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Mitteleuropa
Mịt|tel|eu|ro|pa; -s:
mittlerer Teil Europas.

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Mịttel|europa,
 
der zentrale Teil Europas. Die Abgrenzung fällt durch die verschiedenen Ansätze (physisch-geographisch, historisch-politisch, kulturlandschaftlich) unterschiedlich und nicht immer in Übereinstimmung mit dem Selbstverständnis der betroffenen Staaten aus. Zu Mitteleuropa werden im Allgemeinen Deutschland, die Schweiz, Österreich, Polen, die Tschechische Republik, die Slowakische Republik, Slowenien, Kroatien und Ungarn gerechnet.
 
 Vorgeschichte
 
Für das erste Auftreten des Menschen in der Altsteinzeit zeugen die Skelettfunde von Mauer (Heidelbergmensch), Bilzingsleben und Vértesszőllős. Die Steinwerkzeuge dieser Homo-erectus-Gruppen zählte in den Formenkreis des Clactonien. Der Steinheimmensch gehörte zu den Trägern des Acheuléen, das in der Holstein-Warmzeit in Mitteleuropa einen günstigen Lebensraum fand. In der darauf folgenden Riß-Kaltzeit war der Raum vom norden Inlandeis und den Alpengletschern so eingeengt, dass er dem Menschen nur als jahreszeitlich gebundenes Schweifgebiet dienen konnte. Möglicherweise gehören die Funde von Salzgitter-Lebenstedt bereits in die Endphase dieser Kaltzeit. In der letzten Zwischeneiszeit (Eem-Warmzeit) lebten Gruppen des Präneandertalers in Mitteleuropa unter günstigen Klimabedingungen. Fundstätten von Menschen- und Kulturresten liegen in Weimar (Ehringsdorf) und bei Gánovce (Nord-Slowakei). Besonders aufschlussreiche Fundstätten des Mittelpaläolithikums mit reichhaltiger Fauna und Flora befinden sich am Ufer des ehemaligen Ascherslebener Sees (Königsaue).
 
Das in der frühen Würm-Kaltzeit auftretende Moustérien war in Mitteleuropa eine Kultur des Neandertalers. Fundstätten mit menschlichen Skelettresten sind besonders die Šipkahöhle beim Štramberk und die Schwedenstuhlhöhle bei Ochoz (beide in Mähren). Mousteroide Blattspitzen bilden als Leitformen der Altmühlgruppe und der ungarischen Szeletakultur (Szeletien) den Übergang zum Jungpaläolithikum.
 
Während einer Klimabesserung der Würm-Kaltzeit (um 30 000 v. Chr.) erschien der Cro-Magnon-Mensch in Mitteleuropa. Seine jungpaläolitischen Kulturen zeigen mit höher stehender Jagdtechnik und dorfartigen Siedlungen ein höheres Zivilisationsniveau, das mit dem Auftreten der Kunst eine neue Epoche der Menschheitsgeschichte einleitete (Willendorf, Dolní Věstonice, Pavlov, Vogelherdhöhle). In der letzten Glazialphase der Würm-Kaltzeit drang das Magdalénien nach Mitteleuropa vor. In Norddeutschland entfaltete sich zu gleicher Zeit die etwas anders geartete Hamburger Kultur. Den Ausklang der Altsteinzeit bilden im nördlichen Mitteleuropa die Stielspitzengruppen, die sich zeitlich mit den im südlichen Mitteleuropa seit etwa 9000 v. Chr. auftretenden Formengruppen der Mittelsteinzeit überschneiden.
 
Nach dem Rückgang der Würm-Vereisung breiteten sich in Süddeutschland und im deutschen Mittelgebirge mittelsteinzeitliche Gruppen aus dem Umkreis des Azilien und Tardenoisien aus, während die Norddeutsche Tiefebene, Dänemark und Nordwesteuropa von Gruppen der Maglemose- und Erteböllekultur eingenommen wurden.
 
Die älteste Jungsteinzeitkultur in Mitteleuropa ist die Bandkeramik. Vom Nordwest-Balkan aus hat sie sich im 5. Jahrtausend v. Chr. donauaufwärts und rheinabwärts bis zum Nordrand des Mittelgebirges, in die Niederlande und ins Pariser Becken ausgebreitet, wobei zunächst allein die fruchtbaren Lössebenen besiedelt wurden. Die Befestigung zahlreicher bandkeramischer Siedlungen besonders im Rheinland weist auf ein Schutzbedürfnis hin, das sich vielleicht gegen die jägerischen Mittelsteinzeitleute der Hügelländer richtete. Endlich scheinen beide Bevölkerungen miteinander verschmolzen zu sein, was zur Entstehung der stichbandkeramischen (Mitteldeutschland, Tschechische Republik) und Rössener Kultur (West- und Nordwestdeutschland) führte, die auch im Mittelgebirge und der Tiefebene nördlich der Lössgrenze verbreitet sind; die Viehzucht hatte wohl größere Bedeutung als früher, dadurch bestand eine größere Unabhängigkeit von guten Ackerböden.
 
Die Rössener Kultur scheint auf die Entwicklung der Trichterbecherkultur der Norddeutschen Tiefebene und Südskandinaviens eingewirkt zu haben, eine weit verbreitete Bauernkultur, die relativ bald unter den Einfluss der westeuropäischen Megalithkultur geriet; die norddeutschen Hünengräber, Sippenbestattungen dieser Kultur, zählen zu den eindrucksvollsten Zeugen der Vorzeit in Deutschland. In Westdeutschland bildete sich die Michelsberger Kultur. Im Jungneolithikum traten einerseits neue donauländische Einflüsse, andererseits fremdstämmige Menschengruppen (Schnurkeramik/Einzelgrabkultur und Glockenbecherkultur) auf, die die älteren Kulturgruppen überlagerten oder zum Erlöschen brachten.
 
In der frühen Bronzezeit bildeten sich in der Nähe der nordalpinen und mitteldeutschen Kupferlagerstätten neue Zentren (Straubinger Kultur und Aunjetitzkultur), von denen ausgehend die Kenntnis von Bronzegegenständen sich allmählich bis Norddeutschland ausbreitete und hier zur Entstehung des Norden Kreises der Bronzezeit führte, der auch Südskandinavien umfasste und seinen ungewöhnlichen Reichtum vermutlich dem Bernsteinhandel verdankt. Der Nordische Kreis entwickelte sich bis zur späten Bronzezeit kontinuierlich weiter; auch der Übergang zur Eisenzeit scheint keinen Bevölkerungswechsel mit sich gebracht zu haben. Demgegenüber lösten sich die beiden anderen Kulturen der Frühbronzezeit bald auf, und in der vollen Bronzezeit wurde das ganze südliche Mitteleuropa von Ostfrankreich bis Westungarn von der Hügelgräberkultur beherrscht. Zwischen ihrem und dem norden Kulturgebiet bildete sich zur gleichen Zeit ein zunächst nur schwach ausgeprägter Formenkreis, aus dem die Lausitzer Kultur hervorging. Für diese Zeit können bereits gewisse Formen politischer und religiöser Machtkonzentration angenommen werden. In der jüngeren Bronzezeit verbreitete sich von Ungarn aus die Urnenbestattung, die mit neuartigen Keramik- und Bronzetypen charakteristisch für die Urnenfelderkultur wurde. Ihre Ausbreitung führte zum Erlöschen der Hügelgräberkultur. Im Fundgut zeichnen sich deutlicher als zuvor Kontakte mit Italien und Griechenland ab.
 
Die ältere Eisenzeit stand im südlichen Mitteleuropa im Zeichen der Hallstattkultur, während im Norden die bronzezeitliche Kultur fortbestand und sich sogar nach Süden ausbreitete. In Südwestdeutschland und Ostfrankreich entstand eine eigene westliche Variante der Hallstattkultur. Während im Osten die Hallstattkultur mit dem illyrisch-venetischen Volkstum verbunden zu sein scheint, können als Träger der westlichen Hallstattkultur Kelten angenommen werden. Die Spätstufe der Lausitzer Kultur geriet zunehmend unter Hallstatteinfluss. Im Grenzgebiet zwischen Lausitzer Kultur und Nordischem Kreis bildeten sich (mit auffälligen Beziehungen zur italienischen Eisenzeit) die Hausurnen- und Gesichtsurnenkultur. In der späten Hallstattzeit vollzog sich im Norden Kreis der Übergang zur eisenzeitlichen Kultur (Jastorfkultur) und eine Aufspaltung in Gebiete mit eigener Kulturentwicklung.
 
Die jüngere Eisenzeit stand im Südgebiet im Zeichen der keltischen La-Tène-Kultur, die auf der Grundlage der westlichen Hallstattkultur entstand und durch händlerische und kriegerische Kontakte mit der Mittelmeerzivilisation zu beachtlicher Kulturhöhe erblühte. Sie dehnte sich über weite Teile Europas aus; der germanische Norden geriet in eine gewisse kulturelle Abhängigkeit von der keltischen Welt (Dejbjerg, Gundestrup). Während der jüngeren La-Tène-Zeit drangen Germanen nach Süden ins keltische Gebiet ein, und wenig später führte die römische Eroberung zum Ende der keltischen Unabhängigkeit und Kultur. In der Folge herrschten im größeren Teil von Mitteleuropa die Germanen, in der westlichen Randzone die Römer.
 
Zur Geographie und Geschichte Europa sowie Artikel zu den einzelnen europäischen Staaten.

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Mịt|tel|eu|ro|pa; -s: mittlerer Teil Europas.

Universal-Lexikon. 2012.