Goerdeler
['gœ-], Carl Friedrich, Politiker, * Schneidemühl 31. 7. 1884, ✝ (hingerichtet) Berlin-Plötzensee 2. 2. 1945; Jurist; 1920-30 zweiter Bürgermeister im preußischen Königsberg, 1930-37 Oberbürgermeister von Leipzig, 1931-32 und 1934-35 (Rücktritt) Reichskommissar für Preisüberwachung. Goerdeler war als national gesinnter Konservativer (Mitglied der DNVP) gegenüber der Weimarer Republik kritisch eingestellt. Er vertrat wirtschaftsliberale Grundauffassungen unter Betonung des Leistungsgedankens der Eliten in Staat und Gesellschaft.
Nach anfänglicher Mitarbeit im NS-Staat (u. a. bei der Umgestaltung der deutschen Gemeindeordnung, 1935) geriet Goerdeler angesichts der Beseitigung des Rechtsstaates sowie der nationalsozialistischen Rassen- und Kirchenpolitik immer stärker in Opposition zur Diktatur A. Hitlers und seiner Partei. Trotz Wiederwahl (1936) trat er zurück und schied offiziell am 31. 3. 1937 aus dem Amt des Oberbürgermeisters von Leipzig aus, nachdem im November 1936 während seiner Abwesenheit auf Veranlassung der NSDAP das Denkmal F. Mendelssohn Bartholdys entfernt worden war. In wachsender Distanz zum NS-Staat suchte er mit Berichten über seine Reisen als Berater des Bosch-Konzerns (ab 1937) Hitler (über H. Göring) vom Kurs expansionistischer Risikopolitik zurückzuhalten; bei den Reisen warb er auch für seine Ziele. In Deutschland selbst knüpfte er seit 1938 enge Kontakte zu General L. Beck sowie Botschafter a. D. Ulrich von Hassell und wurde zum Mittelpunkt des zivilen (nationalkonservativen) Widerstandes.
Nach Kriegsbeginn 1939, spätestens jedoch Ende 1941 kam Goerdeler zur Erkenntnis, dass nur eine Verhaftung Hitlers - ein Attentat auf ihn lehnte er ab - eine nationale Katastrophe verhindern könne. In verschiedenen Denkschriften entwickelte er Vorstellungen über die Neuordnung Deutschlands (Wiederherstellung und institutionelle Sicherung des Rechtsstaates; präsidiale, »autoritäre« Staatsform mit parlamentarischen Einrichtungen sowie starker kommunaler Selbstverwaltung) und dessen Außenpolitik (Bewahrung der seit 1938 bestehenden Führungsrolle des Deutschen Reiches, unter Aufrechterhaltung der Annexion Österreichs, der Sudetengebiete und des 1939 einverleibten polnischen Korridors).
Der Versuch Goerdelers, den Kreis der sich der Widerstandsgruppe anschließenden Militärs um einige angesehene Feldmarschälle (E. von Manstein, G. von Kluge) zu erweitern, scheiterte. Obwohl als Reichskanzler für eine Regierung nach dem Sturz Hitlers vorgesehen, geriet er gegenüber den zum Attentat auf Hitler entschlossenen Kräften der Widerstandsbewegung an den Rand des Geschehens (ab 18. 7. 1944 auf der Flucht vor der Gestapo).
Nach dem Scheitern des Attentats auf Hitler am 20. 7. 1944 wurde Goerdeler am 12. 8. 1944 aufgrund einer Denunziation in Westpreußen verhaftet und am 8. 9. 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt.
G. Ritter: C. G. u. die dt. Widerstandsbewegung (Neuausg. 41984);
M. Meyer-Krahmer: C. G. u. sein Weg in den Widerstand. Eine Reise in die Welt meines Vaters (1989).
Universal-Lexikon. 2012.