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Gewitter
Donnerwetter

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Ge|wit|ter [gə'vɪtɐ], das; -s, -:
Unwetter mit Blitz, Donner [und heftigen Niederschlägen]:
ein schweres, heraufziehendes, nächtliches Gewitter.
Zus.: Sommergewitter, Wärmegewitter, Wintergewitter.

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Ge|wịt|ter 〈n. 13
1. mit Blitz, Donner u. Niederschlägen verbundene luftelektrische Entladung
2. 〈fig.; umg.〉 heftige Auseinandersetzung, Zornesausbruch
● ein \Gewitter droht, kommt näher, naht, zieht herauf, zieht sich zusammen; ein \Gewitter entlädt sich, geht nieder; ein \Gewitter ist im Anzug; das \Gewitter ist, zieht vorüber; ein \Gewitter steht am Himmel gerade über uns; ein drohendes, heftiges, heraufziehendes, nächtliches, schweres \Gewitter [<ahd. giwitiri, Kollektivbildung zu ahd. wetar; urspr. „Witterung, Wetter“; → Wetter]

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Ge|wịt|ter , das; -s, - [mhd. gewiter(e), ahd. giwitiri, urspr. = Witterung, Wetter, Kollektivbildung zu 2Wetter]:
mit Blitzen, Donner [u. Regen o. Ä.] verbundenes Unwetter:
ein schweres, heftiges, nächtliches G.;
ein G. zieht [her]auf, liegt in der Luft, ist im Anzug, braut sich zusammen, bricht los, entlädt sich, geht über der Stadt nieder, zieht vorüber;
der Streit wirkte wie ein reinigendes G.;
es gibt heute bestimmt noch ein G.;
die Strandgäste flüchteten vor dem G.;
Ü das häusliche G. (der Streit) hat sich ausgetobt.

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Gewitter,
 
mit luftelektrischen Entladungen (Blitz, Donner) und im Allgemeinen kräftigen Niederschlägen sowie heftigen, böigen Winden verbundene Wettererscheinung, die durch Konvektion von Luft relativ hohen Wassergehalts bei hoch reichender (feucht-)labiler Schichtung der Atmosphäre auftritt und gekennzeichnet ist durch die Ausbildung besonders mächtiger, sich lokal aus kleinen Anfängen rasch entwickelnder Quellwolken, in denen starke Vertikalströmungen herrschen. In solchen Gewitterwolken (Cumulonimbus), die oft bis zu der - in mittleren Breiten in 6-8 km, in den Tropen in 10-11 km Höhe liegenden - Grenze der Troposphäre reichen, kommt es durch diese Vertikalströmungen zu starken Ladungstrennungen der Luftelektrizität sowie zusätzliche Gewitterelektrizität. Dadurch werden sehr starke elektrische Felder aufgebaut, die sich durch kräftige elektrische Entladungen zwischen unterschiedlich aufgeladenen Wolkenteilen (Wolkenblitze) oder zwischen diesen und der Erdoberfläche (Erdblitze) allmählich ausgleichen. Außerdem kommt es ab einem bestimmten Zeitpunkt der Gewitterwolkenentwicklung zu (oft wolkenbruchartigen) Starkniederschlägen in Form von großen unterkühlten Regentropfen oder sogar von Hagel.
 
Arten
 
und Ursachen: Die zur Entstehung von Gewittern beziehungsweise zur Bildung von Gewitterwolken notwendige Labilisierung der Luftmassen kann durch mehrere, zum Teil zusammenwirkende Ursachen hervorgerufen werden: 1) Wärmegewitter sind eine Folge starker Überhitzung der bodennahen Luftschichten durch die Sonneneinstrahlung bei gleichzeitig hohem Feuchtigkeitsgehalt. Sie treten bei sommerlichen Wetterlagen und sehr flacher Luftdruckverteilung am häufigsten in den Nachmittagsstunden, über warmen Wasserflächen jedoch (wegen der dann maximalen Thermik) in den Abend- und Nachtstunden auf und führen zu keiner nachfolgenden Wetterverschlechterung. Ihre Ausbildung wird in ausgesprochenen Hochdruckgebieten durch die dort in der Höhe herrschende Absinkbewegung und Austrocknung der Luftmassen verhindert. - 2) Frontgewitter unterscheiden sich von den Wärmegewittern durch ihre größere Ausdehnung und ihre Verbindung mit einer Front, mit der sie sich verlagern, wobei ihre Zuggeschwindigkeit bis zu 100 km/h betragen kann. Ihre häufigste Form sind die Kaltfrontgewitter, deren Ursachen im Allgemeinen die kräftige und rasche Hebung und Abkühlung der vorgelagerten Warmluft durch die hinter einer relativ steilen Frontfläche vorstoßende Kaltluft sind, aber auch die Umlagerungen und Turbulenzen sein können, die durch ein Voreilen von Kaltluft in der Höhe ausgelöst werden. Kaltfrontgewitter sind meist mit einem markanten Temperaturrückgang verbunden, wobei die advektive Abkühlung durch den fallenden Niederschlag und das Schmelzen von Eisteilchen noch verstärkt wird. Die Entstehung der sich an Warmfronten entwickelnden (nur seltenen) Warmfrontgewitter wird normalerweise durch die sich beim Aufgleiten der Warmluft über kältere Luft ausbildende stabile Schichtung verhindert. Sie entstehen nur dann, wenn die aufgleitende Warmluft schon vorher feuchtlabil geschichtet war. Am bekanntesten sind Warmfrontgewitter aus den USA, wo sie häufig beim Vorstoß von sehr warmer und feuchter Luft aus dem Golf von Mexiko in den Südstaaten auftreten. In Mitteleuropa kommen sie am ehesten als »Ostgewitter« bei der Zufuhr von Mittelmeerwarmluft aus südöstlichen Richtungen vor. - 3) Orographische Gewitter entstehen in Gebirgsgegenden durch die von Gebirgshängen erzwungene Hebung und Konvektion feuchtwarmer Luftmassen, deren Labilität dadurch noch verstärkt wird. In ihrer Entwicklung sind sie daher Warmfrontgewitter ähnlich. - 4) Eine weitere Gewitterursache ist die Verschärfung des vertikalen Temperaturgradienten infolge Abkühlung durch Ausstrahlung oder durch Advektion kälterer Luft in der Höhe.
 
Häufigkeit:
 
Die Zahl der Gewitter ist deutlich von der geographischen Breite und der orographischen Beschaffenheit der Erdoberfläche abhängig. Im Allgemeinen nimmt sie von den Tropen nach höheren Breiten hin ab. In der Äquatorialzone ist im Mittel mit 100 bis (an den Hängen von Gebirgen) 160 Gewittertagen pro Jahr, in mittleren Breiten mit 15 bis 50 Gewittertagen zu rechnen; in den Polargegenden sind Gewitter fast unbekannt. Die Gewitterhäufigkeit nimmt zum Landinnern zu; sie erreicht gewöhnlich mit Annäherung an die Gebirge ihr Maximum. In Deutschland sind das Vorland der Alpen (mehr als 30 Gewittertage), das Oberrheinische Tiefland, das Vorland des Rhein. Schiefergebirges, des Thüringer Waldes und der sächsischen Gebirge bevorzugte Entstehungsgebiete für Gewitter; im nördlichen Schleswig-Holstein werden im Mittel weniger als 15 Gewittertage gezählt. - Parallel zur Breitenabhängigkeit der Gewitterhäufigkeit ändert sich in den Gewittern auch das Verhältnis von Wolken- zu Erdblitzen von 8:1 in den Tropen bis auf etwa 1:1 in 60º Breite. Für die globale Bilanz der Luftelektrizität sind die Gewitter entscheidende Generatoren zur Aufrechterhaltung des luftelektrischen Feldes. Insgesamt treten auf der Erde durchschnittlich 1 600 Gewitter gleichzeitig auf, die aber nur rd. 3 ‰ der Erdoberfläche überdecken.
 
Stadien der Gewitterentwicklung:
 
Jedes Gewitter besteht aus mehreren etwa gleich großen Gewitterzellen, von denen jede ihre eigene, typische Entwicklung durchläuft. Die Entwicklung einer Gewitterzelle, wie sie insbesondere für ein Wärmegewitter typisch ist, kann in drei Stadien unterteilt werden, 1) Jugendstadium (Cumulusstadium): Intensive Sonnenstrahlung verursacht eine starke Überhitzung der bodennahen Luftschichten; feuchtwarme Luft steigt auf und kühlt sich dabei ab. In einer bestimmten Höhe erfolgt Kondensation des Wasserdampfs, es entstehen Wolken. Aus einer kleinen Cumuluswolke entwickelt sich rasch eine mächtige Quellwolke. Innerhalb der Wolke herrscht ein Aufwind, dessen Geschwindigkeit mit der Höhe zunimmt (bis 20 m/s). Von unten und von den Seiten her fließt der Quellwolke ständig Luft zu. Mit dem Aufwind werden die in der Wolke gebildeten Tröpfchen mit nach oben gerissen beziehungsweise in der Schwebe gehalten, sodass kein Niederschlag ausfällt; die Wolke wächst weiter; bei starker Aufwärtsbewegung zerstieben die Tröpfchen, wobei gleichzeitig eine Ladungstrennung erfolgt: Positiv geladene Tröpfchen gelangen in den oberen Teil der Wolke, negativ geladene Tröpfchen sammeln sich unten an. 2) Reifestadium (Cumulonimbusstadium): Mit beginnender Eisbildung im obersten Teil der Quellwolke entwickelt sich aus der Cumuluswolke eine Cumulonimbuswolke als eigentliche Gewitterwolke, in der nun verstärkte Niederschlagsbildung und verstärkte elektrische Aufladung einsetzt. Die Niederschlagsteilchen bremsen den Aufwind durch Reibung ab und wandeln ihn in einzelnen Gebieten der Wolke sogar in Abwind um. Der obere Teil der Gewitterwolke, die bis zur Untergrenze der Stratosphäre reichen kann (mittlere Höhe in unseren Breiten: 6-8 km), nimmt die Form eines Ambosses an: Im Wolkengipfel fließt Kaltluft auseinander und bildet den »Gewitterschirm« aus unscharfen, schleierartigen Eiswolken mit meist unsymmetrischer Anordnung. Jetzt tritt das eigentliche Gewitter mit Blitz und Donner und kräftigen Niederschlägen auf, da immer mehr der an Größe und Menge zunehmenden Niederschlagsteilchen gegen den Aufwind zu fallen beginnen beziehungsweise von dem v. a. sich vorderseitig ausbildenden Abwind mitgerissen werden. Gleichzeitig mit dem Starkniederschlag strömt gewittereigene Kaltluft aus dem Cumulonimbus aus, breitet sich in Erdbodennähe seitlich aus und erzeugt die typischen Gewitterböen. 3) Auflösungsstadium (Altersstadium): Die Gewitterwolke regnet allmählich ab. In der ganzen Wolke setzt sich der Abwind durch, der Starkregen geht in leichten Regen über und versiegt; die Wolke bildet sich zurück. - Frontgewitter weichen von dem geschilderten Prozess ab.
 
Elektrische Ladungsverteilung in der Gewitterwolke:
 
Eine Gewitterwolke im Reifestadium ist wegen der bereits im Jugendstadium einsetzenden Ladungstrennung in den oberen Teilen positiv, in den unteren negativ geladen, meist ist aber in den unteren, negativ geladenen Wolkenteilen in Nähe der Wolkenuntergrenze noch ein kleines Gebiet mit positiver Ladung eingelagert, das mit der Hauptniederschlagszone zusammenfällt. Erfahrungsgemäß beginnt die Elektrisierung in den Quellwolken mit der Bildung und Bewegung von Niederschlagsteilchen. Da sich der Prozess der Ladungstrennung bei Temperaturen unter 0 ºC vollzieht, müssen auch feste Niederschlagsteilchen beteiligt sein. Zahlreiche »Gewittertheorien« zur Erklärung dieser Vorgänge sind entwickelt worden, von denen die eine Gruppe von Influenzerscheinungen, die andere von Grenzflächeneffekten ausgeht. Nach der Ionenfangtheorie von C. T. R. Wilson fangen die im luftelektrischen Feld durch Influenz an der Unterseite positiv geladenen Wassertröpfchen umso mehr negative Ladungsträger ein, je schwerer sie sind und je rascher sie fallen. Dadurch wird der untere Teil der Wolke immer stärker negativ, der obere immer stärker positiv aufgeladen; das influenzierende Feld wird stärker, und der Ablauf des Vorgangs intensiviert sich; hinzu kommt bei genügend hohen Feldstärken eine Feldelektronenemission aus den im Feld zusätzlich deformierten und in der Spitze ausgezogenen Wassertröpfchen.
 
Religion
 
und Volkskunde: Als eindrucksvolles Naturereignis wurde das Gewitter vielfach als eine Art der Gottesbewegung aufgefasst und war stets von starker Mythen bildender Kraft. Die Religionsgeschichte kennt zahlreiche Gottheiten des Gewitters, deren Waffen Blitz und Donner sind. So wird der assyrische Gott Ramman (der »Brüller«) mit Blitzbündel und Doppelaxt dargestellt, der germanische Gott Thor schleudert seinen Hammer wie der indische Gott Indra seinen Donnerkeil. Der Blitz gilt als besonders charakteristische Machtäußerung und erscheint deshalb oft als Beiname Blitze schleudernder Götter (Zeus Keraunos, Jupiter Fulgur).
 
Die Volkssage deutet das Gewitter häufig als Kampf zwischen mythischen Wesen, Dämonen, Riesen und Zwergen. Christlich-pastoraler Herkunft ist der Glaube an das Gewitter als göttliche Strafe. Oft wurde das Gewitter als Werk des Teufels oder von Hexen aufgefasst. Gegen den Glauben an zauberhaftes Wettermachen wandte sich schon Agobard von Lyon (* 769, ✝ 840). Mittel zur Vermeidung und Abwehr von Gewittern kennt der Volksglaube in vielerlei Art. Vom Menschen zu meiden sind bei Gewittern u. a. der Aufenthalt unter Bäumen, schnelle Bewegungen, aufsteigende Dünste, Zugluft, Arbeit und Tanz. Gelegentlich sind die Abwehrmaßnahmen widersprüchlich, so, wenn gegen Gewitter das Herdfeuer zu löschen oder aber zu unterhalten ist. Gegen Gewitter sollen u. a. helfen: das Anzünden von Wetterkerzen, Läuten der Wetterglocken, Schüsse gegen die Wolken, geweihte Palm- und Kräuterbüschel, Holz vom Osterfeuer, an das Haus genagelte Ochsenschädel, Eulen, Fledermäuse. Feld und Flur sucht man durch Wettersegen, Wetterprozessionen und Wetterkreuze zu schützen. Seit der Antike bekannt ist die mantische Gewitterbeobachtung: Dabei wird dem Donnern, je nachdem, aus welcher Himmelsrichtung und zu welcher Tages- und Jahreszeit es gehört wird, eine prognostische Bedeutung zugesprochen. Solche Donnerprognosen, in »Donnerbüchern« verzeichnet, geben Vorhersagen über die Entwicklung des Klima- und Vegetationsjahres, über drohende Katastrophen, ja selbst über politische Veränderungen.
 
Literatur:
 
Hwb. des dt. Aberglaubens, hg. v. H. Bächtold-Stäubli, Bd. 3 (1931, Nachdr. 1987);
 H. Israel: Luftelektrizität u. Radioaktivität (1957);
 H. Israel: u. G. Ries: Probleme der G.-Forschung, 2 Bde. (1964-66);
 H. Baatz: Mechanismus der G. u. Blitze (21985).
 

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Ge|wịt|ter, das; -s, - [mhd. gewiter(e), ahd. giwitiri, urspr. = Witterung, Wetter, Kollektivbildung zu Wetter]: mit Blitzen, Donner [u. Regen o. Ä.] verbundenes Unwetter: ein schweres, heftiges, nächtliches G.; ein G. zieht [her]auf, liegt in der Luft, ist im Anzug, braut sich zusammen, bricht los, entlädt sich, geht über der Stadt nieder, zieht vorüber; der Streit wirkte wie ein reinigendes G.; es gibt heute bestimmt noch ein G.; die Strandgäste flüchteten vor dem G.; Ü man musste warten, bis sich das häusliche G. (der Streit) ausgetobt hatte; Die Abgeordneten ... eilen zu Robespierre, um das G. (Unheil) abzuwenden, das sich über ihren Köpfen zusammenzieht (Sieburg, Robespierre 54).

Universal-Lexikon. 2012.