Ferner
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Glet|scher ['glɛtʃ̮ɐ], der; -s -:größere Fläche im Hochgebirge, über die sich Eismassen erstrecken (die sich durch den von den Bergen abschmelzenden Schnee bilden):
die Gletscher schmelzen.
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Glẹt|scher 〈m. 3〉 sich sehr langsam bewegender Eisstrom im Hochgebirge [<schweiz. Alpenmundarten gletzer, gletscher <lat. *glaciarium; zu lat. glacies „Eis“]
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Glẹt|scher , der; -s, - [walliserisch glačer, über das Vlat. zu lat. glacies = Eis]:
großes Eisfeld, aus Firneis gebildete Eismasse, die sich in einem Strom langsam zu Tal bewegt:
der G. schmilzt, geht zurück;
der G. kalbt (Eismassen brechen von ihm ab).
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Gletscher
[von lateinisch glacies »Eis«], in den Tauern Kees, in Tirol Fẹrner, französisch Glacier [gla'sjeː], italienisch Ghiacciaio [giat'tʃajo], englisch Glacier ['glæsjə], norwegisch Bræ [brae], isländisch Jökull ['jœkydl], Eisströme oder -felder, die sich, der Schwerkraft folgend, langsam an Hängen und Tälern abwärts bewegen. Bei größerer Ausdehnung und Mächtigkeit können weite Teile des Festlandes unabhängig vom darunter liegenden Relief begraben werden.
Struktur und Formen
Gletscher entstehen durch Metamorphose von Schnee, der den Sommer überdauert. Aus dem Neuschnee bildet sich durch Setzung und Wasseraufnahme Altschnee. Daraus entsteht durch Schmelzen und Wiedergefrieren (Regelation) Firn, dann unter dem Druck überlagernder Schichten das aus rundlichen Körnern bestehende, noch lufthaltige und daher helle, weißliche Firneis. Das weitere Wachstum der Körner und Verdrängen der eingeschlossenen Luft hat das grünlich bis bläulich schimmernde Gletschereis zur Folge. Das Gletschereis ist unter Druck plastisch und ermöglicht so das »Fließen« des Gletschers abwärts. Das Gletscherende (Gletscherzunge) reicht dabei tief hinab, in Neuseeland sogar bis in Gebiete üppiger Vegetation, in Westpatagonien (und in den Polargebieten) bis zum Meeresspiegel. Die Geschwindigkeit der Gletscher hängt ab von Neigung und Form des Untergrunds, dem Querschnitt des Gletschers, der Eismächtigkeit, der Eistemperatur und dem Nachschub aus dem Firngebiet. Bei den größeren Alpengletschern liegt die mittlere jährliche Geschwindigkeit zwischen 20 und 200 m, im Karakorum und auf Spitzbergen zwischen 130 und 800 m; am höchsten (bis mehrere Kilometer jährlich) ist sie in den verengten Auslässen der großen Inlandeismassen (z. B. in Ostgrönland). Bei Gletschern mit gleitender oder fließender Bewegung (die meisten Gletscher der Alpen, Subtropen und Polargebiete) nimmt die Geschwindigkeit von den Rändern nach der Mitte hin zu, von der Gletscheroberfläche zum Gletscheruntergrund hin nimmt sie ab (wie bei viskosen Flüssigkeiten). Bei Gletschern mit Blockschollenbewegung (Karakorum, Spitzbergen) bleibt die Eisgeschwindigkeit über den gesamten Querschnitt nahezu konstant.
An Stellen mit Geschwindigkeitsunterschieden der Gletscherbewegung treten in den oberen, starren Bereichen des Gletschereises Gletscherspalten (Längs-, Quer-, Randspalten und - am Gletscherende Radialspalten) auf; sie reichen selten tiefer als 30 m. Bis 100 m tief kann der Bergschrund werden, eine bis über 30 m breite, das Firnfeld umziehende Spalte an der Grenze zwischen bewegtem und am Fels festgefrorenem Eis. Die Abschmelzfuge an der Grenze zwischen Fels und Firn wird Randkluft genannt. Über Steilstufen des Untergrunds entstehen Querspalten, die manchmal Gletscherbrüche mit Auflösung der Gletscheroberfläche in Eis- und Firnzacken und -türme (»Séracs«) zur Folge haben.
Schützen größere Felsblöcke das darunter liegende Eis vor dem Abschmelzen, so entstehen Gletschertische; durch feinere Staubansammlungen oder auch Dichte- und Reflexionsunterschiede kommt es zur Bildung von Mittagslöchern (bis 1 m tief, oft wassergefüllt, halbkreisförmig, mit der Achse zur Sonne gerichtet). In den tropischen Hochgebirgen entsteht bei hoher Strahlungsintensität, starker Verdunstung und großer Frostwechselhäufigkeit der Büßerschnee. Wenn Wasser in Spalten stürzt, werden im Felsuntergrund Gletschertöpfe (Gletschermühle) ausgestrudelt. Am Ende der Gletscherzunge, der Gletscherstirn, treten die Schmelzwässer wieder zutage. Oft strömen sie als Gletscherbach aus einem Gletschertor, das bis 40 m hoch werden kann, und lagern im Gletschervorfeld das mitgeführte Material ab (Moräne), vom groben Geschiebe bis zur feinsten Gletschertrübe (Gletschermilch). Aus eiszeitlichen Gletschern traten - wie es heute noch am Rande des Inlandeises und der Plateaugletscher geschieht - große Schmelzwasserströme, die das Vorland mit riesigen Sandern und Schotterfluren bedeckten.
An Gletschertypen werden unterschieden: Inlandeis (Antarktis, Grönland), mit Vereisung ganzer Länder oder Kontinente; kleineren Ausmaßes sind die Eiskappen in Spitzbergen, Island (Vatnajökull, 8 300 km2) und Norwegen (Jostedalsbre, 486 km2), deren Gletscherzungen auch als Abflussgletscher bezeichnet werden. Werden Wasserscheiden und Pässe überflutet (Spitzbergen, Alaska, Westpatagonien, Alpen während der Eiszeiten), spricht man von einem Eisstromnetz. Tal- und Gebirgsgletscher unterscheiden sich vor allem durch ihre Größe, wobei die in der Regel kleineren Gebirgsgletscher in verschiedenen Sonderformen unterteilt werden: Hanggletscher (meist ohne Gletscherzungen), Kar- oder Nischengletscher (mit kleinen Gletscherzungen), Flankenvereisungen.
Der Massehaushalt der Gletscher ist die Bilanz von Ernährung (Akkumulation) und Abschmelzen beziehungsweiseVerdunsten (Ablation). Die Akkumulation ist abhängig von der Höhe der festen Niederschläge (Schnee, auch Reif), von der Windverfrachtung, von Lawinen und vom Wiedergefrieren von Schmelzwasser und Regen; die Ablation hängt ab von Sonneneinstrahlung, Lufttemperatur, Windgeschwindigkeit, Aggregatzustand des Niederschlags (Regen oder Schnee) und dem Albedo der Gletscheroberfläche. Im Nährgebiet der Gletscher, oberhalb der so genannten Gleichgewichtslinie, fällt jährlich mehr Schnee als abschmilzt, es wird Masse gewonnen; unterhalb dieser Linie, im Zehrgebiet, wird im Sommer der Gletscher schneefrei (der Gletscher apert aus) und verringert seine Eismasse. Überwiegt im Mittel über den Gletschern und über mehrere Jahre der Massegewinn, so führt dies zu einem Eistransport vom Nähr- zum Zehrgebiet und in der Folge zu einem Gletschervorstoß, überwiegt jedoch die Ablation, erfolgt ein Gletscherrückgang. Größere, langfristige Gletscherschwankungen sind meist Folge von Klimaschwankungen. So fand, nach Gletschervorstößen vom Ende des 16. Jahrhunderts bis Mitte des 18. Jahrhunderts (Kleine Eiszeit) fast überall auf der Erde ein allgemeiner Gletscherrückgang bis zur Mitte dieses Jahrhunderts statt mit einer Verringerung der Eisfläche (in den Alpen etwa 40 %) und Eismächtigkeit. Der kurzfristige Trend zu positiven Massebilanzen in den 1960er- und 1970er-Jahren ist seit Mitte der 1980er-Jahre durch starke Masseverluste völlig kompensiert worden.
Größe und Wirkungen
Die Größe der Gletscher ist von den klimatischen Verhältnissen, der Erhebung über die Schneegrenze und dem Relief abhängig. Darum finden sich größere Gletscher fast ausschließlich in den Polargebieten und in Hochgebirgen (besonders mit ozeanischem Klima). Mit wachsender Trockenheit (und Kontinentalität) nimmt die Vergletscherung ab. Die größten Eismächtigkeiten sind von Grönland (über 3 000 m) und der Antarktis (über 4 000 m) bekannt; bei den Gebirgsgletschern: Muirgletscher (Alaska) 725 m, Großer Aletschgletscher (Wallis) 900 m. Starke Gebirgsvergletscherung zeigt der Karakorum mit 37 % seiner Fläche (16 000 km2); im Himalaja beträgt sie 17 % (33 200 km2), in den Alpen nur etwa 2 % (2 900 km2).
Je nach ihrer Größe bewirken die Gletscher (besonders das Inlandeis) durch die Eisbelastung, dass der Untergrund mehr oder weniger nachgibt. Entsprechend haben sich nach der letzten Eiszeit (durch isostatische Ausgleichsbewegungen, Glazialisostasie) Skandinavien oder Alaska um etwa 200-300 m gehoben. Durch ihre Bewegung bewirken die Gletscher eine Umgestaltung der Landschaft (Glaziallandschaft). An der Felsunterlage werden vom Eis gelockerte Felsteile herausgebrochen (Detraktion). Der Felsuntergrund wird durch das Gletschereis, das von Gesteinstrümmern, Sand und Gesteinsmehl durchsetzt ist, abgeschliffen (Gletscherschliff) und ausgeschürft (Detersion). Die vorrückende Gletscherstirn schiebt (vergleichbar einem Schneepflug) das Lockermaterial zusammen (Exaration). Das durch die Glazialerosion anfallende Material wird an anderer Stelle akkumuliert (als Moränen, Sander u. a.).
Trotz der extremen Umweltbedingungen (die Sommertemperaturen liegen um den Gefrierpunkt, Schmelzwasser wird nur während des Tages frei und gefriert in der Regel abends wieder) konnten sich einige Organismen an das Leben auf dem Gletscher anpassen, z. B. die Blutalge (Clamydomonas nivalis), die den Schnee rot färbt, oder wenige Springschwänze, Bärtierchen und Zweiflügler, die sich von angewehter organischer Substanz (z. B. Pollen, tote Insekten) ernähren.
Wissenschaftliche Erforschung
Die Gletscherkunde (Glaziologie) ist die Lehre von der Entstehung, den Formen, der Wirkung und Verbreitung des Eises auf der Erde; als interdisziplinäres Fachgebiet arbeitet sie v. a. mit Methoden der Geophysik, Geographie, Geomorphologie, Geologie, Klimatologie und des Vermessungswesens. Sie untersucht Zusammensetzung, Bewegung, Haushalt und Oberflächenformen des Eises sowie Abtragung und Aufschüttung durch Gletscher, wodurch Rückschlüsse auf die Verhältnisse während der Eiszeiten (Eiszeitalter) und auf die Entstehung der Glaziallandschaft möglich sind; ferner liefert sie praktische Hinweise für den Katastrophenschutz.
R. von Klebelsberg: Hb. der G.-Kunde u. Glazialgeologie, 2 Bde. (1948-49);
L. Lliboutry: Traité de glaciologie, 2 Bde. (Paris 1964-65);
F. Wilhelm: Schnee- u. G.-Kunde (1975);
R. C. Bachmann: G. der Alpen (Bern 1978);
G., Schnee u. Eis. Das Lex. zur Glaziologie, Schnee- u. Lawinenforschung in der Schweiz, hg. v. der Redaktion Schweizer Lex.. .. (Luzern 1993);
G. im ständigen Wandel. Jubiläums-Symposium der Schweizerischen Gletscherkommission 1993. .. (Zürich 1995).
Zeitschriften: Journal of glaciology (Cambridge 1947 ff., früher u. a. T.); Ztschr. für G.-Kunde u. Glazialgeologie (Innsbruck 1950 ff.).
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Glẹt|scher, der; -s, - [walliserisch glačer, über das Vlat. zu lat. glacies = Eis]: großes Eisfeld, aus Firneis gebildete Eismasse, die sich in einem Strom langsam zu Tal bewegt: der G. schmilzt, geht zurück; der G. kalbt (Eismassen brechen von ihm ab); Am steilen Abbruch des -s schnallen sie die Steigeisen an und gehen ans Seil (Trenker, Helden 168).
Universal-Lexikon. 2012.