Magnettonband,
wiederabspielbarer Tonträger aus einem 0,05 mm oder 0,035 mm (Langspielband) starken und 6,25 mm breiten Kunststoffband (Zelluloseacetat, Polyester, Polyvinylchlorid) mit einer magnetisierbaren Beschichtung aus Eisen-III-oxid oder Chromdioxidpulver, auf das die in elektrische Schwingungen umgesetzten Schallereignisse durch Magnetisierung der Beschichtung aufgetragen und so gespeichert werden können. Die sich aus dem elektrischen Schwingungsverlauf ergebenden Magnetisierungsschwankungen werden bei der Wiedergabe entsprechend in elektrische Schwingungen zurückverwandelt und nach Verstärkung über einen Lautsprecher wieder in Schallwellen umgesetzt. Die Löschung der magnetischen Aufzeichnung erfolgt durch erneute Magnetisierung mit einer gleich bleibend starken Hochfrequenzspannung, deren Frequenz weit über dem Hörbereich liegt. Im Tonbandgerät sind dafür hintereinander Tonköpfe für den Lösch- den Aufnahme- und Wiedergabevorgang angeordnet, an denen das auf Spulen gewickelte Band mit einer standardisierten Geschwindigkeit von 4,76 cm/s, 9,53 cm/s oder 19,6 cm/s, bei Studiomaschinen mit 38,1 cm/s, früher auch mit 76,2 cm/s, vorbeiläuft. Der Bandgleichlauf ist damit neben der Qualität der Beschichtung ein wichtiger Faktor für die Güte einer Aufnahme. Wird das Band für einen Aufnahmevorgang nicht in seiner ganzen Breite (Vollspuraufzeichnung) genutzt, sondern nur zur Hälfte (Halbspuraufzeichnung), dann kann es gedreht und auch in umgekehrter Laufrichtung bespielt werden, wie das bei Heimgeräten üblich ist. Bei einer weiteren Unterteilung in vier Spuren (Viertelspuraufzeichnung) ist analog die Aufzeichnung zweier getrennter Kanäle in jeder Laufrichtung, also Stereoaufnahme, möglich.
Auf der Berliner Funkausstellung präsentierte die Firma AEG 1935 das Magnetophon K1, entwickelt 1933 von Eduard Schüller, zusammen mit dem Magnetophonband der IG Farben Werke Ludwigshafen (BASF). Die deutsche Reichs-Rundfunk-Gesellschaft nutzte diese Geräte ab 1938. Mit der Entdeckung der Hochfrequenz-Vormagnetisierung durch Hans-Joachim von Braunmühl und Walter Weber 1940 und der Stereo-Aufzeichnung 1943 wurde das Tonband der Schallplatte qualitativ überlegen. Die kommerzielle Nutzung begann dann unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA, was nicht nur die Musikproduktion tiefgreifend verändert hat, sondern auch für die Musik selbst nicht ohne Folgen geblieben ist. 1948 stellte die amerikanische Firma Ampex mit dem Modell 200 das erste professionelle Studiogerät vor, doch bereits 1947 experimentierte der Swing-Gitarrist Les Paul (* 1915) mit Play-back-Aufnahmen (Play-back) im »Sound-on-Sound«-Verfahren, indem er eine bereits fertige Aufnahme zusammen mit einer Neueinspielung auf ein weiteres Tonband umkopierte. Die 1954 erfolgte Einführung des Zweispurbandes in die Musikproduktion, 1956 der Dreispuraufzeichnung, ließ die getrennte Aufnahme einzelner Instrumente und Instrumentengruppen (Mehrspurverfahren) und ein nachträgliches Ausbalancieren (abmischen) ihres Lautstärke- und Klangverhältnisses zu. Die Vergrößerung der Bandbreite auf zwei Zoll (=50,8 mm) für den Aufnahmevorgang im Studio ermöglichte eine Erweiterung der Anzahl der Spuren auf zunächst acht (1967), dann bis auf vierundzwanzig (1972) und mehr, wie sie heute den internationalen Studiostandard ausmachen, wobei das Ergebnis gemischt auf ein Normalband umkopiert wird. Darin liegen enorme Möglichkeiten für die Gestaltung von Klangbildern, lassen sie sich doch nun schichtenweise und genau kontrolliert zusammensetzen und auch nach der Aufnahme auf elektronischem Wege im Vorgang des Abmischens noch einmal verändern. So konnte der Sound zum eigenständigen Ausdrucksmittel werden, das für die Entwicklung der populären Musik in der Gegenwart eine zentrale Bedeutung erhalten hat.
Aber nicht nur die Produktion, auch der Umgang mit Musik ist durch das Magnettonband tiefgreifend verändert worden. Die ersten Heimgeräte in Deutschland brachten 1950 die Firmen AEG und Grundig auf den Markt. Die Vierspur-Aufzeichnung für Mono- und Stereo-Betrieb wurde 1959 von Philips eingeführt. Musik konnte nun auch individuell aufgezeichnet und problemlos wiedergegeben werden. Sie ist damit universell verfügbar geworden, sodass das Musikhören zu einer zentralen Freizeitbeschäftigung nicht nur Jugendlicher werden konnte. Die Tonbandkassette, auf der Berliner Funkausstellung 1963 erstmals von Philips vorgestellt und seit 1965 industriell gefertigt, kam mit ihrer erheblich vereinfachten Handhabung diesem Bedürfnis weiter entgegen (MusiCassette). Die auf diese Weise mögliche Intensität des Umgangs mit Musik hat neuen Funktionsweisen und neuen musikalischen Ausdrucksformen den Weg geebnet, was sich hauptsächlich in der Entwicklung der Rockmusik widerspiegelte. Die Digitalisierung auch der Tonbandaufzeichnung — im Studio schon in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre, für Heimgeräte seit 1986 mit dem Digital Audiotape von Sony — hat noch einmal zu einer erheblichen qualitativen Verbesserung dieses Aufzeichnungssystems geführt (Digital Recording). Das Prinzip des Magnettonbandes kommt auch bei den Verfahren der Bildaufzeichnung (Videokassette) zum Einsatz.
Universal-Lexikon. 2012.