1. (Geschichte) königlicher Amtsträger, der in seinem Amtsbezirk weitgehende administrative und richterliche Befugnisse [sowie grundherrliche Rechte] hat.
2.
a) <ohne Plural> Adelstitel zwischen Fürst und Freiherr:
Manfred Graf [von] Senden.
b) Mann mit Grafentitel:
der Besitz des Grafen …
* * *
Graf1 〈m. 16〉
1. 〈urspr.〉 Verwaltungsbeamter des Königs (Burg\Graf, Pfalz\Graf)
2. 〈später〉 Vorsteher einer Berufsgenossenschaft (Salz\Graf, Deich\Graf)
3. Adelstitel zw. Fürst u. Freiherr
4. Träger dieses Titels
[<ahd. gravo, gravio, wahrscheinlich <mlat. graphio, in frühmerowing. Zeit „Polizei- u. Vollstreckungsbeamter“, dann „königl. Beamter mit administrativen u. richterl. Befugnissen“ <grch. grapheus „Schreiber“ (byzantin. Hoftitel)]
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Graf2 〈m. 16; Math.〉 abstrahierende zeichner. Darstellung von Größen u. den zw. ihnen bestehenden Relationen als wissenschaftl. Hilfsmittel; oV Graph [zu grch. graphein „schreiben“]
* * *
3Graf , der; -en, -en [mhd. grāve, ahd. grāvo, grāfio < mlat. graphio, urspr. = königlicher Beamter < (m)griech. grapheús (byzantin. Hoftitel), eigtl. = Schreiber, zu griech. gráphein = schreiben]:
1. (Geschichte) königlicher Amtsträger (Beamter), der in seinem Amtsbezirk weitgehende administrative u. richterliche Befugnisse [sowie grundherrliche Rechte] hat.
2.
a) <o. Pl.> Adelstitel zwischen Fürst u. Freiherr:
Manfred G. [von] Senden;
der Titel »Graf«;
☆ wie G. Koks [von der Gasanstalt] (ugs. scherzh.; übertrieben, stutzerhaft o. Ä. herausgeputzt);
b) Mann mit Grafentitel:
der Besitz des -en.
* * *
I Graf
[althochdeutsch gravo, grafio, von mittellateinisch graphio, ursprünglich »königlicher Beamter«, von mittelgriechisch grapheús (byzantinischer Hoftitel), eigentlich »Schreiber«], mittellateinisch Comes, französisch Comte [kɔ̃t], englisch Earl [əːl] und Count [kaʊnt; für den nichtbritischen Graf], in neuerer Zeit Adelstitel, im Frühmittelalter ursprünglich bei den Franken und Angelsachsen königlicher Amtsträger und Stellvertreter des Königs in einem bestimmten Sachbereich (Burggraf, Pfalzgraf, Königsboten) oder in einem durch den Streubesitz des Königsguts nur lose bestimmten Amtsbezirk (Grafschaft, mittellateinisch Comitatus); später auch Bezeichnung für genossenschatliche Beauftragte in bestimmten Funktionen (z. B. Deichgraf).
Im Fränkischen Reich sorgte der stets dem Adel entstammende und vermutlich aus der königlichen Gefolgschaft hervorgegangene Graf in seinem Amtsbereich für die Durchsetzung der königlichen Wehr-, Rechts-, Verwaltungs- und Finanzhoheit, wobei der Amtsbereich allmählich erweitert wurde. Nach und nach wurde fast überall das Reich in Grafschaften als Verwaltungseinheiten gegliedert. Diese hielten sich nur zum Teil an die alten Gaugrenzen, vielfach wurden mehrere Gaue zusammengefasst, oft wurden auch - zumal in den stammesmäßig nichtfränkischen Reichsteilen - die alten Gaue zerschlagen. Die merowingisch-frühkarolingische Grafschaftsverfassung blieb zwar lückenhaft, erhielt aber Vorbildfunktion für das gesamte Abendland; Grafschaften gibt es heute z. B. noch in Großbritannien (County).
Schon unter den späteren Karolingern, dann zunehmend unter den Liudolfingern (Ottonen) und Saliern (10.-12. Jahrhundert), kam es im werdenden Heiligen Römischen Reich in räumlicher und personeller Hinsicht zu Einbrüchen in die alte Grafschaftsverfassung: Geistliche Gebiete wurden herausgelöst, Grafenrechte an Geistliche verliehen. Die tief greifendste Veränderung brachte aber die Umwandlung des Grafenamtes in ein Lehen und v. a. das seit dem 9. Jahrhundert bestehende Prinzip der Erblichkeit dieser Lehen; Grafschaften konnten nun vererbt, geteilt, verkauft, verpfändet und verschenkt werden. Gleichzeitig bildete sich der Dienstadel der Grafen zum Geburtsadel um, als Inhaber der hohen Gerichtsbarkeit gehörten die Grafen nun zum Hochadel. Die Amtsbezeichnung Graf wurde zur Standesbezeichnung; auf diesem Stand hielten sich seit den Staufern (12./13. Jahrhundert) allerdings nur diejenigen Grafen, denen es gelang, eine reichsunmittelbare Landesherrschaft auszubilden. Die übrigen Grafen, persönlich edelfrei, bildeten mit den freien Herren den vierten Heerschild. - Zu ihnen traten seit dem 14. Jahrhundert die durch königlichen Adelsbrief erhobenen Titelgrafen, während die reichsständischen Grafen (Reichsgrafen) seit dem 15. Jahrhundert mit Fürsten und Prälaten im Reichsfürstenrat zusammentraten. Zur Sicherung ihres Einflusses dort wurde das Stimmrecht der in verschiedenen Kurien innerhalb des Reichsfürstenrats auftretenden Grafen zu einer Kuriatstimme zusammengefasst. - Nach 1806 behielten die mediatisierten, reichsunmittelbaren Grafen die Ebenbürtigkeit mit den regierenden Häusern. Seit 1919 ist Graf in Deutschland nur noch ein Teil des Familiennamens, in Österreich ist der Titel abgeschafft. (Earl)
Graf,
1) Conrad, österreichischer Klavierbauer, * Riedlingen (Schwaben) 17. 11. 1782, ✝ Wien 18. 3. 1851; ging nach Abschluss einer Schreinerlehre nach Wien, wo er bei dem Instrumentenbauer Jacob Schelke arbeitete. Nach dessen Tod heiratete er 1805 die Witwe und übernahm die Leitung der Werkstatt. 1824 wurde ihm der Titel eines »kaiserlich-königlichen Hof-Pianoforte- und Klaviermachers« verliehen. Seine Instrumente wurden u. a. von L. van Beethoven, C. und R. Schumann und F. Chopin sehr geschätzt.
2) Dominik, Regisseur und Drehbuchautor, * München 6. 9. 1952; erwarb sich Anerkennung mit Spiel- und Fernsehfilmen (Kriminal- und Komödienfilme); auch Schauspieler.
Filme: Das zweite Gesicht (1982); Treffer (1984); Drei gegen Drei (1985); Die Katze (1987); Tiger, Löwe, Panther (1988); Spieler (1990); Die Sieger (1994); Frau Bu lacht (1995; Fernsehfilm).
3) Ferdinand, österreichischer Politiker, * Klagenfurt 15. 6. 1907, ✝ Wien 8. 9. 1969; Jurist, 1933-38 Direktor des Kärntner Bauernbundes, war nach dem »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich 1938-40 in KZ-Haft. 1945 schloss er sich der ÖVP an und wurde Direktor des Österreichen Bauernbundes. 1945-56 war Graf Staatssekretär im Innenministerium, 1956-61 Bundesminister für Landesverteidigung. Er legte die Grundlagen des neuen österreichischen Bundesheeres.
4) Herbert, amerikanischer Opernregisseur und Musikschriftsteller österreichischer Herkunft, * Wien 10. 4. 1903, ✝ Genf 5. 4. 1973; ging 1934 in die USA, wo er u. a. 1936-60 erster Regisseur an der Metropolitan Opera in New York war. 1960-63 Direktor der Oper in Zürich, seit 1965 Generaldirektor des Grand Théâtre in Genf; Gastregisseur an zahlreichen Opernhäusern Europas und der USA. Er schrieb u. a. »Opera for the people« (1951; deutsch »Aus der Welt der Oper«).
5) Oskar Maria, eigentlich Oskar Graf, Schriftsteller, * Berg (Landkreis Starnberg) 22. 7. 1894, ✝ New York 28. 6. 1967; war zunächst Bäckerlehrling in München; schloss sich nach dem Ersten Weltkrieg der revolutionären Gruppe um K. Eisner an; Tätigkeit an einer Arbeiterbühne als Dramaturg; 1933 emigrierte er über Österreich, die Tschechoslowakei und die UdSSR in die USA, wo er ab 1938 lebte; 1958 wurde er amerikanischer Staatsbürger. Den frühen Gedichten »Die Revolutionäre« (1918) folgten das viel beachtete autobiographische Zeitdokument »Wir sind Gefangene« (1927) und sozialkritische Novellen und Romane, die zum Teil auf eigenem Erleben beruhen. Zu seinem eigentlichen Stoff fand er in Dorf- und Kleinstadtromanen, in derb-realistischen volkstümlichen Schnurren und Schwänken, die die gesellschaftliche Realität in ihrer Rückständigkeit schildern, das Misstrauen, die harte Armut und die einfältige Borniertheit des provinziellen Milieus. In den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs entstand der utopische Roman »Die Eroberung der Welt« (1949, 1959 unter dem Titel »Die Erben des Untergangs«), in dem es um das Überleben nach einem dritten Weltkrieg und die Etablierung einer Weltregierung geht.
Weitere Werke: Romane: Die Chronik von Flechting (1925); Die Heimsuchung (1928); Bolwieser (1931, 1964 unter dem Titel Die Ehe des Herrn Bolwieser); Einer gegen alle (1932); Der harte Handel (1935); Der Abgrund (1936, 1976 unter dem Titel Die gezählten Jahre); Unruhe um einen Friedfertigen (1947); Die Flucht ins Mittelmäßige (1959); Er nannte sich Banscho (1964).
Erzählungen: Bayerisches Lesebücherl (1924); Das bayrische Dekameron (1928); Kalendergeschichte, 2 Bände (1929); Der Quasterl (1938); Der große Bauernspiegel (1962).
Gedichte: Amen und Anfang (1919).
Autobiographisches: Frühzeit (1922); Gelächter von außen (1966); Reise in die Sowjetunion 1934 (herausgegeben 1974).
Ausgabe: Ausgewählte Werke, 7 Bände (1982); Werkausgabe, herausgegeben von W. F. Schoeller, 13 Bände in 16 Teilen (Neuausgabe 1994).
O. M. G., hg. v. W. Dietz (1974);
R. Recknagel: Ein Bayer in Amerika. O. M. G. (Neuausg. 1978);
G. Bollenbeck: O. M. G. (1985);
G. Bauer: O. M. G. Ein rücksichtslos gelebtes Leben (Neuausg. 1994);
O. M. G., hg. v. H. L. Arnold (1994).
6) Stefanie (Steffi) Maria, Tennisspielerin, * Mannheim 14. 6. 1969; gewann zwischen 1987 und 1999 22 Grandslam-Turniere; im August 1987 löste sie Martina Navratilova als Weltranglistenerste ab; erreichte 1988 als dritte Spielerin in der Geschichte des Frauentennis den Grandslam, errang im selben Jahr bei den Olympischen Spielen in Seoul die Goldmedaille im Einzel- und die Bronzemedaille im Doppelwettbewerb (mit Claudia Kohde-Kilsch, * 1963). Sie gewann 1988-96 (außer 1990 und 1994) das Einzelturnier in Wimbledon. Ende März 1997 wurde sie nach insgesamt 377 Wochen (mit Unterbrechungen zwischen März 1991 und Juni 1995) als Weltranglistenerste durch die Schweizerin Martina Hingis (* 1980) abgelöst. 1986-89 und 1999 Sportlerin des Jahres, 1999 mit dem Olympischen Orden ausgezeichnet. - Seit 2001 verheiratet mit A. Agassi.
7) Urs, schweizerischer Goldschmied, Zeichner, Kupferstecher und Glasmaler, * Solothurn um 1485, ✝ Basel Ende 1527 oder Anfang 1528. Ausgebildet als Goldschmied, entwarf Graf u. a. Vorlagen für Gefäße, Medaillons, Prunkwaffen. 1519 wurde er in Basel zum amtlichen Stempel- und Münzeisenschneider bestellt. Graf führte ein unstetes Leben und nahm wiederholt an Kriegszügen teil. Sein Werk umfasst v. a. Zeichnungen für den Holzschnitt, Kupferstiche, Glasmalereien, Scheibenrisse sowie Rohrfederzeichnungen, zahlreicher derb-drastischer Darstellungen aus dem Landsknechts- und Volksleben.
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1Graf: 1↑Graph.
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2Graf: 3↑Graph.
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3Graf, der; -en, -en [mhd. grāve, ahd. grāvo, grāfio < mlat. graphio, urspr. = königlicher Beamter < (m)griech. grapheús (byzantin. Hoftitel), eigtl. = Schreiber, zu griech. gráphein = schreiben]: 1. (hist.) königlicher Amtsträger (Beamter), der in seinem Amtsbezirk weitgehende administrative u. richterliche Befugnisse [sowie grundherrliche Rechte] hat. 2. a) <o. Pl.> Adelstitel zwischen Fürst u. Freiherr: Manfred G. [von] Senden; der Titel „Graf“; *wie G. Koks [von der Gasanstalt] (ugs. scherzh.; übertrieben, stutzerhaft o. ä herausgeputzt): musst du dich immer so rausputzen, Junge? Du siehst aus wie G. Koks von der Gasanstalt (Chotjewitz, Friede 123); wie G. Rotz [von der Backe] (salopp abwertend; großspurig, anmaßend, dreist, unverschämt auftretend); b) Mann mit Grafentitel: der Besitz des -en ...; die kleinen -en Siebenklingen ... baten mich artig, eine Partie Krocket mit ihnen zu spielen (Th. Mann, Krull 27).
Universal-Lexikon. 2012.