Akademik

Edelsteine
Edelsteine,
 
Sammelbezeichnung für zur Herstellung von Schmuck oder auch kunstgewerblichen Gegenständen verwendete, durch schönes Aussehen, meist auch durch Härte und Seltenheit hervorstechende nichtmetallische Materialien, die im allgemeinen Sprachgebrauch häufig einfach Steine genannt werden. Edelsteine sind überwiegend natürlich vorkommende, heute zum Teil auch synthetisch hergestellte Minerale (von den etwa 2 500 bekannten Mineralen der Erdkruste etwa 70). Die zu Schmuckzwecken verwendeten Minerale wurden früher meist in die Gruppe der besonders klaren, harten, zum Teil auch sehr seltenen Edelsteine (im engeren Sinn) und die der vielfach undurchsichtigen, nicht so widerstandsfähigen und weniger wertvollen Halbedelsteine unterteilt. Da sich diese Gruppen jedoch nicht klar gegeneinander abgrenzen lassen, fasst man sie heute meist alle unter dem Begriff Edelsteine oder Schmucksteine zusammen. Masseneinheit ist das Karat (0,2 g), für weniger wertvolle Steine auch das Gramm. Außerdem werden einige Gesteine, u. a. einzelne Arten von Marmor (z. B. Onyxmarmor), Diorit, Syenit, Gips (z. B. Alabaster), und einzelne Gesteinsgläser (z. B. Obsidian) als Schmucksteine verwendet, ferner einige Materialien organischen Ursprungs wie Bernstein, Gagat (Jet), die Skelettsubstanzen der Korallen, Elfenbein, Perlmutter, Perlen, zum Teil auch Fossilien einschließlich verkieselten Holzes (Holzstein).
 
Die als Edelsteine geltenden Minerale und Gesteine sind wie alle diese Bestandteile der Erdkruste magmatisch, sedimentär (zum Teil auf sekundärer Lagerstätte, in Seifen) oder metamorph entstanden und vielfach in typischer Vergesellschaftung (Paragenese) anzutreffen. Die Minerale treten (wie alle Minerale) in bestimmten Kristallformen auf, durch die ihre physikalische Eigenschaften bestimmt sind; sie zeichnen sich aber durch einige typische Merkmale aus, wobei bei jedem Stein das eine oder andere Merkmal besonders in den Vordergrund tritt.
 
Die wichtigste optische Eigenschaft ist die Farbe; sie ist entweder durch die Zusammensetzung der Minerale selbst bedingt oder wird durch geringe charakteristische Beimengungen, die in das Kristallgitter eingelagert sind, verursacht. Als derartige farbgebende Substanzen treten u. a. Verbindungen von Chrom, Eisen, Kobalt, Kupfer, Mangan, Nickel, Titan und Vanadium auf; ihre Menge ist aber im Allgemeinen so gering, dass sie in der chemischen Formel des betreffenden Minerals nicht berücksichtigt wird. Außer durch Fremdsubstanzen können Färbungen auch durch Fehlstellen beziehungsweise Defekte des Kristallgitters (z. B. infolge der anhaltenden Einwirkung der Höhenstrahlung) verursacht sein (z. B. beim Rauchquarz und beim Zirkon). Alle nichtkub., also optisch doppelbrechenden Minerale zeigen in verschiedenen Richtungen unterschiedliche Lichtabsorption und Farbe (Pleochroismus). Selbstverständlich spielt auch die Zusammensetzung des Lichts für die Beurteilung der Farbe eine Rolle: Rubin und Smaragd erscheinen z. B. bei gelblichem Kunstlicht in besonders leuchtenden Farben, beim Saphir wird dagegen die Farbe ungünstig verändert; der bei Tageslicht grüne Alexandrit erscheint bei Kunstlicht sogar rot. Bei einigen Edelsteinen treten allmähliche Farbänderungen auf; z. B. können Amethyst und Rosenquarz durch Sonnenlicht ausbleichen. Bei vielen Edelsteinen lassen sich Farbänderungen auch künstlich hervorrufen: Amethyst geht z. B. durch Brennen in Citrin oder Prasiolith über, grünliches Aquamarin kann durch Erhitzen in tiefblauen überführt werden, aus Bergkristall erhält man durch Röntgenbestrahlung künstlichen Rauchquarz, poröse Steine wie Lapislazuli, Türkis und Achat lassen sich durch Farbstoffe einfärben. Für die Verarbeitung spielt oft die Farbintensität eine Rolle: Z. B. erscheint ein heller Stein bei dickerer Schicht und geeignetem Schliff dunkler; besonders dunkle Steine werden häufig nur in dünner Schicht verwendet oder bei gewölbtem Schliff von unten ausgehöhlt. Neben der Farbe ist v. a. die Transparenz ein wichtiges Charakteristikum: Man unterscheidet durchsichtige, durchscheinende und undurchsichtige Steine, wobei bei zahlreichen Mineralen Übergänge auftreten. Bei den durchsichtigen Steinen stellt die Klarheit meist einen wertbestimmenden Faktor dar (z. B. beim Diamanten). Bei undurchsichtigen Steinen liegen meist dichte körnige, stängelige oder faserige Aggregate vor, an denen sich das Licht mehrfach bricht, bis es reflektiert oder absorbiert wird.
 
Weitere wichtige optische Eigenschaften der Edelsteine sind der auf Reflexion beziehungsweise Totalreflexion des Lichts beruhende Glanz sowie das durch Dispersion des Lichts bewirkte Feuer. - Bei zahlreichen Edelsteinen treten streifen- oder sternartige »Lichtfiguren« oder auch flächenhafte »Schillereffekte« auf, die weder durch die Eigenfarbe der Minerale noch durch farbgebende Verunreinigungen verursacht werden, sondern auf Reflexion, Interferenz oder Beugung des Lichts an eingelagerten Fasern, Nadeln oder Hohlkanälen beruhen; hierzu zählen u. a. die Chatoyance (z. B. beim Tigerauge), der Asterismus (z. B. bei Rubinen und Saphiren), der metallische oder bunte Schiller (z. B. bei Aventurin) und die Opaleszenz (z. B. beim Opal). - Unter den mechanischen Eigenschaften spielen v. a. die Härte und die Spaltbarkeit eine Rolle. Die Härte hat für die Wahl der Bearbeitungstechnik und die Gebrauchseigenschaften Bedeutung. Edelsteine mit einer Härte (nach Mohs) unter 7 sind z. B. gegenüber den in Staub befindlichen Quarzkörnern empfindlich. Die Spaltbarkeit der Minerale erleichtert einerseits die Aufteilung großer Steine in kleine Teilstücke, erschwert aber andererseits die Bearbeitung der Minerale, da sie zum Teil schon durch geringen Schlag oder Druck gespalten werden können. Die für Schmuckzwecke vorgesehenen Edelsteine werden meist durch Schleifen in geeignete Formen gebracht; früher war auch das Gravieren wichtig (Steinschneidekunst). Daneben spielt heute die technische Verwendung (v. a. des Korunds und seiner synthetischen Formen), u. a. als Schleif- und Poliermittel oder als Lagersteine sowie für die Herstellung von Bohrkronen und elektronischer Geräten, eine große Rolle.
 
Da schöne Exemplare von Edelsteinen, v. a. Diamanten, Saphire, Rubine und Smaragde, stets selten und teuer waren, gehen die Versuche, Edelsteine nachzuahmen, bis in die ältesten Zeiten zurück. Meist wurden gefärbte Gläser als Imitationen verwendet; ihnen fehlen jedoch Härte, Glanz und Feuer der Originalsteine. Neben einfachem gefärbtem Glas werden heute v. a. stark lichtbrechendes Bleiglas (Strass) sowie Porzellan und eingefärbte Kunststoffe zur Herstellung von Modeschmuck verwendet.
 
Dubletten und Tripletten sind aus zwei oder mehreren gleichen oder verschiedenartigen natürlichen oder künstlichen Teilen zusammengesetzte Substanzen, deren Teile durch Kitten, Schmelzen, Rekristallisieren u. a. miteinander verbunden sind. Ein relativ dünnes Oberteil, z. B. aus Smaragd, kann mit einem Unterteil aus grünem Glas zu einer »Smaragd-Dublette« verbunden werden. In größerem Umfang werden auch synthetische Edelsteine (»Synthesen«) hergestellt, die zum Teil nach natürlichen Vorbildern zusammengesetzt sind und in ihren Eigenschaften diesen entsprechen (z. B. synthetische Aquamarine, Rubine, Saphire), zum Teil aber auch aus gänzlich neuartigen Substanzen mit geeigneten optischen Eigenschaften bestehen, u. a. Fabulit (Diagem; aus Strontiumtitanat), Yttrium-Aluminium-Granat (YAG, Diamonair, Cirolit; aus Yttriumaluminiumoxid) und Zirkonia (aus Zirkoniumdioxid).
 
Eine wichtige Aufgabe der Edelsteinkunde (Gemmologie) ist die Bereitstellung von Methoden zur Unterscheidung natürlicher Edelsteine von Synthesen und Imitationen. Zur Untersuchung werden u. a. hydrostatische Waagen, Spektroskope, Refraktometer, Goniometer, Polarisationsmikroskope und Röntgenapparate eingesetzt.
 
Kulturgeschichte:
 
Im Alten Orient wurden Edelsteine seit mindestens 5 000 Jahren verwendet. Die Steine kamen vorwiegend aus Ägypten, Persien, Süd- und Südostasien, seit der Entdeckung Amerikas auch aus Süd- und Mittelamerika, seit dem 19. Jahrhundert dazu aus Russland, Afrika und Australien.
 
Zunächst hatten die Edelsteine v. a. magische Bedeutung (Amulett, Talisman) und dienten oft nur untergeordnet als Schmuck. Antike Vorstellungen von den magischen Kräften der Edelsteine lebten in den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Steinbüchern (Lapidarien) fort. Edelsteine wurden auch in pulverisiertem Zustand als Medikamente eingesetzt. Schon in hellenistisch-römischer Zeit erfolgte eine Zuordnung von Edelsteinen zu den Gestirnen, die noch heute in den Tierkreis- und Monatssteinen erhalten ist. Wichtiger als geschliffene Steine waren in der Antike gravierte Steine (Steinschneidekunst). Im Mittelalter dienten Edelsteine v. a. zur Verzierung der Kultgeräte und Insignien geistliche und weltliche Herrscher. Erst seit der Renaissance fanden sie in Schmuckstücken verarbeitet in breiteren Bevölkerungsschichten Verwendung. Heute haben Diamanten am gesamten Edelsteinmarkt einen wertmäßigen Anteil von 90 bis 95 %. - Weiteres zur Geschichte Schleifen.
 
Literatur:
 
G. Friess: E. im MA. (1980);
 K. Nassau: Gems made by man (Radnor, Pa., 1980);
 H. Bank: Aus der Welt der E. (Innsbruck 31981);
 J. Bauer u. a.: Der Kosmos-E.-Führer (a. d. Tschech., 1982);
 H. Vollstädt u. R. Baumgärtel: E. (21982);
 M. Weibel: E. u. ihre Mineraleinschlüsse (Zürich 1985);
 
GU-Naturführer E. u. Schmucksteine. Edel- u. Schmucksteine sowie Imitationen kennen- u. unterscheiden lernen, bearb. v. R. Hochleitner (21995);
 
E. u. Schmucksteine, bearb. v. W. Schumann (Neuausg. 1995).
 

Universal-Lexikon. 2012.