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Adenauer
Adenauer,
 
Konrad, Politiker, * Köln 5. 1. 1876, ✝ Bad Honnef-Rhöndorf 19. 4. 1967; Jurist, war zunächst (1917-33) Oberbürgermeister von Köln. 1919/20 und 1923/24 sprach er sich für die Trennung der Rheinprovinz von Preußen und für die Schaffung eines katholisch bestimmten Rheinlandes als Gliedstaat des Deutschen Reichs aus, um französischem Sicherheitsverlangen entgegenzukommen. 1920-33 war er Präsident des Preußischen Staatsrats; seit 1906 Mitglied des Zentrums, gehörte er bis 1933 dem Reichsvorstand an. 1933 enthoben ihn die Nationalsozialisten seiner Ämter und inhaftierten ihn 1934 sowie 1944 für einige Monate.
 
Von Mai bis Oktober 1945 war Adenauer wieder Oberbürgermeister von Köln. In der britischen Besatzungszone baute er die CDU mit auf und war ab März 1946 deren Zonenvorsitzender sowie, nach Errichtung der Bundesrepublik Deutschland (1949), 1950-66 Bundesvorsitzender der CDU. 1948/49 war er Mitglied und Präsident des Parlamentarischen Rats. 1949 wurde er Mitglied des Bundestags.
 
Am 15. 9. 1949 wählte der Bundestag Adenauer zum Bundeskanzler. Gestützt auf eine Koalitionsregierung aus CDU/CSU, FDP und DP (1953-56 auch unter Beteiligung des GB/BHE), leitete er in der Bundesrepublik Deutschland den Wiederaufbau eines an den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit und der parlamentarischen Demokratie orientierten deutschen Staats ein. Er unterstützte die am Prinzip der sozialen Marktwirtschaft ausgerichtete Politik seines Wirtschaftsministers L. Erhard. In seiner Amtszeit wurden die Flüchtlinge und Vertriebenen in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland eingegliedert. In scharfen politischen Auseinandersetzungen, sei es vor dem Bundestag, sei es im Wahlkampf, grenzte Adenauer die Politik seiner Regierung von den Vorstellungen der Opposition, besonders der SPD, ab. Unter seiner Führung errang die CDU 1957 die absolute Mehrheit im Bundestag und stellte 1957-61 allein die Regierung. Dank seiner zielbewussten Politik und konsequenten Anwendung seiner verfassungsrechtlichen Vollmachten als Bundeskanzler (als so genannte »Kanzlerdemokratie« nicht unumstritten) gewann er große politische Autorität, zugleich aber auch eine starke Gegnerschaft v. a. in der veröffentlichten Meinung.
 
Das besondere Interesse Adenauers, der 1951-55 auch Außenminister war, galt der Außenpolitik. In Verhandlungen mit den drei Alliierten Hohen Kommissaren schloss er (im November 1949) das Petersberger Abkommen (Ausgangspunkt einer eigenständigen deutschen Außenpolitik) und 1952 den Deutschlandvertrag (eingeschränkte Souveränität). Angesichts des Ost-West-Konflikts, besonders aber unter dem Eindruck des Koreakrieges (1950-53), schlug Adenauer gegen starke innenpolitische Widerstände unter Zustimmung v. a. der USA einen eigenen militärischen Beitrag seines Landes zur Verteidigung des Westens vor. Nachdem die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG), in deren Rahmen der von Adenauer vorgeschlagene deutsche Verteidigungsbeitrag geleistet werden sollte, 1954 am Widerspruch einer Mehrheit der französischen Nationalversammlung gescheitert war, erreichte Adenauer sein Ziel nach schwierigen Verhandlungen 1954 dennoch in den Pariser Verträgen (Souveränität der Bundesrepublik Deutschland und Beitritt zur NATO, 1955 in Kraft getreten). Die innenpolitisch vielfach kritisierte »Europäisierung« des Saargebiets, die Adenauer v.a. unter dem Aspekt eines deutsch-französischen Interessenausgleichs sah, scheiterte an der Ablehnung des geplanten Saarstatuts durch die Bevölkerung des Saarlands. Mit anderen europäischen Staatsmännern legte Adenauer die Grundlagen der Europäischen Gemeinschaften (z. B. Vertrag über die Montanunion, 1951; Römische Verträge, 1957). 1963 schloss Adenauer mit Präsident C. de Gaulle den Deutsch-Französischen Freundschaftsvertrag.
 
Vor dem Hintergrund des weltpolitischen Konflikts der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges, zwischen den USA, Großbritannien und Frankreich einerseits und der UdSSR andererseits, erreichte Adenauer die Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland in das westliche Bündnissystem als gleichberechtigten Partner. Mit Nachdruck setzte er sich für die deutsch-französische Verständigung als Grundvoraussetzung einer friedlichen Entwicklung in Europa und einer politischen Einigung dieses Kontinents ein. Seine Deutschlandpolitik bemühte sich, einem wieder vereinigten Deutschland den Beitritt zur westlichen Staatengemeinschaft offen zu halten. Die Stalinnote von 1952 blieb daher ohne Echo. Gegen die Zusage der Entlassung der letzten deutschen Kriegsgefangenen vereinbarte Adenauer 1955 mit der UdSSR die Aufnahme diplomatischer Beziehungen.
 
Wachsende Kritik an Adenauers innen- und außenpolitischer Linie nicht nur von der SPD, verbunden oft v. a. in der Öffentlichkeit mit Skepsis gegenüber seinem hohen Lebensalter, führte besonders nach dem Bau der Berliner Mauer (13. 8. 1961) und der Spiegel-Affäre (1962) zu einem Verlust an Popularität. Nachdem die CDU bei den Bundestagswahlen von 1961 die absolute Mehrheit verloren hatte, sah sich Adenauer bei den Koalitionsverhandlungen mit der FDP, die v. a. seiner Deutschland- und Ostpolitik kritisch gegenüberstand, gezwungen, in die Begrenzung seiner Amtszeit (auf etwa zwei Jahre) einzuwilligen. Am 15. 10. 1963 trat er als Bundeskanzler zurück, blieb jedoch politisch aktiv.
 
1964 wurde die Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. gegründet; seit 1969 wird der Konrad-Adenauer-Preis vergeben.
 
Ausgaben: Reden 1917 bis 1967, herausgegeben von H.-P. Schwarz (1975); Adenauer. Rhöndorfer Ausgabe, 8 Bände, herausgegeben von R. Morsey u. a. (1983-92); Erinnerungen, 4 Bände (3-61983-94).
 
Literatur:
 
A. Baring: Außenpolitik in A.s Kanzlerdemokratie (1969);
 
A.-Studien, hg. v. R. Morsey u. a., 4 Bde. (1971-77);
 
Konrad A. u. seine Zeit, hg. v. D. Blumenwitz, 2 Bde. (1976);
 K. Dittmann: A. u. die dt. Wiedervereinigung (1981);
 J. Arnold: A. u. die CDU, in: Die BRD, hg. v. D. Narr u. D. Thränhardt (1984);
 P. Koch: Konrad A. (1985);
 H. Köhler: A. u. die rhein. Rep. (1986);
 K. Sontheimer: Die A.-Ära. Grundlegung der Bundesrepublik (1991);
 
Die A.-Ära. Die BRD 1949 - 1963, hg. v. W. Bührer (1993);
 H. Köhler: A. Eine polit. Biogr. (1994);
 H.-P. Schwarz: A., 2 Bde. (Neuausg. 1994).

Universal-Lexikon. 2012.