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Gottsched
Gọttsched,
 
1) Johann Christoph, Gelehrter und Schriftsteller, * Juditten (heute zu Königsberg) 2. 2. 1700, ✝ Leipzig 12. 12. 1766, Ȋ mit 2); studierte Theologie, dann Philosophie in Königsberg (heute Kaliningrad) und wurde hier zum Anhänger des Philosophen der deutschen Aufklärung C. Wolff. 1724 flüchtete er vor preußischen Werbern nach Leipzig. Dort leitete er die »Deutschübende Poetische Gesellschaft«, die er als »Deutsche Gesellschaft in Leipzig« in den Dienst seiner sprach- und literaturreformerischen Ziele stellte. 1730 wurde er außerordentlicher Professor der Poesie, 1734 ordentlicher Professor der Logik und Metaphysik an der Leipziger Universität.
 
Als Kritiker und Spracherzieher wurde er zum Reformer der deutschen Literatur und zum geistigen Führer der Frühaufklärung. 1730 erschien der »Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen« (4., vermehrte Auflage 1751), das nach der Poetik von M. Opitz wirksamste deutsche Lehrbuch der Poetik. Darin wandte er sich gegen die von ihm als zu schwülstig empfundene Sprache der Dichtung des 17. Jahrhunderts, besonders in ihren späten Formen (D. C. von Lohenstein, C. Hofmann von Hofmannswaldau), und versuchte, allgemein gültige Regeln für die dichterische Produktion und den literarischen Geschmack zu entwerfen. Nach dem Vorbild des französischen Klassizismus (N. Boileau-Despréaux) erstrebte er eine ebenbürtige deutsche Literatur. Die drei Einheiten im Drama, Naturnachahmung, gesunde Vernunft, Klarheit des Stils sowie Geschmack und Witz waren die obersten Prinzipien. Verworfen wurden Regellosigkeit, das Wunderbare und Irrationale.
 
Seinen Bemühungen um Erneuerung des deutschen Dramas entsprach das Interesse für die Entwicklung einer Bühnen- und Schauspielkunst, die höheren Ansprüchen gewachsen war. Repertoire und Spiel der wandernden Schauspieltruppen waren bisher durch rohe Haupt- und Staatsaktionen und grobe Harlekinaden bestimmt. Gottsched fand Verständnis bei Friederike Caroline Neuber und deren Leipziger Schauspielergesellschaft. Auf ihrer Bühne wurde der Possenreißer und Hanswurst 1737 in sinnfälliger Vorführung vom deutschen Theater vertrieben. Wichtig war für Gottsched, die von Volksbelustigungen gereinigte Bühne mit neuen, regelgerechten Kunstdramen zu versorgen. Als Muster verfasste er das Trauerspiel »Der sterbende Cato« (1732, in Alexandrinern; großenteils in Anlehnung an ältere Cato-Dramen) und ließ seine Schüler nach französischen Vorbildern Stücke anfertigen oder übersetzen. Seine Frau Luise verfasste und übersetzte Lustspiele. 1741-45 sammelte er die seinen Vorschriften entsprechenden Stücke in »Die deutsche Schaubühne nach den Regeln und Exempeln der Alten« (6 Bände); hier war für ihn das vereinfachte Schema des französischen Spätklassizismus maßgebend. Nach 1740 brach seine Alleinherrschaft als Kunstrichter zusammen, sein Despotismus führte zu einem heftigen Literaturstreit über das Wunderbare mit J. J. Bodmer und J. J. Breitinger sowie durch ein neues Geschichtsbewusstsein und den aufkommenden Irrationalismus zu einer Fehde mit F. G. Klopstock, J. G. Herder und G. E. Lessing (17. Literaturbrief).
 
Im Alter wandte sich Gottsched u. a. der Bibliographie des deutschen Dramas zu (»Nöthiger Vorrath zur Geschichte der deutschen Dramatischen Dichtkunst«, 2 Bände, 1757-65). - Er trat auch als Übersetzer hervor (B. Le Bovier de Fontenelle, J. Racine, P. Bayle u. a.) und gab moralische Wochenschriften heraus (»Die vernünftigen Tadlerinnen«, 1725-26; »Der Biedermann«, 1728-29).
 
Weitere Werke: Erste Gründe der gesammten Weltweisheit, 2 Bände (1733-34); Ausführliche Redekunst. .. (1736); Gedichte (1736); Grundlegung einer deutschen Sprachkunst. .. (1748); Gesammlete Neueste Gedichte (1750); Beobachtungen über den Gebrauch und Mißbrauch vieler deutscher Wörter und Redensarten (1758).
 
Ausgaben: Gesammelte Schriften, herausgegeben von E. Reichel, 6 Bände (1903-06); Ausgewählte Werke, herausgegeben von J. Birke und P. M. Mitchell, 12 Bände (1968-89).
 
Literatur:
 
E. Reichel: G., 2 Bde. (1908-12);
 W. Rieck: J. C. G. (Berlin [Ost]1972);
 H. Freier: Krit. Poetik (1973);
 T. Unger: Handeln im Drama. Theorie u. Praxis bei J. C. G. u. J. M. R. Lenz (1993).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Gottscheds »Critische Dichtkunst« und ihre Gegner
 
 2) Luise Adelgunde Viktorie, geborene Kụlmus, genannt Gọttschedin, Schriftstellerin, * Danzig 11. 4. 1713, ✝ Leipzig 26. 6. 1762, erste Frau von 1); wurde J. C. Gottsched als Gattin (seit 1735) und »geschickte Freundin« eine Helferin, die ihn an literarischem Talent übertraf. Neben lyrischen Versuchen stehen Zeitschriftenbeiträge und Übersetzungen (J. Addison). Insbesondere übersetzte und bearbeitete sie französische Stücke (u. a. Molière). Sie verfasste aber auch selbst Lustspiele nach dem Vorbild der Franzosen und des Dänen L. Holberg und bahnte so der »sächsischen Typenkomödie« den Weg. Obwohl bald von J. E. Schlegel, C. F. Gellert u. a. übertroffen, bewies sie hier Talent zu realistischer, lebhafter und witziger Gestaltung: »Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. ..« (1736), »Das Testament«, »Der Witzling« (beide gedruckt in J. C. Gottscheds »Deutsche Schaubühne«), ferner »Die Hausfranzösin«. - Ihre Briefe (3 Bände) wurden zuerst 1771/72 herausgegeben.
 
Literatur:
 
V. C. Richel: L. G. A reconsideration (Bern 1973);
 H. Steinmetz: Die Komödie der Aufklärung (31978).
 

Universal-Lexikon. 2012.