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Venus
Liebesgöttin; Aphrodite (griechisch); Morgenstern; Abendstern

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1Ve|nus (röm. Mythol.):
Liebesgöttin.
2Ve|nus , die; Venus':
(von der Sonne aus gerechnet) zweiter Planet unseres Sonnensystems.

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I
Venus
 
[v-; nach der gleichnamigen römischen Göttin], Astronomie: Zeichen ♀, der nach Merkur sonnennächste Planet. Die Venus bewegt sich mit einer mittleren Geschwindigkeit von 35,02 km/s auf einer nahezu kreisförmigen Bahn rechtläufig um die Sonne, auf der sie der Erde von allen Planeten am nächsten kommt; ihre Entfernung von der Erde variiert zwischen 41 und 257 Mio. km, der scheinbare Durchmesser der Venus entsprechend zwischen 60'' und 10''. Die Venus zeigt einen ausgeprägten Phasenwechsel (Phase): In Erdferne erscheint sie als voll beleuchtete kleine Scheibe. Je näher sie der Erde kommt, umso mehr nimmt die Scheibengröße zu, der sichtbare beleuchtete Teil jedoch ab. Die größte scheinbare visuelle Helligkeit von maximal —4m,1 wird daher etwa 35 Tage vor beziehungsweise nach der unteren Konjunktion (Konstellation) erreicht. Der Phasenwechsel der Venus wurde von N. Kopernikus als ein möglicher Beweis seiner Lehre vorhergesagt, konnte aber, da er nur mit technischen Hilfsmitteln (Fernrohr) beobachtbar ist, erst durch G. Galilei bestätigt werden. Die Venus ist nach Sonne und Mond das weitaus hellste Gestirn am Himmel. Als innerer Planet pendelt sie mit einer Periode von 583,9 Tagen um die Sonne, erreicht aber nur einen Winkelabstand von etwa 47º von ihr (größte östliche beziehungsweise westliche Elongation). Die Venus kann bereits in der hellen Dämmerung als Morgen- beziehungsweise Abendstern, bei günstiger Stellung sogar am Tageshimmel mit bloßem Auge gesehen werden. Befindet sie sich bei unterer Konjunktion genau in der Sichtlinie Erde-Sonne, kommt es zu einem Venusdurchgang, bei dem sie als dunkler Fleck während einiger Stunden auf die Sonnenscheibe projiziert erscheint. Venusdurchgänge erfolgen paarweise mit einem Abstand von acht Jahren im Mittel alle 120 Jahre; die beiden nächsten werden am 8. 6. 2004 und am 6. 6. 2012 stattfinden; die letzten waren 1874 und 1882.
 
Die Venus hat eine Atmosphäre mit einer geschlossenen undurchsichtigen Wolkendecke (Albedo 0,76). Sie besteht zu 96 Volumenprozent aus Kohlendioxid, zu 3,5 % aus Stickstoff, der Rest wird von Wassermolekülen und Schwefeldioxid gebildet; Argon, Neon, Kohlenmonoxid, Chlor- und Fluorwasserstoff sind nur in Spuren vorhanden. Die Dichte an der Venusoberfläche ist etwa 40-mal höher als die der irdischen Atmosphäre an der Erdoberfläche, der Druck etwa 90-mal. Die Oberflächentemperatur beträgt im Mittel 470 ºC und liegt über der Schmelztemperatur von Blei und Zinn; der Boden ist dunkelrot glühend. Die Erwärmung des Planeten ist sehr gleichmäßig, es wurden keine tageszeitlichen Temperaturschwankungen beobachtet. Klimazonen wie auf der Erde existieren nicht. Die hohe Oberflächentemperatur geht auf einen durch den hohen Kohlendioxidgehalt verursachten Glashauseffekt zurück. - Zwischen etwa 47 und 70 km Höhe befinden sich drei unterschiedlich dichte Wolkenschichten, über denen bis in etwa 90 km Höhe noch einige dünne Dunstschichten liegen. Die Teilchen der Hauptwolkenschichten sind chemisch sehr heterogen und bestehen zu etwa 75 % aus Schwefelsäuretröpfchen (Größe zwischen etwa 0,5 und 2 mm). In geringeren Höhen sind vermutlich auch Tropfen elementaren Schwefels und Schwefelkristalle beigemischt. Die Windgeschwindigkeiten liegen in Bodennähe unter 1 m/s und erreichen in den obersten Wolkenschichten etwa 100 m/s. Die Winde wehen in Rotationsrichtung; die hohen Atmosphärenschichten haben daher eine viel geringere Rotationsperiode (etwa 4 Tage) als der Venuskörper. Das atmosphärische Kohlendioxid sowie Schwefeldioxid, Stickstoff und Wasserdampf wurden bei der Entgasung magmatischer Schmelzen freigesetzt. Letzterer konnte (im Gegensatz zu den Vorgängen auf der Erde) nicht kondensieren, sodass das Kohlendioxid nicht gelöst und zu Gesteinsmaterial gebunden werden konnte; es verblieb in der Atmosphäre und bewirkt den Treibhauseffekt der Venus.
 
Wegen der geschlossenen Wolkendecke ist die Venusoberfläche nicht direkt beobachtbar, sie ist aber mittels Radartechnik von venusumkreisenden Raumsonden aus gut untersucht. Da keine Ozeane existieren, werden Höhenangaben auf eine Kugel mit 6 051,8 km Radius bezogen. Etwa 80 % der Venusoberfläche sind relativ flache Ebenen, rd. 5 % liegen wesentlich unter, rd. 15 % wesentlich über dem Nullniveau. Die tektonisch verformten Hochländer erheben sich zum Teil bis zu 11 km Höhe. Zwei von ihnen, Ishtar Terra und Aphrodite Terra, sind in ihrer Größe irdischen Kontinenten vergleichbar. Eine Plattentektonik fehlt völlig, es existieren aber Gebirgszüge wie die Maxwell Montes (nach J. C. Maxwell) und die Freyja Montes mit Höhen bis zu 10 km. Auf der Venusoberfläche wurden rd. 900 Einschlagkrater mit einem Durchmesser zwischen einigen wenigen und etwa 200 km gefunden. Ihre Zahl ist wesentlich geringer als auf dem Merkur oder dem Mond, was wahrscheinlich auf den früher vorhandenen Vulkanismus zurückgeht. In der Umgebung der Landeplätze der Venerasonden wurde magmatischer Felsengestein gefunden, das zum Teil von feinem Verwitterungsschutt und plattenförmigen Gesteinsbrocken bedeckt ist. Die Verwitterung dürfte v. a. auf chemische Prozesse zurückgehen. Es existieren auch windgeschaffene Strukturen wie Dünenfelder.
 
Die Venus hat ein sehr schwaches Magnetfeld mit nur etwa 4 · 10-9 bis 1 · 10-8 Tesla an der Oberfläche (rd. 1/10 000 der Feldstärke an der Erdoberfläche). Der Sonnenwind kann daher die Venusmagnetosphäre auf der sonnezugewandten Seite stark zusammenpressen, die Magnetosphärengrenze liegt im Mittel nur etwa 2 000 km über der Venusoberfläche. Auf der sonneabgewandten Seite erstreckt sich die Magnetosphäre weiter als etwa 7 Venusradien in den Raum.
 
Der innere Aufbau der Venus dürfte ähnlich dem der Erde sein, wie man aufgrund ihrer Masse und Dichte sowie aufgrund kosmogon. Überlegungen vermutet. Im Allgemeinen nimmt man einen rd. 20 % der Gesamtmasse enthaltenden eisenreichen Kern an, umgeben von einem aus Silicatmineralen bestehenden Mantel. Die Kruste, deren Dicke unbekannt ist, besteht wahrscheinlich aus Silicaten geringer Dichte. - Die Venus hat keinen natürlichen Satelliten.
 
Erforschung durch Raumsonden: Wegen der extremen Bedingungen, denen Sonden in der Venusatmosphäre ausgesetzt sind, können sie von dort meist nur während weniger Stunden Daten zur Erde übermitteln. Am längsten lieferte der amerikanische Venussatellit Pioneer Venus 1 (Pioneer) aus der Umlaufbahn Messwerte über die Venus (vom Dezember 1978 bis zum Verglühen im Oktober 1992). Je nach Aufgabenstellung und Flugbahn unterscheidet man Vorbeiflugsonden, Eintrittssonden, die in der dichten Venusatmosphäre am Fallschirm niedergehen und dabei zum Teil Ballonsonden aussetzen, sowie Lander (Landekapseln, Landeeinheiten), die auf dem Venusboden aufsetzen; Venussatelliten (Venusorbiter) kreisen in Umlaufbahnen um den Planeten. - Die sowjetischen Eintrittssonden aus der Reihe Venera (russisch »Venus«) lieferten die ersten Messwerte aus der Atmosphäre sowie mithilfe auf dem Venusboden abgesetzter Landeeinheiten die ersten Bilder der Venusoberfläche. Die Muttersonden wurden dazu genutzt, die Signale der Lander zur Erde weiterzuleiten oder als Venussatelliten z. B. Atmosphäre und Wolkenhülle des Planeten aus Umlaufbahnen zu erkunden (erstmals Venera 9 und 10). Anstelle der Lander trugen 1983/84 die Venussatelliten Venera 15 und 16 je eine Radarantenne und kartographierten zwei Drittel der Nordhemisphäre. Mithilfe der Radartechnik hatte erstmals die amerikanische Sonde Pioneer-Venus 1 1979-82 rd. 93 % der Oberfläche erfasst. Weitere Venusmissionen waren Sond 1, Mariner 2, 5 und 10, Pioneer-Venus 2, Wega, Magellan und Galileo.
 
II
Venus
 
[v-; lateinisch »Anmut«, »Liebreiz«], lateinisch Vẹnus, altitalische Göttin des Gartenbaus, deren Kult früh in der latinischen Stadt Ardea (heute zu Pomezia, südlich von Rom) und in Lavinium belegt ist. Sie wurde wohl schon früh mit der griechischen Aphrodite gleichgesetzt. Die Verknüpfung der römischen Gründungssage mit dem Schicksal des Trojaners Äneas ließ dessen göttliche Mutter Venus zur römischen »Nationalgöttin« werden. Am 1. April feierte man ihr zu Ehren das Fest der Veneralia. Caesar führte den Kult der Venus Genetrix als der Stammmutter des julischen Hauses ein.
 
Aus der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. stammt ein wohl in Praeneste (Palestrina) gravierter Spiegel, auf dem laut altlateinischen Inschrift Venus und Adonis dargestellt sind, ein auch bei den Etruskern sehr beliebtes Motiv. Diese Venus entspricht offenbar der Aphrodite von Eryx (heute Erice, Sizilien), die in dem alten Heiligtum der phönikischen Astarte verehrt wurde. Ihren ersten Tempel in Rom erhielt Venus 295 v. Chr. und 217-215 den zweiten (auf dem Kapitol). Tempelprostitution wurde beim dritten römischen Venustempel von 184-181 (vor der Porta Collina) eingeführt, der in der Kaiserzeit in die »Gärten des Sallust« einbezogen wurde; dort standen berühmte griechische Bildwerke des 5. Jahrhunderts v. Chr. (gefunden wurden u. a. ein kolossaler Kopf der Aphrodite und der Ludovisische Thron). Den prachtvollsten Tempel erhielt Venus in Rom zusammen mit Roma 135 n. Chr. auf der Velia (Ruine am Forum Romanum). Möglicherweise wurde Venus als Mutter des Äneas schon im 6. Jahrhundert v. Chr. in Lavinium verehrt (im 4. Jahrhundert v. Chr. wird sie dort als Göttin des Abendsterns Vesperna genannt). Dort war sie wohl auch eine Heil- und Reinigungsgöttin (Funde von Uteri aus Terrakotta, 4. und 3. Jahrhundert v. Chr.), und zwar als Göttin des Schwefels (Schwefelquellen), die auch sonst belegt ist (Venus Mefitis). Die sehr zahlreichen kleinen römischen bronzenen Bildwerke stammen erst aus späterer Zeit und sind hellenistischen Vorbildern verpflichtet, die Statuetten wurden anscheinend gerne in Hausheiligtümern aufgestellt. Nicht erhalten sind die literarisch erwähnten Marmorstatuen der Venus in Rom. Die »Venus von Milo« ist eine hellenistische Darstellung (Aphrodite von Melos).
 
Seit der Renaissance war Venus als Bildthema Anlass zur Darstellung von schönen Frauenakten. Berühmt sind die »Ruhende Venus« von Giorgione (um 1508; Dresden, Staatliche Kunstsammlungen), die »Venus von Urbino« von Tizian (um 1538; Florenz, Uffizien), die »Geburt der Venus« von S. Botticelli (zwischen 1482 und 1486; Uffizien) und die Darstellungen der stehenden Venus von L. Cranach dem Älteren Venus erscheint auch in mythologischen Szenen: »Vulkan überrascht Venus und Mars« von Tintoretto (um 1555; München, Alte Pinakothek).
 
Literatur:
 
G. Radke: Die Götter Altitaliens (21979);
 R. Schilling: La religion romaine de Vénus (Paris 21982);
 E. Simon: Die Götter der Römer (1990).
 
III
Venus,
 
die römische Liebesgöttin (Aphrodite).
 

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1Ve|nus (röm. Myth.): Liebesgöttin.
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2Ve|nus, die; Venus': (von der Sonne aus gerechnet) zweiter Planet unseres Sonnensystems: In der hereinbrechenden Abenddämmerung leuchtet als erstes Gestirn die V. auf. Sie spielt zurzeit ihre Rolle als Abendstern. V. ist der innere Nachbarplanet der Erde (FR 29. 4. 99, 34).

Universal-Lexikon. 2012.