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Kraftfahrzeugindustrie
Kraftfahrzeug|industrie,
 
Automobilindustrie, Wirtschaftszweig, der die Herstellung von Kraftfahrzeugen (Kfz), Anhängern, Aufbauten und Containern sowie von Kfz-Teilen und -zubehör umfasst. Merkmale der Branche Kraftfahrzeugindustrie: 1) Um den Effekt der Kostendegression zu nutzen, werden große Stückzahlen produziert (Großserienproduktion). Mit zunehmendem Einsatz von flexiblen Fertigungsmethoden und -techniken sind auch geringere Stückzahlen wirtschaftlich zu fertigen. 2) Umfang und technisches Niveau der Produktionsanlagen sind hoch und erfordern einen hohen Kapitaleinsatz, d. h., es müssen umfangreiche Investitionen getätigt werden. 3) Von anhaltender Bedeutung sind Mechanisierung und Automatisierung, die bereits im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts mit der Einführung der Fließbandfertigung durch H. Ford begannen und heute durch den Einsatz von Industrierobotern und flexiblen Fertigungssystemen fortentwickelt werden. In den letzten beiden Jahrzehnten wurde auch der Forschungs- und Entwicklungsprozess für ein neues Kfz-Modell durch konsequente EDV-Anwendung (z. B. CAD, CAE) rationalisiert und damit beschleunigt, ebenso die Logistik mit dem Ergebnis geringerer Lagerhaltungskosten und kürzerer Zulieferfristen für Einzelteile (Just-in-time-Fertigung). 4) Die Kraftfahrzeugindustrie hat in den letzten zehn Jahren ihre Anstrengungen zur Verringerung des Ressourcenverzehrs in Fertigung und Nutzung des Automobils verstärkt. So wurden die Schadstoffemissionen der Kfz erheblich reduziert und der spezifische Kraftstoffverbrauch verringert. 5) Der Grad der Unternehmenskonzentration ist hoch, mit der Folge einer oligopolistischen Marktstruktur. 6) Das wichtigste Produkt, der Kraftwagen, besitzt einen im Vergleich mit anderen Erzeugnissen außerordentlich hohen gesellschaftlichen Stellenwert. 7) Die Verflechtung der Kraftfahrzeugindustrie mit anderen Industriezweigen sowie die mit der Nutzung von Kfz im Zusammenhang stehenden wirtschaftlichen Aktivitäten verleihen der Kraftfahrzeugindustrie eine Bedeutung, die größer ist, als ihre Wertschöpfung vermuten lässt. Nach Schätzungen des Verbandes der Automobilindustrie e. V. (VDA), Frankfurt am Main, stammen rd. ein Viertel aller Steuereinnahmen aus Kfz-Produktion, -Handel und -Nutzung; jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland hängt mit der Herstellung und Nutzung von Kraftwagen zusammen. 8) Export und Import von Kfz sind hoch, wie auch die Internationalisierung der Fertigung (die Kfz-Konzerne, aber auch Hersteller von Kfz-Teilen, verfügen über zahlreiche ausländische Tochtergesellschaften; ein Drittel der deutschen Kfz-Produktion wurde in ausländischen Produktionsstätten hergestellt) und Kooperation zwischen verschiedenen Kfz-Konzernen eine wachsende Bedeutung gewonnen haben. Die führenden Automobilhersteller verfolgen nicht nur im Absatz, sondern auch bei Fertigung und Beschaffung eine globale Strategie.
 
Die weltweite Kfz-Produktion stieg zwischen 1950 und 1999 von 10,6 Mio. auf 56 Mio. Kfz. Neben die Ursprungsländer der Kfz-Produktion trat im Lauf der 60er- und 70er-Jahre Japan als bedeutender Konkurrent. 1991 erreichte der Anteil der japanischen Kfz-Produktion an der gesamten Automobilproduktion 29,5 %. In den letzten eineinhalb Jahrzehnten kamen weitere Herstellerländer hinzu. Inzwischen wird bereits mehr als ein Fünftel der Automobilproduktion außerhalb der »Triade« (Westeuropa, USA, Japan) hergestellt. Mit einer Produktion von 13 Mio. Kfz stehen die USA wieder an der Spitze der Herstellerländer vor Japan mit 9,9 und Deutschland mit 9,2 Mio. Seit 1991 gehen in Japan im Gefolge des hohen Yenkurses und des Aufbaus zahlreicher Fertigungsstätten außerhalb des Landes Produktion und Beschäftigung in der Kraftfahrzeugindustrie zurück. Das Vordringen der japanischen Konkurrenz hat Anfang der 90er-Jahre die Automobilhersteller in Westeuropa und den USA zu Produktivitätssteigerungen und Kostensenkungen gezwungen. Die neuen Formen der Arbeitsorganisation und der Zusammenarbeit zwischen Kfz-Herstellern und -Zulieferern führten zu einem erheblichen Abbau von Arbeitsplätzen.
 
Zahlreiche Schwellenländer betrachten die Kraftfahrzeugindustrie als eine zur Beschleunigung des Entwicklungsprozesses geeignete Industrie und drängen auf eine schnelle Erhöhung des lokalen Fertigungsanteils (englisch local content). Die jährliche Kfz-Produktion Süd-Koreas erreicht 2,8 Mio. Auch China mit 1,6, Brasilien mit 1,3 und Indien mit 0,9 Mio. Kfz. weisen ein nennenswertes Produktionsvolumen auf. In Osteuropa wuchs die Zahl der Investitions- und Kooperationsprojekte westlicher Kfz-Hersteller, so in der Tschechischen Republik (VW), Polen (General Motors, Mercedes-Benz) und Ungarn (General Motors). In den neuen Bundesländern kamen die alten Produktionen (Ausnahme: Multicar) bald nach der deutschen Einheit zum Erliegen; doch nahmen Mercedes-Benz (Ludwigsfelde), Opel (Eisenach) und VW (Mosel, Landkreis Zwickauer Land) Fertigungen auf, sodass 1994 das Produktionsniveau der DDR (1989) mit 233 000 Kfz wieder erreicht wurde.
 
Übernahmen von bisher unabhängigen Herstellern wie von Rover durch BMW, von Aston Martin und Jaguar durch Ford sowie die Beteiligung von General Motors an Saab werden mit der Erweiterung des Erzeugnisprogramms oder der technischen Basis erklärt.
 
Literatur:
 
Tatsachen u. Zahlen aus der Kraftverkehrswirtschaft, Bd. 5 (1931 ff., jährl.; früher u. a. T.);
 
International auto statistics, hg. vom Verband der Automobilindustrie (1980 ff., jährl., früher u. a. T.);
 H. Berg: Automobilindustrie, in: Marktstruktur u. Wettbewerb in der Bundesrepublik Dtl., hg. v. P. Oberender (1984);
 A. Diekmann: Die Autmobilindustrie in Dtl. (1985);
 U. Jürgens: Entwicklungstendenzen in der Weltautomobilindustrie bis in die 90er Jahre (1986);
 
Die Zukunft der Arbeit in der Automobilindustrie, hg. v. B. Dankbaar u. a. (1988);
 
Moderne Zeiten in der Automobilfabrik. Strategien der Produktionsmodernisierung im Länder- u. Konzernvergleich, Beitrr. v. U. Jürgens u. a. (1989);
 
Krise als Chance. Wohin steuert die dt. Automobilwirtschaft?, hg. v. F. W. Peren (1994);
 R. Lamming: Die Zukunft der Zulieferindustrie (a. d. Engl., 1994);
 J. P. Womack u. a.: Die zweite Revolution in der Autoindustrie. Konsequenzen aus der weltweiten Studie aus dem Massachusetts Institute of Technology (a. d. Engl., 81994).

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Krạft|fahr|zeug|in|dus|trie, die: Industriezweig, der Kraftfahrzeuge herstellt.

Universal-Lexikon. 2012.