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Rockmusik
Rock

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Rọck|mu|sik 〈f. 20; unz.〉 Musikstil, der sich aus Rock and Roll, Rhythm and Blues u. Blues entwickelt hat; Sy 〈kurz〉 Rock3 (2)

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Rọck|mu|sik, die:
gewöhnlich von kleinen Bands auf elektrisch verstärkten Instrumenten gespielte Musik eines der Stile, die sich aus dem Rhythm and Blues, dem Rock and Roll u. dem Blues entwickelt haben.

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Rockmusik,
 
Form der populären Musik, die auf Jugendliche, ihre Bedürfnisse, sozialen Erfahrungen, geistigen und kulturellen Ansprüche bezogen ist und auf den Produktions- und Verbreitungsbedingungen der audiovisuellen Massenmedien basiert. Die Bezeichnung dafür ist Mitte der Sechzigerjahre in den USA aufgekommen und stellt eigentlich eine Kurzform des Begriffs Rock-'n'-Roll-Music dar, die darauf verweisen sollte, dass diese um 1960 in England entstandene, 1964 mit dem phänomenalen Erfolg der Beatles als British Invasion den amerikanischen Musikmarkt überflutende Musik letztlich im Rock 'n' Roll der Fünfzigerjahre verwurzelt war. Als ab 1965 die amerikanische Musikindustrie die Initiative für die Entwicklung auch dieser Musik, von der sie zunächst förmlich überrollt worden war, nach und nach wieder übernahm, bürgerte sich der amerikanische Terminus Rock bzw. Rockmusic anstelle der ursprünglichen britischen Bezeichnung Beat dann allgemein ein. Seine Handhabung ist allerdings äußerst uneinheitlich. In der Regel wird er als pauschaler Oberbegriff für Gruppen und Musiker verwendet, die sich in der einen oder anderen Weise musikalisch auf den Rock 'n' Roll beziehen oder beziehen lassen, zum Teil ist er rückwirkend auf den Rock 'n' Roll selbst ausgedehnt, wird nicht selten aber auch mit einem wertenden Akzent gebraucht, im Sinne von Ehrlichkeit, Authentizität des Musizierens und im Gegensatz zu Popmusik.
 
Die Schwierigkeiten einer genauen Bestimmung dessen, was mit dem Begriff Rockmusik gemeint ist, resultieren aus der musikalischen und stilistischen Vielfalt, den unterschiedlichen, oft gegensätzlichen Spielkonzeptionen und Musikauffassungen, die sich mit ihm verbinden und es völlig unmöglich machen, ihn auf eine, wie immer auch gefasste, ganz bestimmte Spielweise festlegen zu wollen. Rockmusik definiert sich vielmehr ästhetisch und soziologisch. Sie ist bestimmt durch die kollektive Identität von Texter, Komponist, Arrangeur und Interpret in der Rockgruppe. Das hat die traditionelle Hierarchie dieser Funktionen, in der der Komponist, die komponierte musikalische Struktur dominiert, aufgebrochen und die strukturellen Faktoren hinter solchen der klangsinnlichen Erscheinungsform von Musik zurücktreten lassen (Sound), die hier durch eine Kombination aus technischen und personellen Faktoren gebildet wird und an die Produktions- und Reproduktionsbedingungen der Massenmedien, insbesondere der Schallplatte, gebunden ist. Dem entspricht eine innere Organisation des Musizierens, das durch die metrisch-rhythmischen Spannungsverhältnisse des Beat geregelt wird und auf der Grundlage mehr oder weniger feststehender Strukturformeln (Patterns) die Interaktion des Musizierens selbst zum Ausgangspunkt hat. In soziologischer Hinsicht ist Rockmusik als Bestandteil der Lebensweise und Kultur Jugendlicher bestimmt und eingebettet in ein multimediales Umfeld, zu dem Druckgrafik und Fotografie (Poster, Cover), Film und Video (Filmmusik, Musikvideo), Literatur und Presse (Charts) gehören. Die konkrete musikalische Realisierung dieser Bestimmungen ist weitgehend offen und lässt eine enorme Breite an Spielweisen und Stilkonzeptionen zu, auch wenn darin der Bezug auf die afroamerikanische Tradition des Blues und die von ihm abgeleiteten Musizierformen dominiert. Doch hat die Rockmusik in ihrer Entwicklung Einflüsse aus allen Genres und Gattungen der Musik, von der Folklore bis zum Jazz, von der Klassik bis zur Moderne, aufgenommen und verarbeitet.
 
Ihre Entstehung durch Amateurmusiker um 1960 in Großbritannien vollzog sich in unmittelbarem Bezug auf den amerikanischen Rock 'n' Roll bzw. afroamerikanischen Rhythm and Blues, aus deren Nachspiel heraus sie sich entwickelte. Obwohl es dabei natürlich auch zu musikalischen Veränderungen und Umwandlungsprozessen kam, wurde mit Rock 'n' Roll und Rhythm and Blues doch eine professionell produzierte Musik — ihrerseits auf kulturellen Traditionen basierend, die in England selbst damals weitgehend unbekannt waren — von Amateuren mit der ihnen eigenen Naivität und Unbekümmertheit unter völlig anderen Voraussetzungen zu kopieren versucht. Ein anderes Moment erwies sich als viel entscheidender: Mit dem britischen Beat war eine Musikpraxis entstanden, die zunächst außerhalb des etablierten Medienzusammenhangs von den Jugendlichen selbst getragen und organisiert worden ist, von ihnen in ein Umfeld hingestellt wurde, das in Kellerklubs und Vorstadtlokalen dem Musizieren die Erfahrungswelt Jugendlicher aufprägte, sich mit ihrem Alltag verband und darin Funktionen erhielt, die ihm das an Unmittelbarkeit und sinnlicher Direktheit des Ausdrucks zurückgaben, was auch der Rock 'n' Roll inzwischen längst wieder verloren hatte. Populäre Musik wurde hier als kulturelle Praxis neu formiert, und das hat die mit dem britischen Beat dann auch musikalisch eingeleiteten Veränderungen, die aufkommenden neuen Spielweisen eben zu weit mehr als lediglich einer wieder neuen Musikmode werden lassen.
 
Als die Musikindustrie auf diese Entwicklung reagierte, sah sie sich einer Musikpraxis gegenüber, für die sich die traditionellen Produktions- und Verbreitungsmethoden, das ihr zugrunde liegende Produktionskonzept, endgültig als untauglich erwiesen. Jene Kriterien, nach denen in den Fünfzigerjahren auch der Rock 'n' Roll dann schließlich doch wieder in musikalisches Rohmaterial für die massenhafte Fabrikation von Hits verwandelt worden war, griffen jetzt nicht mehr, weil zum einen die Identität von Texter, Komponist, Arrangeur und Interpret in der Gruppe eine Zerlegung des Musizierens durch die professionellen Spezialisten der Musikindustrie in kalkulierbare formalisierte Effekte nach den herkömmlichen Methoden nicht mehr zuließ, zum anderen Musik so unmittelbar in den Alltag und die Lebensweise Jugendlicher integriert, von ihren Wertvorstellungen geprägt war, dass ein wie bisher lediglich auf Unterhaltung zielendes Verkaufskonzept ins Leere gehen musste. Mit der Rockmusik etablierte sich anstelle des traditionellen strukturorientierten Musikkonzepts, das sich vor allem auf den melodischen Aufbau der Songs konzentriert hatte (Tin Pan Alley, Song) und über diesen kommerziellen Erfolg kalkulierbar zu machen versuchte, jetzt ein soundorientiertes Konzept, das die entstandene Gruppenidentität von Komponist, Texter, Arrangeur und Interpret respektierte und sich stattdessen auf den aufnahmetechnischen Vorgang im Studio, die technische Qualität von Musik konzentrierte. Das hat enorme Möglichkeiten des Musizierens freigesetzt, die in der Entwicklung der Rockmusik, in der Vielfalt ihrer Spielweisen und Stilkonzeptionen, auch realisiert worden sind, zugleich jedoch mit dem Vorantreiben der Verbindung von Musik und Technik das Musizieren auf eine industriell-technische Grundlage gestellt, die seiner kommerziellen Verwertung völlig neue Perspektiven eröffnete. Auch die Verkaufskonzepte passten sich rasch der Tatsache an, dass für die Jugendlichen diese Musik mit ästhetischen und kulturellen Werten verbunden war, die sich nicht mehr bloß auf Unterhaltung festlegen ließen. Rockmusik wurde als Generationssymbol vermarktet, an die Stelle der synthetischen Traumwelt bürgerlicher Unterhaltung trat die Stilisierung der realen Welt, an die Stelle des entsozialisierten Stars das Arbeiterjugend-Image der Beatles und das Großstadtrebellen-Image der Rolling Stones.
 
Mitte der Sechzigerjahre hatte die Rockmusik, die bis dahin unter der Bezeichnung Mersey-Beat bzw. mit ihrer wachsenden internationalen Ausstrahlung auch British Beat eine rein britische Angelegenheit war, neben den Beatles und Rolling Stones von Gruppen wie den Kinks, The Who, Yardbirds, Animals, Hollies und einer unübersehbaren Vielzahl weiterer Bands aus verschiedenen englischen Großstädten repräsentiert wurde, ihre ursprüngliche lokale, dann nationale Begrenzung verloren und begann, sich in internationalen Dimensionen zu entwickeln. Während die britische Entwicklung mit Pink Floyd, Soft Machine und The Nice nun vor allem in eine Richtung ging, die die klangliche Seite des Musizierens zu erweitern suchte, kamen aus der Tradition der amerikanischen Folkmusic und der in ihrem Rahmen entstandenen Protestsong-Bewegung (Protestsong) neue musikalische und inhaltliche Impulse, die sich einerseits im Konzept des Folkrock niederschlugen, andererseits eine Politisierung der Rockmusik zur Folge hatten, die im San-Francisco-Sound Ende der Sechzigerjahre ihren Höhepunkt hatte. Doch was immer auch an neuen Ansätzen und stilistischen Konzepten in dieser Zeit aufkam: Geprägt worden sind die Sechzigerjahre durch die Beatles und die Rolling Stones, deren Alben »Aftermath« (1966), »Between the Buttons« (1967), »Their Satanic Majesties Request« (1967), »Beggars Banquet« (1968) und »Sticky Fingers« (1971) ebenso zu Marksteinen der Entwicklung der Rockmusik wurden wie die Beatles-Alben »Revolver« (1966), »Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band« (1967) und das White Album, »The Beatles« (1968).
 
Ende der Sechzigerjahre setzte der Prozess der Aufsplitterung in sich immer hektischer einander ablösende Spielweisen und Stilkonzeptionen ein, der damit zu tun hatte, dass eine einigermaßen verbindliche Musikauffassung mit dem Zerfall der politisch-sozialen Bewegung Jugendlicher in Westeuropa und den USA nach den Studentenunruhen des Jahres 1968 verloren ging und ein neues ästhetisches Selbstverständnis gefunden werden musste, andererseits die Musikindustrie sich endgültig dieser Musikpraxis bemächtigt und Rockmusik selbst in eine Industrie verwandelt hatte, die auf ständige musikalische Innovationen drängte. Classic Rock, Artrock, Hardrock, Softrock, Countryrock, Electronic Rock, Godrock, Latin Rock, Jazzrock und Glitter-Rock markieren die unterschiedlichen musikalischen Wege, denen die weitere Entwicklung nun folgte und sich dabei mit formalen Experimenten, einem Hang zum technischen Perfektionismus und der Gigantomanie der Super Groups immer weiter von der ursprünglichen sozialen Basis des Rock entfernte. 1976 wurde dies in Großbritannien vor dem Hintergrund wachsender sozialer Spannungen in der Folge der um sich greifenden Jugendarbeitslosigkeit und dem sich ausbreitenden No-Future-Pessimismus vor allem der Arbeiterjugend schließlich zum Auslöser einer radikalen Neuorientierung, die sich mit dem Punkrock Geltung verschaffte und dann in die verschiedenen Spielweisen der New Wave mündete. Das brachte nicht nur entscheidende neue Perspektiven des Musizierens, das wieder unmittelbar auf die sozialen Lebensrealitäten Jugendlicher zu reagieren begann, mit dem Versuch, zu dezentralisierten, von den transnationalen Medienkonzernen (Musikindustrie) unabhängigen Produktionsformen zu finden. Das gab erstmals auch wieder außerhalb Großbritanniens und der USA vor allem in Westeuropa nationalen Entwicklungen des Rock Raum (Neue Deutsche Welle). Es führte auch zu einem neuen politischen Verständnis der Rockmusik, das sich in Bewegungen wie Rock Against Sexism, Rock Against Racism oder Rock gegen Rechts niederschlug. Weiterreichend als hier und von anderen musikalischen und politischen Ausgangspunkten her wurde mit der Bewegung Rock In Opposition zur gleichen Zeit eine Kritik der sozialen Existenzbedingungen der Rockmusik eingeleitet und in eine politisch-ästhetische Programmatik umzusetzen versucht.
 
Die zweite Hälfte der Siebzigerjahre brachte aber auch eine neue Welle von popmusikalischen Formen afroamerikanischen Ursprungs (Discosound, Funk, Reggae, Rap und Hip-Hop), die Anfang der Achtzigerjahre der im Nihilismus der New Wave zerfallenden Rockmusik spürbar neue Impulse gab. Damit kristallisierten sich auch wieder deutlich voneinander unterscheidbare Entwicklungslinien heraus. Innerhalb der New Wave bildeten sich mit Funkpunk und der Twotone-Bewegung Syntheseformen, die ihre Anregungen aus der afroamerikanischen Popmusik bezogen. Hardcore und Postpunk führten die nihilistische Destruktivität der New Wave als stilisierten Ausdruck sozialer Entfremdungserscheinungen weiter, während am anderen Ende des Spektrums die Stars der New Romantics und des sich anschließenden Synthi-Pop ein neues stil- und imagebewusstes Konsumentenleitbild feierten, das um einen ausgesprochenen Diskotheken-Kult zentriert war. Den Mittelpunkt aber bildete eine konservative Rückbesinnung auf die aggressiven Urformen des Rock im Heavy Metal, der mit der Ausbildung immer neuer Varianten (Speedmetal, Black Metal, Thrashmetal) zumindest quantitativ zum gewichtigsten Faktor im Erscheinungsbild des Rock der Achtzigerjahre wurde. Ihm gegenüber stand die trotzige Behauptung einer Rock-Ästhetik, die vom Geist des frühen Rock 'n' Roll getragen war und in Bruce Springsteen (* 1949) und John Cougar Mellencamp (* 1951) ihre beiden wichtigsten Exponenten fand. Überlagert wurde das von einer Entwicklung, die mit dem Siegeszug von Music Television und dem Musikvideo schließlich in eine neue Kategorie von Popmusik mündete, für die die eher anonymen Produzenten und Autorenteams des New Pop (Popmusik) ebenso charakteristisch wurden wie die durchgestylten Videostars (Prince, Madonna, Michael Jackson). Mit Billy Bragg (* 1957), U2 sowie den spektakulären Aktionen von Band Aid, USA For Africa und Live Aid oder der politisch radikaleren Initiative United Artists Against Apartheid (»Sun City«, 1986) ist in den Achtzigerjahren auch das soziale und politisches Engagement ein Faktor in der Entwicklung des Rock geblieben (Charity-Rock). Insgesamt zeichnete sich jedoch eine Fragmentierung ab, die die einst zentrale Stellung von Rockmusik in einem vielstimmigen Gewirr sich überlagernder, einander ablösender, ineinander übergehender Spielweisen und Stilformen aus allen Bereichen der populären Musikformen aufhob. Es gibt kein musikalisch-ästhetisches Zentrum mehr, auf das sich die Entwicklungsprozesse der populären Musik beziehen ließen. Auch Rockmusik ist nichts anderes mehr als eine der Möglichkeiten des Musizierens in dem ständig komplexer werdenden Feld der populären Musik.
 
In Deutschland hat diese Musikpraxis in beiden deutschen Staaten, wenn auch unter jeweils unterschiedlichen, kaum vergleichbaren Bedingungen Entwicklungen ausgelöst, die keineswegs nur als Reflex auf die angloamerikanische Rockmusik angesehen werden können, selbst wenn in deren Imitation einmal der Ausgangspunkt lag. Symptomatisch dafür ist etwa die Tatsache, dass in der Bundesrepublik die namhaften Rockbands der ersten Stunde aus Bandwettbewerben hervorgegangen waren, die alle mehr oder weniger nach dem Motto des 1964 von der BRD-Tochter der amerikanischen United Artists organisierten Ausscheidung »Wer spielt so wie die Beatles?« liefen. Gewinner dieser Veranstaltung wurden die Lords, die neben den Rattles — 1962 in einem ähnlich gearteten Wettbewerb im Hamburger Star Club als Sieger gekürt — bis Ende der Sechzigerjahre als Vertreter der einheimischen Musikszene überhaupt eine nennenswerte Rolle spielten. Die meisten Bands kamen über eine lokale Stellvertreterfunktion, angloamerikanische Originale für den Livezusammenhang zu kopieren, nicht hinaus. Auch die Rattles und die Lords lagen mit ihren Produktionen derartig dicht bei den Titeln der frühen Beatles, dass beide als das Kuriosum, in Deutschland beheimatet zu sein und trotzdem wie die Beatles spielen zu können, vermarktet wurden und nicht etwa als authentische Form von Rockmusik. Ihr Erfolg hielt sich dann auch sehr Grenzen. Die Lords erreichten 1965 mit »Shakin' All Over« — ursprünglich ein Titel der britischen Gruppe Johnny Kidd & The Pirates aus dem Jahre 1960 — Platz 11 der damaligen Hitparade und brachten es mit »Glory Land« (1967) noch bis auf Platz 5. Die Rattles hatten ihren größten Erfolg mit »La La La« (1965), der ihnen einen 19. Platz bescherte. Obwohl beide in den Vorprogrammen internationaler Spitzenbands auftraten — die Rattles 1966 sogar für die Beatles während ihrer BRD-Tournee — und recht erfolgreich im Ausland gastierten, reichte es zu einem internationalen Erfolg nicht. Erst 1970 wurde eine der letzten Produktionen der Rattles, »The Witch« (1968) — eingespielt von einer Band, der kein einziger Musiker der ursprünglichen Besetzung mehr angehörte —, in den USA ausgegraben und dort so erfolgreich, dass sich diese Besetzung 1970 erneut zusammenfand, um eine aktualisierte Version dieses Titels einzuspielen, die dann in England tatsächlich zu einem Hit wurde. An der kommerziellen Reputation der bundesdeutschen Rockmusik änderte dieser nachträgliche Eintagserfolg damals freilich nichts.
 
Dass es dennoch eine deutsche Rockszene von beachtlicher Kreativität gab, auch wenn sich kaum jemand darum gekümmert hatte, wurde 1968 auf den von Rolf-Ulrich Kaiser (* 1943) organisierten 1. Internationalen Essener Song Tagen offenbar. Die Veranstaltung war ein Produkt der Studentenbewegung und als Bestandsaufnahme für politisch alternative Musikpraxis angelegt. Angesichts der damals von den USA ausgehenden Politisierung des Rock lag es nahe, neben den internationalen Repräsentanten politischer Rockmusik wie den amerikanischen Fugs und Frank Zappa's Mothers of Invention auch die einheimische Rockszene als Alternative zum herrschenden Kulturbetrieb zu präsentieren. Floh de Cologne, Tangerine Dream, Guru Guru und Amon Düül wurden hier erstmals einem größeren Publikum vorgestellt.
 
Rolf-Ulrich Kaiser kam auch in der weiteren Entwicklung eine Schlüsselrolle zu. Über seine 1970 gegründete Firma Ohr Musik Produktion und den ihr angeschlossenen Labels Ohr und Pilz veröffentlichte er die Erstlingsproduktionen von über dreißig Gruppen — neben Amon Düül, Guru Guru und Tangerine Dream insbesondere Birth Control, Annexus Quam, Embryo, Ash Ra Tempel, den Elektronik-Spezialisten Klaus Schulze (* 1947) und die Gruppe Bröselmaschine. Lediglich Kraftwerk, Can und die Nachfolge-Band von Amon Düül, Amon Düül II, fehlten in seinem Katalog.
 
»Zeitgeist«-Musik ist wohl die beste Umschreibung für das Stilprofil, das diese Bands repräsentierten und das auch im Ausland zum Markenzeichen bundesdeutscher Rockmusik wurde. Bedeutungsschwere Texte, weiträumige Klangfelder anstelle klar gegliederter Songstrukturen, komplexe elektronische Klangmanipulationen und vielfältige Anregungen aus der zeitgenössischen Avantgarde der E-Musik, aus Free Jazz und außereuropäischen Musikkulturen kennzeichneten dieses auf Selbstreflexion und Weltverständnis, auf ein Ausloten des »kosmischen Universums« ausgerichtete meditative Musikkonzept, das häufig zwar recht nahe an der Grenze zum schwülstigen Weltanschauungskitsch lag, dafür aber etwas völlig Eigenständiges darstellte. »Krautrock« war die ironische Bezeichnung in der englischsprachigen Musikpresse für diese ganz aus der Art geschlagene Rock-Version der BRD-Deutschen, womit auf ein Stereotyp zurückgegriffen wurde, das schon im Zweiten Weltkrieg bei Engländern und Amerikanern aufkam und im Sauerkraut ein Symbol des »typisch Deutschen« ausgemacht haben wollte.
 
Zusätzlich machten ab Mitte der Siebzigerjahre nun auch Bands auf sich aufmerksam, die in der Umsetzung angloamerikanischer Rockstile einen Professionalismus erreicht hatten, der sie neben ihren Vorbildern auch international bestehen ließ. Zu nennen sind hier insbesondere die Hard- und Heavy-Formationen (Hardrock) Karthago, Lake und die noch immer überaus erfolgreich aktiven Scorpions. Mit einem an Emerson, Lake & Palmer angelehnten Art-Rock-Konzept (Artrock) konnte sich insbesondere die Gruppe Triumvirat auch international recht erfolgreich behaupten. Eine große Rolle spielten schließlich auch die Bands aus dem Jazzrock-Lager (Jazzrock) wie etwa Kraan, Annexus Quam und Embryo. Mit Passport, einer Band um den Saxophonisten Klaus Doldinger (* 1936), Spektrum, einer von dem Gitarristen Volker Kriegel (* 1943) aufgebauten Formation, und der Gruppe Rhythm Combination & Brass, die von Peter Herbolzheimer (* 1935) geleitet wurde, gingen von hier aus wesentliche Impulse auf die einheimische Jazzszene aus (Jazz); nicht zuletzt profilierten sich in diesen Formationen eine Reihe der später stilbildenden Repräsentanten des BRD-Jazz.
 
Eher eine Randerscheinung blieb demgegenüber Rockmusik mit Texten in deutscher Sprache. Das erste deutschsprachige Rockalbum hatte 1970 die Nürnberger Gruppe Ihre Kinder veröffentlicht (LP »Leere Hände«). Die musikalisch dem Rhythm and Blues verpflichteten Songs waren gesellschaftspolitisch relevanten Themen gewidmet, was die Band in die Nähe des Politrock rückte, der lange Zeit als ein Synonym für deutschsprachige Rockmusik galt. Allerdings war Rockmusik in diesem Zusammenhang nicht mehr als ein Transportmittel für politische Texte, die der Agit-Prop-Tradition aus den Zwanzigerjahren verpflichtet gewesen waren. Floh de Cologne, Hotzenplotz, Franz K., Checkpoint Charlie, Ton Steine Scherben und Lokomotive Kreuzberg gehörten zu den typischen Vertretern dieser Richtung. Deutschsprachig produzierten auch einige Folkrock-Bands (Folkrock) wie Hölderlin oder Novalis. Doch sorgte die hier gepflegte romantische Innerlichkeit dafür — die Gruppennamen sind programmatisch —, dass der Kreis, der davon angesprochen wurde, sehr klein blieb. So war es Udo Lindenberg (* 1946) mit seinem Panik-Orchester vorbehalten, als Erster authentischen Rock in deutscher Sprache auf Platte zu bringen. Das Album »Alles klar auf der Andrea Doria« (1973) erreichte sofort nach Erscheinen die bis dahin höchste Chart-Notierung (Charts) für eine deutschsprachige Rockproduktion und widerlegte damit das damals noch weit verbreitete Vorurteil, dass deutschsprachige Texte der sinnlichen Unmittelbarkeit des Rock entgegenstünden. Lindenberg kam allerdings ein ausgeprägtes Gespür für Nuancen der Alltags- und Umgangssprache sehr zugute, erlaubte ihm das doch auch eine sprachlich adäquate Umsetzung der für die Rockkultur charakteristischen aufmüpfigen Grundhaltung. Er blieb zunächst die Ausnahme in der bundesdeutschen Rockmusik, obwohl er mit den Alben »Ball Pompös« (1974) und »Votan Wahnwitz« (1975) sowie seinen aufwendig inszenierten Rockshows (z. B. »Dröhnland Symphonie«, 1978) auch kommerziell immense Erfolge verzeichnen konnte.
 
Den internationalen Durchbruch für die bundesdeutsche Rockmusik vollbrachte 1974 die Electronic-Rock-Band (Electronic Rock) Kraftwerk mit ihren Album »Autobahn« — zwar ebenfalls deutschsprachig, aber den Textanteil auf ein Minimum reduziert. Sowohl die Single-Auskopplung des Titelsongs als auch das gesamte Album setzten sich weltweit durch und brachten BRD-Bands — neben Kraftwerk vor allem Triumvirat und Tangerine Dream, später Lake und Scorpions — erste ausgedehnte USA-Tourneen.
 
Es waren dann die vom britischen Punkrock 1976/77 ausgehenden Impulse, die auch in der Bundesrepublik deutschsprachiger Rockmusik Hochkonjunktur bescherten. Unzählige, wenn auch meist kurzlebige Punkbands erschienen nun auf den allerorts gegründeten Independent Labels (Indies). Zu Zentren dieser Entwicklung wurden Hamburg, etwa mit den Gruppen Coroders, Razors, Geisterfahrer und Palais Schaumburg, Düsseldorf, beispielsweise mit Male, Mittagspause, Krupps, Deutsch-Amerikanische Freundschaft (DAF) und Fehlfarben, Hannover, etwa mit Rotzkotz, Hans-A-Plast und Blitzkrieg, sowie Westberlin, mit Einstürzende Neubauten, Tödliche Dosis oder Din-A-Testbild. Auch Nina Hagen (* 1955) begann in dieser Zeit, nachdem sie im Umfeld der Biermann-Affäre 1977 die DDR verlassen hatte, von Westberlin aus eine Karriere, die sie zum internationalen Star werden ließ. Dieser enorme kreative Aufbruch hatte 1980/81 unter dem Schlagwort Neue Deutsche Welle bzw. Neue Deutsche Tanzmusik einen beispiellosen Vermarktungsfeldzug zur Folge, der in knapp drei Jahren die Szene nahezu völlig verschliss. Übrig blieb noch eine Zeit lang der unbekümmerte Teenager-Pop von Nena, einer Band um die Sängerin Gabriele Kerner (* 1960), während Gruppen wie DAF oder Einstürzende Neubauten es vorzogen, in Großbritannien unter insgesamt günstigeren Bedingungen zu produzieren. Lediglich im Westteil Berlins vermochte sich auch in der zweiten Hälfte der Achtzigerjahre eine kreative lokale Szene zu halten, von der aber nur noch selten — etwa mit Foyer des Arts oder Die Ärzte — etwas über den Lokalzusammenhang hinausgedrungen ist. Trotz des insgesamt wieder starken Übergewichts internationaler Produktionen konnten aber beispielsweise BAP, Münchner Freiheit und Purple Schulz, Rio Reiser (Ralph Möbius, 1950-1996), der aus dem Schlagerlager übergewechselte Peter Maffay (* 1949), Ina Deter (* 1947) sowie Klaus Lage (* 1950), Heinz Rudolf Kunze (* 1956) und Herbert Grönemeyer (* 1956) einen legitimen Platz im Musikgeschehen der Bundesrepublik mit Erfolg behaupten.
 
Auch in der DDR hat es eine durchaus eigenständige Entwicklung von Rockmusik gegeben. Allerdings ist hier diese Musik Gegenstand ständiger politischer Auseinandersetzungen gewesen, die nicht selten von massiven Repressionen begleitet waren. Dennoch ist eine kreative DDR-Rockszene mit profilierten Musikern und Bands sowie einer Reihe erfolgreicher Produktionen, die sich vereinzelt auch international behaupten konnten, entstanden. Der Umklammerung durch den allmächtigen Partei- und Staatsapparat vermochte sich zwar auch die Rockmusik nicht zu entziehen, dem politisch verordneten und mit allen Mitteln aufrechterhaltenen Einheitsbild von »der« staatsergebenen Jugend aber hat sie als kultureller Faktor massiv entgegengewirkt, bot sie doch sozio-kulturelle Räume und Identifikationsmöglichkeiten, die ihren jugendlichen Hörern die Ausbildung sozial differenzierter Wertsysteme und Lebensstile sowie eigener Subjektivitätsformen erlaubten. Zugleich hat die aufwendig betriebene Vereinnahmung dieser Musikpraxis ihre offenkundige politische Relevanz im Zusammenhang des DDR-Systems freigelegt und damit zur Artikulation des politischen Selbstverständnisses Jugendlicher auch gegen die Apparate förmlich herausgefordert. Freilich ist dieses Moment insgesamt sehr ambivalent geblieben, vollzog es sich doch einerseits in einem öffentlich nur selten nachvollziehbar gewordenen zähen, aber keineswegs gänzlich wirkungslosen Ringen um Textinhalte, worin die Gruppen und Musiker gleichsam stellvertretend für ihr Publikum agierten, andererseits über die schwer greifbare und also auch schwer angreifbare kulturelle Transformation in nonverbale symbolische Formen. Beides ist kaum von dem je aktuellen Kontext mit seiner oft bizarren Willkür der Apparate zu trennen und auch nur in diesem Zusammenhang verstehbar, hat aber die DDR-Rockmusik entscheidend geprägt.
 
So stand schon ihre Herausbildung ganz im Zeichen des 1965 auf dem 11. Plenum des Zentralkomitees der SED verhängten politischen Verdikts, nach dem diese Musik als »den Normen und Werten des Sozialismus feindlich« in scharfer Form verurteilt und somit einem de facto Verbot ausgesetzt worden war. Trotzdem ist vor allem mit der Gruppe TEAM 4 bzw. der Thomas-Natschinski-Gruppe um den Sänger und Komponisten Thomas Natschinski (* 1947) unmittelbar danach eine Entwicklung eingeleitet worden, die über ein engagiertes, durchaus auch kritisches Verhältnis zum Alltag in der DDR Rockmusik als ein kulturelles Ausdrucksmedium Jugendlicher in den spezifischen kunst- und kulturpolitischen Verhältnissen der DDR zu erschließen suchte. Das kritische Potenzial dieser Musik in eine Richtung zu lenken, die als konstruktive Auseinandersetzung mit der Gesellschaft in der DDR wirksam werden konnte, war die einzig verbliebene Möglichkeit, ihr innerhalb der gesetzten gesellschaftlichen Strukturen einen Freiraum zu schaffen. Allerdings galt es selbst begrifflich noch jeden Anschein zu vermeiden, dass das über die Rockmusik verhängte Verdikt etwa unterlaufen würde. So firmierte diese Musik in der DDR dann auch lange Zeit unter dem Begriffsungetüm »Jugendtanzmusik«. Obwohl es damit nun, durch viele Kompromisse gezeichnet, erste Medienproduktionen gab (Thomas-Natschinski-Gruppe«, LP »Die Straße«, 1968; LP »Geschichten«, 1970), hat das an den Repressalien gegen die überall im Lande entstandenen Amateurformationen nicht viel geändert. Erst als sich Anfang der Siebzigerjahre dann der Jugendverband dieser jugendpolitisch immer problematischer werdenden Situation annahm, erhielten die Bands unter seiner freilich alles andere als unproblematischen Schirmherrschaft eine gesellschaftliche Legitimation, die schließlich zur Herausbildung einer eigenständigen Rockszene auch in der DDR führte.
 
Unter der Losung »DDR konkret« kam es nun zu einer Entwicklung, die sich nicht nur inhaltlich, sondern auch musikalisch von den angloamerikanischen Rockstandards zu lösen begann, um einen eigenen Weg einzuschlagen. Gruppen wie die Puhdys mit ihrem »Geh dem Wind nicht aus dem Wege« (1972), Panta Rhei mit »Hier wie nebenan« (1973), electra mit »Tritt ein in den Dom« (1972), das Joco-Dev-Sextett mit »Stapellauf« (1972) und die Gruppe WIR mit »Soll das alles sein« (1972) sowie »Black Power« (1973) markieren diesen Weg. Als ein weiteres wesentliches Moment für die Herausbildung eigenständiger Grundlagen des Musizierens erwies sich die Benutzung einer metaphernreichen Poesie in den Texten, wie sie von den zumeist professionellen Lyrikern nicht nur in den zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern auch im Alltag, in der Reflexion des eigenen Selbst, im Anspruch auf die Subjektivität des einzelnen in ihrer verschiedengestaltigen Brechung durch Gesellschaft erkundet und sprachlich wie musikalisch sehr sensibel zu artikulieren versucht wurde. »Stell dich mitten in den Regen« (1972) der Gruppe Bayon, »Das kommt, weil deine Seele brennt« (1974) von electra oder »Nachts« (1972) von Panta Rhei waren dafür in jenen Jahren überaus populäre Beispiele.
 
Mit den durch den Jugendverband ab 1972 regelmäßig organisierten Werkstattwochen, die zum Forum der damals ca. fünftausend Amateurgruppen wurden, und den von den Medien als »Aktion Rhythmus« mit einer jährlichen öffentlichen Bilanzveranstaltung der 1970 initiierten Entwicklungsgruppen aus Produzenten, Autoren und populären Rockformationen hatte inzwischen eine staatlich organisierte, durchgeplante und aufwendig verwaltete Entwicklung eingesetzt, die in den folgenden Jahren in ein komplexes System von Förder- und Kontrollmaßnahmen mündete. Unter diesen Bedingungen wurde das international ausgebildete Reservoir an Spielweisen von Gruppen wie Panta Rhei, Bayon, Lift, den Puhdys, electra oder Stern-Combo-Meißen in ebenso eigenwillige wie unverwechselbare individuelle Musikauffassungen umgesetzt, die ab Mitte der Siebzigerjahre an Breite und Vielfältigkeit gewannen.
 
Die bis dahin gültigste Synthese all dessen, was unter dem Signum »DDR-Rock« entstanden war, hatte 1974 die Leipziger Klaus-Renft-Combo mit ihrer zweiten LP »Renft« vorgelegt; zugleich ein Zeugnis dafür, dass Rockmusik in der DDR bei aller Widersprüchlichkeit ihrer Entwicklung von ihrem jugendlichen Publikum angenommen und als ein Mittel verstanden war, sich auch politisch in die Entwicklung der DDR-Gesellschaft einzubringen. Damit aber war der Punkt erreicht, an dem der Apparat das durch Rockmusik möglich gewordene politische Engagement Jugendlicher deutlich in die Grenzen wies und seine abwartend-liberale Haltung aufgab. Zwar hatte es auch zuvor über allzu kritische Songs, die die herrschende Ideologie zu unterlaufen schienen, immer wieder heftige Auseinandersetzungen gegeben. Aber die erfolgten noch offen, nicht selten sogar öffentlich, und waren innerhalb des gesetzten politisch-ideologischen Rahmens als eine Art kollektiver Verständigungsprozess angelegt. 1975 begann unter dem massiven Druck der Parteiführung eine kampagnenartige Zuspitzung solcher Auseinandersetzungen, die vor allem den populärsten Bands — nicht selten unter konstruierten Anschuldigungen wie untergeschobenen oder bewusst fehlinterpretierten öffentlichen Äußerungen — permanente Vorladungen zu Behörden einbrachte und immer häufiger in Auftrittsverboten, vielfach zeitlich und territorial begrenzt, mündeten. Ein generelles und unbegrenztes Auftrittsverbot traf als Erste 1976 die Klaus-Renft-Combo. Eine nicht mehr abreißende Kette der populärsten Bands und Musiker — von Veronika Fischer (* 1951), Nina Hagen (* 1955) und Ute Freudenberg (* 1956) über Franz Bartzsch (* 1947) und Holger Biege (* 1952) bis hin zu Hansi Biebl (* 1954) und Peter »Ceasar« Gläser (* 1950), entzog sich den Repressalien durch Ausreise aus der DDR und Übersiedelung in die Bundesrepublik. Diejenigen, die weitermachten, versuchten auf dem immer schmaler werdenden Grat zwischen vollständiger Vereinnahmung und offenem Widerstand den Jugendlichen in der DDR Identifikationsfelder zu schaffen, indem sie ihr jeweiliges künstlerisches Profil zu hoher Professionalität ausbauten, um zumindest die musikalischen Wirkungsmöglichkeiten des Rock zur Entfaltung zu bringen. Das reichte von dem melodiebetonten Sound der Puhdys und ihrer dafür wohl überzeugendsten elften LP »Computer-Karriere« (1983) oder der Gruppe Karat und ihrem Album »Der blaue Planet« (1982) über den Lyrismus von Lift, ihrer LP »Spiegelbild« (1981), der philosophisch reflektierend angelegten LP »Reise zum Mittelpunkt des Menschen« (1981) von Stern Meißen, den bluesorientierten Rockkonzepten mit Jürgen Kerths (* 1948) LP »Gloriosa« (1982) und Engerlings LP »Tagtraum« (1981), den Elektronik-Experimenten Reinhard Lakomys (* 1946) auf seiner LP »Das geheime Leben« (1982) bis zum explosiven Alltagsrealismus von Citys LP »Unter der Haut« (1983), NO55 »Kopf oder Zahl« (1984) oder Pankows »Kille Kille« (1983), dem sozialen Engagement von Karussells »Entweder-oder« (1980) und dem inhaltlich und musikalisch hochverdichteten Rockkonzept von Sillys LP »Mont Klamott« (1983). Damit sind Eckpunkte herausgegriffen, die das Spektrum umreißen, in dem sich die DDR-Rockmusik bewegte.
 
Neue Impulse gingen Anfang der Achtzigerjahre insbesondere von den Livespektakeln der Gruppe Pankow aus. Die theatralisch realisierten Rock-Shows »Ein Tag im Leben des Paule Panke« (1982) und »Hans im Glück« (1984) haben mit ihrem aggressiven kritischen Realismus wie auch mit der Integration von Elementen der New Wave in die musikalische Gestaltung noch einmal eine Entwicklung ausgelöst, die dann vor allem bei einer neuen Generation von Musikern und unzähligen jungen Bands, die um die Mitte der Achtzigerjahre entstanden waren, zum Tragen kam. Um die verschiedenen Spielarten von New Wave, Punk und Postpunk kristallisierte sich in der zweiten Hälfte der Achtzigerjahre erneut eine rockmusikalische Basiskultur heraus, in die die sich rasch verbreiternde Heavy-Metal-Szene ebenso eingelagert war wie die Adaptionen von Rap und Hip-Hop. Mit dieser Entwicklung brach der Konflikt zwischen politischer Vereinnahmung und kultureller Opposition, in dem sich die DDR-Rockmusik von Anbeginn an bewegt hatte, offen auf und führte zu einer deutlichen Polarisierung der Szene selbst. Zwar sind beispielsweise mit Sillys »Bataillon D'Amour« (1986) sowie Citys »Casablanca« (1987) auch in der bisherigen Entwicklungslinie des DDR-Rock Platten erschienen, die eine deutliche Stellungnahme zu der immer widersprüchlicher werdenden gesellschaftlichen Entwicklung darstellten. Aber deren Wirkung musste weitgehend ins Leere gehen, waren in den rockmusikalischen Basiszusammenhängen, frei von allen Rücksichten auf politische Empfindlichkeiten in den staatlichen Produktions- und Verbreitungsmedien, doch längst ganz andere Töne zu hören. Bands wie die anderen, die Skeptiker, Keimzeit, Sandow oder Mixed Pickles verweigerten sich wie viele andere ihrer Generation der kulturpolitischen Diplomatie. Ein drastischer Popularitätsverfall und damit eine weitgehende Neutralisierung dieses kulturellen Mediums Jugendlicher war das unausweichliche Ergebnis. Die Szene zerrieb sich in der Polarisierung von »alternativ« und »etabliert«, das Publikum nahm mangels Glaubwürdigkeit das eine und mangels medialer Präsenz das andere nur noch sehr eingeschränkt zur Kenntnis. Die DDR-Jugend hatte sich zu diesem Zeitpunkt weitgehend ohnehin längst aus der DDR verabschiedet, auch wenn es noch bis zum Sommer 1989 dauerte, dass aus diesem Abschied Wirklichkeit wurde.
 
Anzufügen bleibt, dass die Vertreter der DDR-Rockmusik die Ersten waren, die sich im September 1989 angesichts der unhaltbar gewordenen Zustände in der DDR mit einer Resolution an die Öffentlichkeit wandten und vehement für Veränderungen eintraten. Es sollte der Schlusspunkt einer Entwicklung sein, die von den stalinistischen Machtstrukturen des Apparates ebenso gezeichnet war, wie sie ein Stück Widerstand dagegen wach hielt.

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Rọck|mu|sik, die: gewöhnlich von kleinen Bands auf elektrisch verstärkten Instrumenten gespielte Musik eines der Stile, die sich aus dem Rhythm and Blues, dem Rock and Roll u. dem Blues entwickelt haben: Thomas war versessen auf progressive R. (Rolf Schneider, November 101).

Universal-Lexikon. 2012.