Akademik

Barock
Ba|rock [ba'rɔk], das und der; -[s]:
Stil in der europäischen Kunst, Dichtung und Musik des 17. und 18. Jahrhunderts, der durch verschwenderische Formen und pathetischen Ausdruck gekennzeichnet ist:
das Zeitalter des Barock[s].

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ba|rọck 〈Adj.〉
1. zum Barock gehörend, aus ihm stammend
2. 〈fig.〉 verschnörkelt, überladen

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ba|rọck <Adj.> [frz. baroque < ital. barocco, eigtl. = sonderbar; unregelmäßig < port. barroco]:
a) im Stil des Barocks gestaltet, aus der Zeit des Barocks stammend; von üppigem Formenreichtum:
ein -er Bau;
-e Figuren;
die Ornamentik wirkt b.;
b) (bildungsspr.) seltsam, verschroben:
eine -e Fantasie, einen -en Geschmack haben.

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Barọck
 
[aus französisch baroque »sonderbar«, eigentlich »schief«, »unregelmäßig«] der oder das, -(s), Barọckzeitalter, ein Epochenbegriff hauptsächlich für das 17. und beginnende 18. Jahrhundert Unter den geläufigen Stilbezeichnungen ist Barock die einzige, die von einer Eigentümlichkeit der bildenden Kunst ausgeht. Das Wort (zurückgehend auf »barroca«, portugiesisch »Steinchen«, »unregelmäßige, schiefrunde Perle«) war zuerst ein Kunstausdruck im Juwelierhandwerk: französisch »perle baroque« (16. Jahrhundert), deutsch »Brockenperle«. Der französische Klassizismus machte das Wort zum allgemeinen Kunstausdruck mit dem Sinn »absonderlich«, »schwülstig«, »lächerlich«; ähnlich italienisch »barocco«, deutsch »barockisch« (18. Jahrhundert). Die Abwertung erhielt sich bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus. Noch J. Burckhardt war zunächst einer ihrer Wortführer, später jedoch bereit, den Barock »für das eigentliche Ende und Hauptresultat der lebendigen Architektur« zu halten.
 
Da die Kunst des Barocks für die Zeit des 17. Jahrhunderts besonders charakteristisch schien, untersuchte man Literatur und Musik dieser Zeit auf verwandte Züge. Im 20. Jahrhundert wurde der Stilbegriff Barock zum Epochenbegriff erweitert, etwa gleichlaufend mit der europäischen Geschichtsepoche des beginnenden Absolutismus.
 
Seit Burckhardt kam auch die Neigung auf, im Barocken die Spätform von Kunstentwicklungen überhaupt zu sehen, sodass man z. B. von barocken Phasen der Spätgotik oder der Spätantike sprach.
 
 Kunst
 
Barock ist die Kunst der Gegenreformation und des Absolutismus; wie in der Renaissance waren Kirche und Aristokratie ihre wichtigsten Förderer. Das Streben beider nach Repräsentation verwirklichte sich v. a. in Größe und Pathos der Kunstwerke. Ausgehend von Rom kam die Kunst des Barocks vor allem in den katholischen Ländern zur vollen Entfaltung. Besonders die Jesuiten brachten sie nach Norden und nach Lateinamerika (Jesuitenbaukunst). In den protestantischen Gebieten gab es kein geschlossenes Mäzenatentum; es entstanden herausragende Einzelleistungen.
 
In der Baukunst sind erste Anzeichen eines barocken Stils bereits in der Hochrenaissance zu finden. Die Hauptkennzeichen sind: starke Bewegtheit in geschwungenen Grund- und Aufrissformen, Unterordnung aller Einzelglieder unter das Ganze, Betonung der Kraft und der Spannung, gebrochene Giebel, reiches Schmuckwerk und malerische Gestaltung der Innenräume. Die Kirche Il Gesù in Rom, von G. da Vignola 1568 begonnen, ist der erste Barockbau. G. Della Porta, der die Wölbung und Fassade von Il Gesù schuf, und besonders C. Maderno sind die richtungweisenden Baumeister des Frühbarocks. Maßgebend für die europäische Entwicklung des neuen Stils waren die zum Hochbarock (von etwa 1630 bis um 1680) gehörenden Bauten von G. L. Bernini und F. Borromini in Rom. Die dynamische Bewegtheit der Bauten von Bernini (Sant'Andrea al Quirinale, Gestaltung des Petersplatzes) steigerte sich bei Borromini (San Carlo alle Quattro Fontane). Neben ihnen wirkten C. Rainaldi und Pietro da Cortona. Auch der Palastbau spielte eine bedeutende Rolle: Palazzo Barberini (Maderno, Bernini, Borromini), die Paläste Montecitorio (Bernini, C. Fontana) und Propaganda Fide (Borromini u. a.) in Rom. Wichtige Vertreter des Spätbarocks waren G. Guarini und F. Iuvarra in Turin. Eine mehr klassizistische Richtung knüpfte an die Bauten A. Palladios in Vicenza und Venedig an. Mit diesem Stil prägte I. Jones seit etwa 1620 in England die Profanarchitektur. In seiner Nachfolge stehen J. Vanbrugh und W. Kent. Stärker französischen Einflüssen verpflichtet sind die Bauten C. Wrens (Saint Paul's Cathedral in London, 1675 ff.). - In Frankreich verhinderte die in allen Jahrhunderten herrschende klassizistische Tendenz die Entfaltung einer hochbarocken Architektur. Es entstanden besonders Schlossbauten mit streng ausgerichteten Parkanlagen (Versailles, 1661 ff.). Die wichtigsten Baumeister dieser Zeit waren F. Mansart, L. Levau und J. Hardouin-Mansart, der führende Gartenarchitekt war A. Le Nôtre. - In der spanischen Barockbaukunst setzten sich von Borromini geprägte Formen durch, gelegentlich wurden Elemente nichtchristlicher Kunst aus Mittelamerika aufgenommen (Cartuja, Granada). Spätbarocke Bauten finden sich in ganz Spanien (u. a. Sakristei und Turm der Neuen Kathedrale in Salamanca).
 
In Deutschland, wo sich, v. a. bedingt durch den Dreißigjährigen Krieg, die Barockbaukunst erst im Spätbarock (seit etwa 1700) voll ausbilden konnte, fand die europäische Entwicklung ihren glanzvollen Abschluss. In Österreich wirkten J. B. Fischer von Erlach (Karlskirche, Wien, 1716-37), J. L. von Hildebrandt (Belvedere, Wien, vollendet 1723) und der Klosterbaumeister J. Prandtauer (Melk, 1702-26), in Böhmen die auch in Franken tätigen Baumeister der Familie Dientzenhofer. J. B. Neumann wirkte in Würzburg (Residenz, begonnen 1720), A. Schlüter in Berlin (Stadtschloss, 1699 ff.), M. Pöppelmann (Zwinger, 1711-28) und G. Bähr (Frauenkirche, geweiht 1734) in Dresden, die Brüder Asam (Klosterkirche Weltenburg, um 1716 ff.) in Bayern.
 
Der Barock war das große Zeitalter der Stadtbaukunst. Nicht nur geschlossene Platzanlagen entstanden (u. a. Rom: Petersplatz, Piazza Navona, Piazza del Popolo; Paris: Place des Vosges), auch ganze Stadtanlagen wurden nach großen Achsen hin orientiert oder in dieser Art gegründet (u. a. London, Amsterdam, Nancy, Mannheim, Karlsruhe, Erlangen).
 
In Russland entstanden durch die Gründung von Sankt Petersburg (1703) Bauaufgaben für ausländische Künstler (Schlüter, Vater und Sohn Rastrelli). Letzterer entwickelte zum Teil in riesigen Palastbauten (Winterpalais, ebenda, 1754-64) auf italienischer Grundlage eine russische Sonderform des Spätbarocks mit rhythmisch-plastische Gliederung der Außenfronten und großer Prachtentfaltung im Inneren. In seinen Kirchenbauten versuchte er, den spätbarocken Turmkuppelbau dem altrussischen Kultbau anzunähern (Smolnyjkloster und Kathedrale, Sankt Petersburg, 1748-54).
 
Die Architektur bildete, wie in der Gotik, den Rahmen für das Gesamtkunstwerk. Skulpturen Berninis und B. Permosers sind in den architektonischen Rahmen hineinkomponiert, für den sie geschaffen wurden, ebenso wie barocke Deckenmalereien (Pietro da Cortona, Rom, Palazzo Barberini; G. B. Tiepolo, Treppenhaus der Würzburger Residenz).
 
Kennzeichnend für die Bildhauerkunst des Barocks ist ihre freie und malerische, meist stark bewegte Art der Gestaltung, die sich ins Ekstatische steigern kann (reiche Gestik, aufgebauschte Gewänder). Vollendete Marmorbearbeitung mit glänzender Oberfläche unterstrich die Sinnlichkeit der üppig gestalteten Körper. In der Plastik führten A. Vittoria in Venedig, P. Bernini (seit etwa 1605) in Rom und F. Mochi in Piacenza zum neuen Stil. Der weithin wirkende Schöpfer war G. L. Bernini in Rom (frühe Plastiken in der Villa Borghese; Ausstattung in Sankt Peter; Brunnen: Vierströmebrunnen, Fontana del Moro, Fontana Tritone). Von ihm beeinflusst sind noch die Bildhauer des 18. Jahrhunderts, bis sich gegen Ende des Jahrhunderts mit A. Canova der Klassizismus durchsetzte. Neben Bernini wirkten besonders A. Algardi und F. Duquesnoy. In Frankreich, dessen Bildhauer eine maßvollere Haltung wahrten, war P. Puget dem Italiener Bernini am nächsten. Die französischen Bildhauer standen meist im Dienst des Königshofs. Neben Bildwerken zur Ausstattung der Schlösser, Grabmälern, Porträtbüsten des Adels, Statuen und Reiterstandbildern zur Verherrlichung des Monarchen entstanden in großer Vielfalt v. a. Figuren für Parkanlagen mit oft mythologischer Thematik, besonders von A. Coysevox und F. Girardon in Versailles.
 
Die Plastik des deutschen Barocks, für deren Entwicklung J. Glessker von entscheidender Bedeutung war (Kreuzigungsgruppe, Bamberger Dom, 1648-52), bildete sich erst seit der Wende zum 18. Jahrhundert voll aus. Bedeutende Bildhauer waren A. Schlüter in Berlin (Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten, 1696-1700), B. Permoser (Skulpturenschmuck des Dresdener Zwingers) und der dem Klassizismus näher stehende G. R. Donner (Brunnen auf dem Neuen Markt, Wien, 1737-39). Außerdem wirkten M. Guggenbichler in Oberösterreich sowie P. Egell, E. Q. Asam und J. A. Feuchtmayer in Südwest- und Süddeutschland, die sich alle bereits dem Rokoko näherten.
 
In der Malerei des Barocks traten neben religiösen Bildern weltliche Darstellungen, wie Genrebilder und Landschaften, stärker hervor. Der Begründer des neuen Stils war Caravaggio, dessen realistische Helldunkelmalerei in ganz Europa einflussreich war (Caravaggisten). Neben ihm war in Rom Annibale Carraci tätig, der v. a. die mehr akademische Richtung der Barockmalerei beeinflusste. Besondere Anerkennung erlangten außerdem die italienischen Maler Domenichino, Guercino, G. Reni, G. Lanfranco, Pietro da Cortona und A. Pozzo. Im Mittelpunkt der flämischen Malerei stand P. P. Rubens, der nach mehrjährigem Italienaufenthalt 1608 nach Antwerpen zurückgekehrt war. Neben ihm sind besonders A. van Dyck und J. Jordaens zu nennen. In den Niederlanden wirkten neben Rembrandt F. Hals, Vermeer van Delft, J. Ruisdael. Die Hauptmeister Spaniens waren Velázquez, B. E. Murillo und F. de Zurbarán. Die Franzosen N. Poussin, der Meister der »heroischen«, und C. Lorrain, der Meister der »idyllischen Landschaft«, lebten in Rom. Auch die beiden wichtigsten deutschen Maler des Frühbarocks waren in Italien tätig: A. Elsheimer in Rom und J. Liss in Venedig. Bedeutende Werke brachte die deutsche Malerei dann wieder im Spätbarock hervor, als ihr die Baukunst große Aufgaben für Deckenmalerei bot (C. D. Asam, M. Günther, F. A. Maulbertsch, J. B. Zimmermann).
 
 Literatur
 
Der durch die Kunstgeschichtsforschung erarbeitete Stilbegriff »barock« führte um 1920 zu einer Neubewertung der bis dahin als schwülstig und verstiegen verrufenen Dichtung des 17. Jahrhunderts. Scharfe Kontraste gelten als gemeinsamer Nenner aller barocken Erscheinungen: Leben und Tod, Zeit und Ewigkeit, Diesseitsfreude und Jenseitssehnsucht, Weltgenuss und religiöse Ekstase. Für den Barockstil ist kennzeichnend der Hang zur Übersteigerung und zu kühner Bildhaftigkeit. Architektur, Malerei, Musik, Tanz, Schauspielkunst vereinigen sich im Gesamtkunstwerk des Theaters, dessen Entwicklung für die Epoche besonders charakteristisch ist.
 
Den barocken Stil zeigt besonders die spanische Barockliteratur. Außergewöhnliches Reichtum an Metaphern, Bildern, kunstvollen Wortverbindungen und metrischer Varietät sind für Calderón de la Barca, den maßgeblichsten der vielen Dramatiker des 17. Jahrhunderts, der in Nachfolge Lope F. de Vegas dreiaktige Comedias schrieb und außerdem der bedeutendste Vertreter des Auto sacramental ist, kennzeichnend. In der Lyrik (L. de Góngora y Argote, F. G. de Quevedo y Villegas) und auch in der aphoristischen Prosa eines B. Gracián y Morales finden sich Versuche, durch ausgeklügelte Ausnutzung aller Möglichkeiten des Vergleichs, der Metapher usw. entweder den Leser zum scharfen Nachdenken und Kombinieren (»conceptismo«) zu veranlassen oder gar den verhüllten Sinn nur einer gelehrten Interpretation zu öffnen (»cultismo«, »culteranismo«, Gongorismus). spanische Literatur.
 
In Italien ist die barocke Lyrik des Seicento, d. h. des 17. Jahrhunderts (daher die Bezeichnung »secentismo« für den Stil dieser Zeit), undenkbar ohne die Wiederbelebung des antiken Mythos in der Renaissance und die Sprachreinigung durch P. Bembo, der F. Petrarca zur formalen Norm erhebt. Trotz der genannten Ansätze zur Erneuerung brachte erst G. Marino den Durchbruch. Er erhob die Auffindung des Neuen im Thematischen und in der Form zum tragenden Grundsatz seines Schaffens. Nicht die Befriedigung des Gefühls, sondern des Verstandes wird bei ihm und seinen Nachahmern das Anliegen der Poesie (Marinismus). Doch wird das Bild des italienischen Barocks einseitig ohne Einbeziehung G. Chiabreras, der, thematisch Marino ähnlich, v. a. um eine Erneuerung der metrischen Form durch die Schaffung der variationsreichen Canzonetta bemüht war und gleichfalls viele Nachahmer fand. Das bedeutendste Zeugnis barocker Prosa ist G. Basiles Märchensammlung »Lo cunto de li cunti« (1634-36, 1674 unter dem Titel »Pentamerone«). italienische Literatur.
 
Auch die klassische Literatur Frankreichs wird inzwischen im Rahmen einer gesamteuropäischen Barockliteratur betrachtet, wie schon zuvor die groteske, die burleske und die preziöse Dichtung dieser Epoche in Frankreich. Gleichwohl wird die Unterschiedlichkeit der Stilformen innerhalb der französischen Literatur und generell ihre Eigenständigkeit im Verhältnis zur italienischen und zur spanischen Literatur gesehen.
 
In England umfasst der literarische Barock im Wesentlichen die Zeit des Puritanismus und der Restauration. (englische Literatur)
 
Für die deutsche Literatur des 17. Jahrhunderts hat sich die Bezeichnung »Barock« allmählich durchgesetzt. Die deutsche Barockliteratur entstand als geplante Leistung einer kleinen Gelehrtenschicht aus dem Vakuum, das der Niedergang der stadtbürgerlichen Kultur des 16. Jahrhunderts hinterlassen hatte. Sie gehört in den großen Rahmen der höfischen Kultur, in der jedoch bildende Künste und Musik eine erheblich größere Rolle spielten als die Dichtung. Die Grenze zwischen den Ländern der Reformation und der Gegenreformation scheidet die katholische Bildkunst von der protestantischen Wortkunst der mitteldeutschen und schlesischen Länder. Dichtung war in diesem Zeitalter weitgehend nicht originale Schöpfung aus Erlebnis oder Überzeugung, sondern meist Nachahmung und Abwandlung von kanonischen Mustern sowie Anwendung von erlernbaren Regeln, die in den zahlreichen Poetiken niedergelegt waren. Sie unterwarf sich den für jede Dichtungsgattung vorgeschriebenen Gesetzen und verwendete vorgefertigte Formeln (Topoi), gesuchte Metaphern und tiefsinnige Embleme. Ihre Ausübung setzte artistisches Talent und ausgebreitete Kenntnisse voraus. Ihr vorherrschender Zweck war moralische Belehrung im Geiste eines pessimistischen Neostoizismus angesichts der Unbeständigkeit alles Irdischen, was auch der - nicht zuletzt durch den Dreißigjährigen Krieg hervorgerufenen - allgemeinen Lebensstimmung entsprach.
 
Stifter dieser neuen Dichtung war der Schlesier M. Opitz (Poetik, 1624). Gefördert wurde sie u. a. von den Sprachgesellschaften. Dichterkreise bildeten sich in Königsberg, Hamburg und Nürnberg. Der Schwerpunkt der Kunstpoesie war Schlesien (A. Gryphius, D. C. von Lohenstein, C. Hofmann von Hofmannswaldau). Besondere Bedeutung hatte daneben das Kirchenlied (P. Gerhardt, P. Fleming u. a.). Beim Roman herrschten zwei Formen vor: der heroisch-galante Roman und der Schelmenroman; Letzterer zeigt mit J. J. C. von Grimmelshausens »Simplicissimus« den einzigen weltliterarischen Beitrag der deutschen Literatur im Barock (deutsche Literatur) - Eine bedeutende Ausdrucksform barocken Geistes war auch das neulateinische geschriebene Jesuitentheater (u. a. mit J. Bidermann und N. Avancini).
 
 Musik
 
Barockmusik heißt seit Anfang der 1920er-Jahre die Musik von etwa 1600 bis 1750, die nach ihren musikalischen Merkmalen auch als Generalbasszeitalter (H. Riemann) oder als Zeitalter des konzertierenden Stils (J. Handschin) bezeichnet wird. Der Anfang dieser Epoche wird durch das Aufkommen der Generalbassmonodie 1600 (G. Caccini, I. Peri) markiert (die das Entstehen der für die folgenden Jahrhunderte wichtigen Gattungen der Oper, der Kantate und des Oratoriums ermöglichte), durch die Blüte der mehrchörigen Musik in Venedig (A. und G. Gabrieli) und die rasche Entfaltung selbstständiger, anspruchsvoller Instrumentalmusik (W. Byrd, J. P. Sweelinck). Hinter diesen Erscheinungen steht das Streben nach sinnlichen Effekten, insbesondere nach Affektausdruck und dramatischem Gestus. Neben die kontrapunktische Polyphonie treten Monodie und Generalbass. Die Lehre von den musikalischen Stilen (v. a. Kirchen-, Kammer- und Theaterstil) wird ausgebildet. Das Konzertieren (»Zusammenwirken«, auch »Wettstreiten«) von alternierenden Klanggruppen oder von Solisten und Begleitgruppe wird überall beliebt.
 
In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts (Frühbarock) war neben dem Entstehen der genannten neuen Gattungen die Umstellung der alten (Madrigal, Motette) auf die neue monodische Satztechnik (C. Monteverdi, H. Schütz) der wichtigste Vorgang. In der zweiten Jahrhunderthälfte (Hochbarock) entwickelte sich im Bereich von Oper und Kantate die Da-capo-Arie mit ausgebildetem Instrumentalritornell (F. Provenzale, A. Scarlatti), und innerhalb der Instrumentalmusik entstand nach der Konsolidierung der Klaviersuite (J. J. Froberger) und der Triosonate (als Kirchen- und als Kammersonate) das Concerto grosso (A. Corelli). In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Spätbarock) eroberte die neue Form des Solokonzerts (A. Vivaldi) rasch ganz Europa und wurde, neben der Ouvertürensuite (G. P. Telemann), zur orchestralen Hauptform.
 
Den Höhepunkt der Barockmusik bilden G. F. Händel und J. S. Bach, die - gleichsam beide zusammengenommen - die Möglichkeiten der epochalen Spätphase umfassend repräsentieren: In den Gattungen der Orchester-, Kammer- und Orgelmusik überschneiden sie sich, doch innerhalb der Vokalmusik ist Händel mit seinen Opern und Oratorien ein zukunftweisender Komponist von publikumsbezogener Musik, während Bach mit seinen Kantaten, Passionen und Messen die kirchlich gemeindebezogene Musik zu einem Höhepunkt führte.
 
Das Ende der Barockmusik ist gekennzeichnet durch die Abkehr von Kontrapunkt und Generalbass, die Auflösung der Affektenlehre und der musikalischen Rhetorik, das Aufkommen des empfindsamen Stils und des galanten Stils, in dem sich eine neue, die bürgerliche Musikkultur ankündigt.
 
 Wissenschaften ·Theologie ·Philosophie
 
Das geistige Leben wurde im Wesentlichen von der scholastischen Tradition beherrscht. Lateinunterricht, wenige Kenntnisse des alten Lehrkanons und die christlichen Lehrstücke blieben Inhalt des Schulunterrichts. Auch in den protestantischen Ländern wurde die scholastische Überlieferung weitergeführt. Wenige Lateinschulen oder Universitäten wandten sich neuen Zielen zu, so die Gymnasien in Weißenfels (C. Weise), München (J. Bidermann), Weißenburg (Karlsburg) in Siebenbürgen (M. Opitz), die neu gegründete Universität Halle. Einzelne überragende Gestalten wie A. Comenius oder W. Ratke suchten Allwissen (Pansophie), enzyklopädische Gesamtschau und didaktische Einzelarbeit in das christliche Lebensbild einzufügen.
 
Die beherrschende Gelehrtensprache blieb weiterhin das Lateinische, daneben verbreitete sich das Französische (G. W. Leibniz). 1687 hielt C. Thomasius die erste öffentliche Universitätsvorlesung in deutscher Sprache. Zugleich entstanden mathematisch-naturwissenschaftlichen Forschungen grundlegender Art. Wegbereitend war die wachsende Loslösung der Naturforschung in Methode und Begrifflichkeit von philosophisch-metaphysischer Spekulation. In der Mathematik wurden durch die Entwicklung der analytischen Geometrie (R. Descartes) und der Differenzial- und Integralrechnung (Leibniz, I. Newton) die Grundlagen für die Mathematik der Neuzeit gelegt. In den Naturwissenschaften gelangen, besonders durch die Verbindung von Rechnung und Beobachtung, eine Reihe entscheidender Entdeckungen (J. Keplers Gesetze der Planetenbewegung, Newtons Gravitationsgesetz). An diesem Aufschwung hat die Erfindung von Mikroskop und Fernrohr zu Beginn des 17. Jahrhunderts wesentlichen Anteil. Auf medizinischem Gebiet war die größte Entdeckung die des Blutkreislaufes (W. Harvey).
 
In der katholischen Kirche entstand Mitte des 16. Jahrhunderts als Antwort auf die Erschütterungen durch die Reformation eine Reformbewegung, die nicht allein auf Bewahrung und Verteidigung (Gegenreformation), sondern auf Erneuerung der Tradition abzielte. Sichtbaren Ausdruck fand sie v. a. in den Reformdekreten und Glaubensdefinitionen des Tridentinums, in dem Auftreten neuer religiöser Orden (z. B. Jesuiten, Kapuziner), in der regen Missionstätigkeit (Franz Xaver), in der Volksfrömmigkeit und in einem mystischen Erleben Gottes (u. a. Ignatius von Loyola, Theresia von Ávila).
 
Die Philosophie vereinigte mit immer noch scholastischer Grundhaltung starke Einschläge allheitlichen Denkens. Von Spanien ging im 16. Jahrhundert eine von Jesuiten und Dominikanern getragene Erneuerung der Scholastik (Barockscholastik) in der Schulphilosophie und Schultheologie aus. Ihre Zentren waren die Universitäten in Salamanca, Alcalá, Coimbra, Paris, Oxford, Köln, Dillingen an der Donau, Ingolstadt, Padua sowie das Collegium Romanum (Gregoriana). Um 1500 wurden in Italien grundlegende Kommentare zu Thomas von Aquino verfasst (u. a. von T. Cajetanus). Zur Barockscholastik zählten die Dominikaner F. de Vitoria, Begründer der Schule von Salamanca, D. de Soto, M. Cano, D. Báñez sowie die Jesuiten P. da Fonseca, L. de Molina, G. Vázquez und als bedeutendster Vertreter F. Suárez. Unter ihrem Einfluss stand im 17. Jahrhundert neben den katholischen Universitäten auch die Schulmetaphysik zahlreicher protestantischer Akademien und Universitäten Die geistige Grundlage der Barockscholastik bildete eine Renaissance der aristotelischen und thomistischen Tradition. Zunächst waren die philosophischen Werke vorwiegend Kommentare zu den Schriften des Aristoteles und des Thomas von Aquino. Im Unterschied zur Scholastik des Mittelalters verband die Barockscholastik unter dem Einfluss der Reformation und des Humanismus (Rückkehr zu den klassischen Sprachen und Texten) mit der spekulativ-systematische die historisch-positive Methode. Wegweisend waren die Ansätze in der Natur- und Völkerrechtslehre (de Vitoria, Suárez, Vázquez) für die Naturrechtslehren des 17. und 18. Jahrhunderts (u. a. für J. Althusius, J. Grotius) sowie die Ansätze in der Wirtschafts- und Sozialethik. - Das Philosophieren im Übergang zur Aufklärung prägten die umfassenden, an der mathematisch-mechanische Weltauffassung der Naturwissenschaften orientierten Lehrgebäude von Descartes, T. Hobbes, B. Spinoza und G. W. Leibniz.
 
 Lebensformen
 
Das heute typisch erscheinende Leben der Barockzeit vollzog sich an den Höfen der weltlichen und geistlichen Fürsten. Sie waren in ihrer Lebensgestaltung besonders vom Hof in Paris beeinflusst, auch in den Grundzügen der Politik. Die Gesellschaft war ständisch geordnet. Der »Galanthomme« wurde zum Leitbild. Die Sprache der Höfe und der gehobenen Gesellschaft war das Französische. Die beherrschende Lehre in der Wirtschaft war der Merkantilismus, der den politisch vereinheitlichten Staat (z. B. in Frankreich) auch zum einheitlichen Wirtschaftsraum zu machen suchte.
 
Im gesellschaftlichen Leben wurde der Besuch von Theater und Oper üblich; es wurden Aufzüge, Feste und Maskeraden veranstaltet. Das höfische Zeremoniell, vom Tanzmeister geleitet, gab allem die äußere Form. Titel und weitläufige Anreden spielten eine große Rolle. Bankette bei Hof prunkten mit kunstreich hergestellten Schaugerichten. Serviette, Messer und Gabel, zuvor noch nicht allgemein verwendet, Geschirr aus Silber (wohl auch Gold) oder Zinn, Fayence und Glas kamen in Gebrauch. Tee wurde durch J. Mazarin eingeführt, Kaffee war seit der Belagerung Wiens durch die Türken populär. Schokolade kam aus Mexiko nach England (1657) und Frankreich (1661). Musik gehörte weithin zu Festlichkeiten, sei es als Tafelkonzert oder als Gesellschafts- und Trinklied.
 
Die Kleidung war ein wesentliches Element der Repräsentation. Große Kragen und Ärmel betonten die Schultern. Um 1670 setzte sich die französische Mode durch; Justaucorps, Strumpf und hoher Schuh streckten die Figur des Herrn, die Dame trug Dekolleté, Mieder und/oder Korsett, der vorn aufgeschnittene Oberrock endete in einer Schleppe. Hochgetürmte Fontange, beim Herrn die Allongeperücke vollendeten den Aufzug. - Zur Aufbewahrung der Kleider diente der große ungeteilte Schrank. Neu in den Wohnräumen waren Büfett und Schreibschrank. Tisch und Lehnen der Stühle sowie Sessel bekamen gedrehte Säulen. Als Ornament herrschte das Knorpelwerk vor. Die braune Ledertapete mit Ornamenten in Rot und Gold wurde abgelöst durch Stoffbehang, erst später durch aufgeklebte Papiertapeten. Die Fußböden erhielten Parkett; Türrahmen und Treppengeländer wurden geschnitzt. Gipsdecken mit Stuckornamenten hellten die Zimmer auf. Beliebt waren große Planspiegel über dem Kamin.
 
Vom Lebensstil der Höfe unterschied sich erheblich der der bäuerlichen und bürgerlichen Schichten, wenngleich begüterte Bürger und der Landadel den Vorbildern nacheiferten. In Deutschland erholten sich die breiten Volksschichten nur allmählich von Not und Elend des Dreißigjährigen Krieges. Oft wurden ganze Volksgruppen zur Annahme einer anderen Konfession gezwungen oder vertrieben.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Abendland · Absolutismus · Alchimie · Aufklärung · Gegenreformation · Klassizismus · Merkantilismus · Mystik · Pietismus · Renaissance · Rosenkreuzer
 
Literatur:
 
Kunst:
 
J. W. Pope-Hennessy: Italian high Renaissance and Baroque sculpture (London 1963);
 R. Wittkower: Art and architecture in Italy, 1600 to 1750 (Baltimore, Md., 21965);
 E. Hubala: B. u. Rokoko (1971, Neuausg. 1978);
 A. Pigler: B.-Themen, 2 Bde. (Budapest 21974);
 C. Norberg-Schulz: Architektur des B. (a. d. Ital., 1975; Neuausg. u. d. T. B. 1985);
 C. Norberg-Schulz: Architektur des Spät-B. u. Rokoko (a. d. Ital., 1975; Neuausg. u. d. T. Spät-B. u. Rokoko 1985);
 W. Hager: B. Architektur, in: Kunst der Welt, Bd. 10 (21979);
 W. Hager: B. Skulptur u. Malerei, in: Kunst der Welt, Bd. 4 (21980);
 
Kunst u. Kultur des B. u. Rokoko, hg. v. A. Blunt (a. d. Engl., 1979);
 H. Bauer: B. Kunst einer Epoche (1992);
 
B.-Möbel, Beitrr. v. U. Dobler (1993).
 
 
J. Rousset: La littérature de l'áge baroque en France (Paris 31972);
 W. Barner: Der literar. B.-Begriff (1975);
 
Dt. B.-Lit. u. europ. Kultur, hg. v. M. Bircher u. E. Mannack (1977);
 P. N. Skrine: The baroque (London 1978);
 W. Floeck: Die Literaturästhetik des frz. B. (1979);
 W. Emrich: Dt. Lit. der B.-Zeit (1981);
 R. Baur: Didaktik der B.-Poetik (1982);
 
German baroque literature. The European perspective, hg. v. G. Hoffmeister (New York 1983);
 
Barocker Lust-Spiegel. Studien zur Lit. des B., hg. v. M. Bircher u. a. (Amsterdam 1984);
 E. Trunz: Weltbild u. Dichtung im dt. B. (1992);
 M. Wehrli: Humanismus u. B. (1993).
 
 
C. Sachs: Die B.-Musik, in: Jb. der Musikbibliothek Peters, Jg. 26 (1919);
 
R. Haas: Die Musik des B. (1929, Nachdr. 1979);
 
S. Clercx: Le baroque et la musique (Brüssel 1948);
 
H. H. Eggebrecht: B. als musikgeschichtl. Epoche, in: Aus der Welt des B., hg. v. R. Alewyn u. a. (1957);
 
J. R. Anthony: French baroque music (Neuausg. New York 1981);
 
W. Braun: Die Musik des 17. Jh. (1981);
 
R. Dammann: Der Musikbegriff im dt. B. (21984);
 
Lex. Orchestermusik B., hg. v. W. Konold (1991);
 
C. V. Palisca: Baroque music (Englewood Cliffs, N. J., 31991).
 
Wissenschaften, Philosophie:
 
M. Wundt: Die dt. Schulmetaphysik des 17. Jh. (1939);
 
H.-J. Schoeps: Dt. Geistesgesch. der Neuzeit, Bd. 2: Das Zeitalter des B. (1978);
 
M. Ashley: Das Zeitalter des B. Europa zw. 1598 u. 1715, in: Kindlers Kulturgesch. Europas (Neuausg., a. d. Engl., 1983);
 
J. Hirschberger: Gesch. der Philosophie, Bd. 2 (121984).
 
 
W. Treue: Illustrierte Kulturgesch. des Alltags (1952);
 
W. Flemming: Dt. Kultur im Zeitalter des B. (21960);
 
J. Stockar: Kultur u. Kleidung der B.-Zeit (Zürich 1964);
 
P. Chaunu: Europ. Kultur im Zeitalter des B. (a. d. Frz., 1968);
 
B. in Baden-Württemberg, Ausst.-Kat. Bruchsal, 2 Bde. (1981);
 
W. Fleischhauer: B. im Herzogtum Württemberg (21981);
 
Die Frau im B., hg. v. H. Möbius (1981).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Barockarchitektur in Italien
 
Barockarchitektur in Mitteleuropa
 
Barockarchitektur: Klassizistische Tendenzen
 
Barock: Das Ende Alteuropas
 
barocke Malerei in Deutschland und Österreich: Aus dem Dunkel zum Licht
 
barocke Malerei in Frankreich: Schrecken des Krieges und ideale Landschaften
 
barocke Malerei in Italien: Naturalismus und Illusion
 
barocke Malerei in Spanien: Stille Ekstasen
 
barocke Skulptur: Heilige und Götter, Engel und Putten
 
Barockmusik: Die Oper
 
deutsche Literatur: Lyrik des Barocks zwischen Pathos und Innerlichkeit
 
Renaissance und Barock: Aufbruch in die Neuzeit
 
Rom zur Zeit der Renaissance und des Barock
 

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Ba|rọck, das od. der; -s (Fachspr. auch: -): a) durch kraftvolle, verschwenderisch gestaltete Formen u. pathetischen Ausdruck gekennzeichneter Stil in der europäischen Kunst, Dichtung u. Musik von etwa 1600 bis 1750: das Zeitalter, die Kirchen, die Musik, die Sprache des -s; b) Barockzeit[alter]: die Literatur im B.

Universal-Lexikon. 2012.