ruh: Meister E. Theologe, Prediger, Mystiker (21989);
G. Wehr: Meister E. (12.-14. Tsd. 1994);
K. Flasch: Das philosoph. Denken im MA. (Neudr. 1995);
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Eckhart und die Mystik
Universal-Lexikon. 2012.