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Seneca
I
Sẹneca,
 
nordamerikanischer Indianerstamm im Nordosten der USA (Irokesen).
 
II
Sẹneca,
 
1) Lucius Annaeus, der Ältere, römischer Schriftsteller, * Corduba (heute Córdoba) um 55 v. Chr., ✝ um 40 n. Chr., Vater von 2); verfasste gegen Ende seines Lebens ein nur in Auszügen erhaltenes Erinnerungsbuch an seinen Besuch der römischen Rhetorenschulen spätrepublikanischer Zeit. Es umfasst 10 Bücher Gerichtsreden (»Controversiae«) und ein Buch Beratungsreden (»Suasoriae«) und vermittelt eine Vorstellung von der Schulpraxis der ausgehenden Republik und der frühen Kaiserzeit.
 
Ausgaben: Scripta quae manserunt, herausgegeben von Hermann J. Müller (1887, Nachdruck 1963); Oratorum et rhetorum sententiae, divisiones, colores, herausgegeben von L. Håkanson (1989).
 
Declamations, übersetzt von M. Winterbottom, 2 Bände (1974).
 
Literatur:
 
L. A. Sussman: The elder S. (Leiden 1978);
 J. Fairweather: S. the elder (Cambridge 1981).
 
 2) Lucius Annaeus, der Jüngere, römischer Dichter und philosophischer Schriftsteller, * Corduba (heute Córdoba) um 4 v. Chr., ✝ (Selbstmord) Rom April 65 n. Chr., Sohn von 1). Sein Vater ermöglichte ihm in Rom eine rhetorische Ausbildung, während sein Interesse an der Philosophie vermutlich von seiner Mutter Helvia gefördert wurde. Er beschritt in Rom die Ämterlaufbahn und gelangte zunächst als Advokat, Quästor und Senator zu hohem Ansehen. 41 n. Chr. verbannte ihn Kaiser Claudius nach Korsika; auf Betreiben von dessen Frau Agrippina der Jüngeren wurde er im Jahre 49 n. Chr. zurückgerufen und mit der Erziehung des Prinzen Nero beauftragt. 50 n. Chr. erfolgte seine Ernennung zum Prätor und 54 n. Chr. nach dem Regierungsantritt Neros die zum Konsul. Nero ließ sich zunächst von Seneca führen, entzog sich jedoch nach der Ermordung seiner Mutter (59 n. Chr.) mehr und mehr dessen Einfluss. 62 n. Chr. verließ Seneca den Hof. 65 n. Chr. fälschlich der Teilnahme an der Pisonischen Verschwörung beschuldigt, wurde er von Nero zum Selbstmord gezwungen.
 
Senecas Denken ist v. a. von der stoischen Philosophie bestimmt; dabei ging es ihm weniger um die systematische Grundlegung einer Theorie als um die konkrete Lebensbewältigung mithilfe praktischer Philosophie: Das Ziel des Weisen liege darin, als Vernunftwesen in Entsprechung mit den Gesetzen der Natur zu leben. Auf diesem Weg, der allmählich von den alltäglichen Dingen befreit, kann ein Leben glücklich werden und der Geist in Autarkie Ruhe und Gelassenheit (Ataraxie, Apathie) erlangen.
 
Von Seneca sind Schriften aus der Zeit von 40 bis 65 erhalten, zehn von ihnen vereint in der Sammlung der »Dialogi«; daneben stehen der Fürstenspiegel für den achtzehnjährigen Nero (»De clementia«, 55), eine sieben Bücher umfassende Schrift über Wohltaten (»De beneficiis«) sowie die beiden Hauptwerke, die »Epistulae morales ad Lucilium« und die »Naturales quaestiones« (62-65). Die bissige Satire »Apocolocyntosis« stellt Senecas schonungslose Abrechnung mit Kaiser Claudius nach dessen Tod dar. In seinen an Grausamkeiten reichen Tragödien (u. a. »Medea«, »Phaedra«, »Oedipus«, »Hercules«), die bekannte Stoffe griechischer Tragiker behandeln, will Seneca v. a. die verhängnisvolle Wirkung menschlicher Leidenschaften vorführen und Verhaltensweisen der Seele in Grenzsituationen aufzeigen. Sicherlich nicht von Seneca ist die unter seinem Namen überlieferte Praetexta »Octavia«, ein Trauerspiel über das Schicksal der Gattin Neros. Die Tragödien Senecas haben, obwohl sie Lesedramen waren, seit dem Humanismus die Entwicklung des abendländischen Schauspiels, besonders in Frankreich, stark beeinflusst. Seine Prosa gehörte bis zum 18. Jahrhundert zu der am meisten gelesenen philosophischen Literatur. Während des Mittelalters galt Seneca als Christ (ein fingierter Briefwechsel mit Paulus ist erhalten).
 
 
Ausgaben: Lettres à Lucilius. Epistulae morales, herausgegeben von F. Préchac und anderen, 5 Bände (1-41958-91, lateinisch und französisch); De clementia, herausgegeben von K. Büchner (1970); Dialogues, herausgegeben von A. Bourgery und anderen, 4 Bände (5-71970-75); Apocolocyntosis divi Claudii, herausgegeben von O. Schönberger (1990).
 
Sämtliche Tragödien, herausgegeben von T. Thomann, 2 Bände (1-21969-78, lateinisch und deutsch); Philosophische Schriften, herausgegeben von M. Rosenbach, 4 Bände (1-21971-84).
 
Literatur:
 
K. Abel: Bauformen in S.s Dialogen (1967);
 H. Cancik: Unters. zu S.s Epistulae morales (1967);
 
S.s Tragödien, hg. v. E. Lefèvre (1972);
 J. Dingel: S. u. die Dichtung (1974);
 M. T. Griffin: S. A philosopher in politics (Oxford 1976);
 P. Grimal: S. (a. d. Frz., 1978);
 V. Sørensen: S. Ein Humanist an Neros Hof (a. d. Dän., 21985);
 O. Zwierlein: Krit. Komm. zu den Tragödien S.s (1986);
 
S. als Philosoph, hg. v. G. Maurach (21987);
 G. Maurach: S. Leben u. Werk (1991);
 M. Giebel: S. (1997);
 M. Fuhrmann: S. u. Kaiser Nero (1997).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
 
Plautus, Terenz, Seneca: Formen des römischen Dramas
 
 

Universal-Lexikon. 2012.