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Georgien
Ge|ọr|gi|en; -s:
Staat in Transkaukasien.
Dazu:
Ge|ọr|gi|er, der; -s, -;
Ge|ọr|gi|e|rin, die; -, -nen;
ge|ọr|gisch <Adj.>.

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Geọrgi|en,
 
 
Kurzinformation:
 
Fläche: 69 700 km2
 
Einwohner: (2000) 5,4 Mio.
 
Hauptstadt: Tiflis (Tbilissi)
 
Amtssprache: Georgisch
 
Nationalfeiertag: 26. 5.
 
Währung: Lari (GEL) = 100 Tetri
 
Zeitzone: 1500 Uhr Tiflis = 1200 Uhr MEZ
 
Grusi|nien, georgisch Sakartwẹlo, amtlich Sakartwẹlos Respụblika, deutsch Republik Georgien, Staat in Transkaukasien, Mitgliedsstaat der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), grenzt im Westen an das Schwarze Meer, im Norden an Russland, im Osten und Südosten an Aserbaidschan und im Süden an Armenien und die Türkei. Mit einer Fläche von 69 700 km2 ist Georgien fast so groß wie Bayern; (2000 ) 5,4 Mio. Einwohner; Hauptstadt ist Tiflis. Amtssprache ist Georgisch, in Abchasien auch Abchasisch. Währung ist der Lari (GEL), der am 25. 9. (gestaffelt bis zum 2. 10.) 1995 den im April 1993 eingeführten Georg. Kupon (GEK) ablöste. Uhrzeit: 1500 Tiflis = 1200 MEZ.
 
 Staat und Recht:
 
Verfassung:
 
Nach der am 24. 8. 1995 verabschiedeten und am 17. 10. 1995 in Kraft getretenen Verfassung ist Georgien eine präsidiale Republik. Staatsoberhaupt und oberster Inhaber der Exekutive ist der mit weitgehenden Vollmachten ausgestattete Staatspräsident. Er wird auf fünf Jahre direkt gewählt (einmlige Wiederwahl möglich). Erreicht im ersten Wahlgang keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von mindestens 50 %, so ist im zweiten Wahlgang eine Stichwahl zwischen den beiden erfolgreichsten Bewerbern erforderlich. Der Staatspräsident bestimmt die Richtlinien der Politik, steht der Regierung vor und ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte sowie Vorsitzender des nationalen Sicherheitsrates, ist aber dem Parlament gegenüber verantwortlich. Er beruft die ihm gegenüber rechenschaftspflichtigen Minister, deren Ernennungen der nachträglichen Zustimmung des Parlaments bedürfen. Die laufende Tätigkeit der Regierung wird von einem Staatsminister koordiniert.
 
Die gesetzgebende Gewalt liegt beim Einkammerparlament (Legislaturperiode vier Jahre), von dessen 235 Abgeordneten 150 nach dem System der Verhältniswahl mit landesweiten Listen (Sperrklausel von 7 %) und 85 nach dem System der Mehrheitswahl in Einzelwahlkreisen zu wählen sind. In der autonomen Republik Abchasien und dem autonomen Gebiet Südossetien fanden aufgrund von Unabhängigkeitsbestrebungen 1999 keine Wahlen statt. Die Verfassung sieht für die Zeit der Wiederherstellung der territorialen Integrität Georgiens eine zweite Parlamentskammer vor, die die unterschiedlichen Gebietseinheiten vertreten soll. Eine begrenzte Autonomie für Abchasien, Adscharien und Südossetien ist vorgesehen. Zuständig für die Normenkontrolle ist das Verfassungsgericht, dessen 9 Richter für eine Amtszeit von 10 Jahren berufen werden, je 3 vom Präsidenten, dem Parlament und dem Obersten Gericht.
 
Parteien:
 
Seit der Einführung des Mehrparteiensystems 1990 ist eine stark zersplitterte, von Spaltungen, Fusionen und Blockbildungen geprägte Parteienlandschaft entstanden. Über den derzeit größten Einfluss verfügen die Bürgerunion (gegründet 1993 als parlamentarisches Bündnis für Demokratie und marktwirtschaftliche Reformen), das Wahlbündnis 21. Jahrhundert, Demokratie und Wiedergeburt (gegründet 1999, vereint sowohl national wie links orientierte Parteien), die Wahlallianz Unternehmertum rettet Georgien (gegründet 1999, konservativ-liberal) und die Partei der Arbeit (gegründet 1997, sozialdemokratisch). An Einfluss verloren hat die nationalistische Nationaldemokratische Partei.
 
Wappen:
 
In der Mitte des Wappens ist der heilige Georg, der Schutzpatron Georgiens, über den Berg Elbrus reitend, dargestellt. Darüber symbolisieren Mond und Sonne die historischen Königreiche sowie fünf Sterne die alten Fürstentümer. Das Ganze wird von einem Ornamentkranz umschlossen, der in einem siebenzackigen Stern ruht. Ornamentkranz und Stern entstammen der georgischen Folklore.
 
Nationalfeiertage:
 
26. 5. zur Erinnerung an die Ausrufung der Unabhängigkeit 1918.
 
Verwaltung:
 
Georgien ist in 9 Distrikte, 65 Regionen und 5 direkt der Regierung unterstehende Städte gegliedert. Zum Staatsgebiet gehören außerdem die autonomen Republiken Adscharien und Abchasien sowie das autonome Gebiet Südossetien (Autonomiestatus 1990 von Georgien aufgehoben), die über eigene Legislativ- und Exekutivorgane verfügen. Abchasien und Südossetien stehen derzeit nicht und Adscharien nur eingeschränkt unter Kontrolle der georgischen Regierung.
 
Recht:
 
Formell bestehen zwei zweistufige Gerichtsbarkeiten. Die für Zivil- und Strafsachen zuständige ordentliche Gerichtsbarkeit wird in erster Instanz von den Kreisgerichten, in zweiter Instanz vom Obersten Gericht ausgeübt, wobei die beiden autonomen Republik über eigene Oberste Gerichte als Zwischeninstanzen verfügen. Für wirtschaftsrechtliches Verfahren sind in erster Instanz vier Arbitragegerichte und in zweiter Instanz das Oberste Arbitragegericht zuständig. Außerdem bestehen Militärgerichte. Die Richter der beiden Obersten Gerichte werden vom Parlament gewählt, die übrigen Richter vom Staatsoberhaupt ernannt und jeweils für zehn Jahre bestellt. Die zentralistisch organisierte Staatsanwaltschaft ist neben der Strafverfolgung auch für die allgemeine Rechtsaufsicht in Zivil- und Verwaltungsangelegenheiten zuständig.
 
Streitkräfte:
 
Die innenpolitischen Zustände in Georgien lassen gegenwärtig kaum Angaben über die georgischen Streitkräfte zu. Die Stärke der Regierungstruppen ist nicht genau bekannt. Gemäß KSE-Vertrag (VKSE) darf Georgien 220 Kampfpanzer, 220 gepanzerte Kampffahrzeuge, 285 Artilleriegeschütze, 100 Kampfflugzeuge und 50 Kampfhubschrauber sowie laut KSE-Ia-Vertrag eine Truppenstärke von insgesamt 40 000 Mann besitzen.
 
 Landesnatur und Bevölkerung:
 
Landschaft:
 
Georgien ist überwiegend ein Gebirgsland mit starken Relief- und Klimaunterschieden auf engstem Raum. Etwa 50 % des Landes liegen über 1 000 m über dem Meeresspiegel, nur ein knappes Viertel in Höhenlagen bis zu 500 m über dem Meeresspiegel. Das Land erstreckt sich zwischen der vergletscherten Hauptkette des Großen Kaukasus im Norden und Nordosten, dem Kleinen Kaukasus im Süden und dem Schwarzen Meer im westlichen und mittleren Teil Transkaukasiens. Im Norden umfasst Georgien weite Bereiche der Südabdachung des Großen Kaukasus mit dem Schchara (5 068 m über dem Meeresspiegel) und dem Kasbek (5 033 m über dem Meeresspiegel) als die höchsten Erhebungen des Landes, im Süden liegen die westlichen Teile des Kleinen Kaukasus (Mepiszkaro, 2 850 m über dem Meeresspiegel) und des Ararathochlandes (Großer Abul, 3 301 m über dem Meeresspiegel). Zwischen dem Großen und dem Kleinen Kaukasus sind die Zwischengebirgsregionen eingebettet: im Westen die sich zum Schwarzen Meer hin öffnende Kolchis am unteren Rioni, weiter östlich die transkaukasische Becken- und Senkungszone im Einzugsbereich der in der Türkei entspringenden Kura mit Innerkarteli-, Unterkarteli- und Alasan-Hochebene. In den fruchtbaren Niederungen konzentrieren sich die Siedlungsschwerpunkte. Größter Fluss ist die Kura, die ins Kaspische Meer mündet. Zum Schwarzen Meer hin entwässern u. a. Rioni, Inguri und Tschoroch. Die gefällereichen Flüsse werden zur Energiegewinnung und Bewässerung genutzt.
 
Klima:
 
Georgien liegt im Übergangsbereich vom subtropischen zum gemäßigten Klima. Im Westen herrscht im Bereich der Kolchis bis in Höhenlagen von 600 m über dem Meeresspiegel feuchtes, subtropisches Klima (Niederschläge 300-800 mm/Jahr), die östlichen Landesteile stehen unter kontinentalem Einfluss und weisen in der Regel ein trockenes Klima auf. Die Gebiete an der Schwarzmeerküste haben mäßig kalte Winter und lange warme Sommer bei sehr hoher Luftfeuchtigkeit. Die dem Schwarzen Meer zugeneigten Hänge erhalten die meisten Niederschläge (an der adscharischen Küste 2 400-3 000 mm/Jahr). In Ostgeorgien schwanken die Jahresniederschläge zwischen 400 und 700 mm, die geringsten Niederschläge fallen im Südosten in der Gardabani- und Eldarsteppe. In den Gebirgsregionen ist das Klima starken Schwankungen unterworfen. Die niedrigsten Temperaturen (bis —40 ºC ) werden im Dschawetischen Bergland im Kleinen Kaukasus gemessen.
 
Vegetation:
 
Etwa ein Viertel der Landesfläche ist bewaldet. Größere Waldflächen befinden sich nur in der westlichen Landeshälfte, Mischwälder in den Niederungen, Buchen-, Fichten- und Gebirgskiefernwälder in höheren Lagen. In einigen Regionen haben sich seltene Reliktarten wie Eibe und Buchsbaum, Eldarkiefer und Pizundakiefer erhalten. Folgeproblem einer zunehmenden Waldübernutzung im Gebirge ist die steigende Gefahr von Lawinen und Bergrutschen. Oberhalb der Waldgrenze (im Großen Kaukasus bei 2 800 m über dem Meeresspiegel, im Kleinen Kaukasus bei 3 500 m über dem Meeresspiegel) breiten sich subalpine und alpine Matten aus. Die Steppe, heute vielfach in Kulturland verwandelt, bedeckt weite Teile der Becken- und Senkungszone sowie das Gebirgsland im Süden.
 
Bevölkerung:
 
Die sehr heterogene Bevölkerung setzte sich 1993 zu 69,3 % aus Georgiern, 8,0 % Armeniern, 6,2 % Russen und 5,6 % Aserbaidschanern (Aseri) sowie aus etwa 3,1 % Osseten, 1,9 % Griechen, 1,8 % Abchasen, 1,0 % Ukrainern und 3,1 % Angehörigen anderer Nationalitäten (Juden, Weißrussen, Assyrer, Tataren u. a.) zusammen. Untergruppen der Georgier sind die Adscharen, Mingrelier, Swanen u. a. Völkerschaften. Ethnische, sprachliche und kulturelle Unterschiede bestehen zu dem nordwestkaukasischen Volk der Abchasen, die zu 88 % in der abtrünnigen Republik Abchasien leben, und zu den Osseten, einem den Iranern verwandten indogermanischen Volk, die teils Christen, teils Muslime sind. Im Grenzgebiet zur Türkei wohnen die etwa 150 000 muslimischen Adscharen (in der Republik Adscharien). Nationalitätenkonflikte bestehen nicht nur mit den Abchasen, Osseten und Adscharen, sondern auch mit der armenischen Minderheit im Süden des Landes, zwischen einzelnen georgischen Volksgruppen in den Gebirgsregionen und den Aseri im Grenzgebiet zu Aserbaidschan. Im Land gibt es etwa 250 000-350 000 Binnenflüchtlinge (Georgier) aus Abchasien. Die seit 1980 geforderte Rückkehr und Wiederansiedlung der unter Stalin zwangsumgesiedelten georgischen Mescheten wurde bislang von Georgien nicht durchgeführt.
 
Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte beläuft sich auf 78 Einwohner/km2. Die einzelnen Landesteile sind allerdings sehr unterschiedlich dicht bevölkert. Der weitaus größte Teil der Bewohner ist in der Becken- und Senkungszone, in den Tälern und an der Schwarzmeerküste (200-250 Einwohner/km2) anzutreffen, während in den Gebirgsregionen, die den größten Teil der Landesfläche einnehmen, nur etwa 5 % der Gesamtbevölkerung wohnen. Der Grad der Verstädterung hat seit 1970 beständig zugenommen; 1993 belief sich der Anteil der Stadtbewohner auf 58 % (1970: 48 %). Größte Städte (Einwohner von 1991) sind Tiflis (mit 1,283 Mio. Menschen, etwa einem Viertel der Gesamtbevölkerung), Kutaissi (238 200), Rustawi (161 900), Batumi (137 500), Suchumi (120 000), Gori (62 100), Poti (51 100) und Sugdidi (50 600).
 
Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung lag 1970-79 bei +0,7 %, 1979-89 bei +0,8 % und 1989-93 bei +0,3 %; seit 1991 ist die Wachstumsrate rückläufig (1991-93 —0,16 %). Die mittlere Lebenserwartung lag 1993 bei 73 Jahren (Männer 69, Frauen 77 Jahre).
 
Religion:
 
Alle Religionsgemeinschaften sind rechtlich gleichgestellt, seit 1990 nimmt jedoch die georgische Kirche als orthodoxe Nationalkirche wieder eine herausgehobene Stellung im öffentlichen Leben ein, die in der neuen Verfassung bestätigt wurde. Von den rd. 5,45 Mio. Einwohnern werden alle Georgier (rd. 3,8 Mio.) von der Kirche als Mitglieder gezählt; aktiv am kirchlichen Leben nehmen nach Schätzungen etwa 2-2,5 Mio. Menschen teil. Andere christliche Religionsgemeinschaften bilden die rd. 400 000 Mitglieder der armenischen Kirche (Bistum Tiflis), die etwa 160 000 Mitglieder der russisch-orthodoxen Kirche, ferner Minderheiten von römisch-katholischen und evangelisch-lutherischen Christen sowie kleine Gemeinden von Baptisten und Pfingstlern. Rd. 11 % der Bevölkerung bekennen sich zum Islam: Zur sunnitischen Richtung gehören die muslimischen Adscharen, Mingrelier, Abchasen und Osseten, mehrheitlich schiitisch sind die in Georgien lebenden Aserbaidschaner (Aseri). Jüdische Gemeinden gibt es in Tiflis, Kutaisi und Batumi, außerdem Reste der so genannten Bergjuden (Taten); ihre Zahl hat durch Auswanderung jedoch stark abgenommen.
 
Bildungswesen:
 
Die Schulzeit umfasst, zumindest in den Städten, elf Jahre. An Schulen und Hochschulen wird die russische Sprache weiter zurückgedrängt, einige Schulen (meist nur der Eingangsstufe) unterrichteten in den Sprachen der Minderheiten. Mit der Sprache wird der Akzent des Bildungsziels auf die Kultur und Geschichte verschoben. Die Analphabetenquote beträgt 4 %. Eine Reihe von Forschungseinrichtungen sind in der Georg. Akademie der Wissenschaften organisiert, daneben gibt es mehrere selbstständige, v. a. medizinische Forschungseinrichtungen, andere sind den Staatsbetrieben zugeordnet.
 
Publizistik:
 
Presse: Es erscheinen nach offiziellen Angaben circa 150 Zeitungen, davon etwa 130 in georgischer Sprache; fünfmal wöchentlich kommen »Sakartvelos Respublika« und »Vestnik Gruzii« (in Russisch) heraus, dreimal wöchentlich »Akhalgazrda Iverieli«. Publiziert wurden (1989) außerdem rund 75 Zeitschriften. - Nachrichtenagenturen: »Georgian News Agency«, Tiflis, gegründet 1921; »Iberia«, Tiflis. - Rundfunk: »Radio Tbilissi« sendet in Georgisch, Armenisch, Azeri, Abchasisch, Ossetisch und Russisch, »TV Tbilissi« in Georgisch und Russisch.
 
 Wirtschaft und Verkehr:
 
Wirtschaft:
 
Georgien gehörte in den 1980er-Jahren nicht zuletzt aufgrund einer gut florierenden Schattenwirtschaft zu den Sowjetrepubliken mit dem höchsten Lebensstandard. Der Niedergang der georgischen Wirtschaft nach der Unabhängigkeit wurde nicht nur durch den Übergang von der dirigistischen sozialistischen Planwirtschaft zu einer Marktwirtschaft, sondern v. a. durch die militärischen Auseinandersetzungen um das Autonome Gebiet Südossetien und die Republik Abchasien und durch die Kämpfe zwischen den Anhängern des ehemaligen Präsidenten S. Gamsachurdia und Regierungstruppen im Jahr 1993 verursacht. Verheerend wirkte sich der Energiemangel auf die Wirtschaft aus. Gemessen am Bruttosozialprodukt (BSP) je Einwohner von (1994) 400 US-$ gehört Georgien zu den Entwicklungsländern mit niedrigem Einkommen. Die Wirtschaftsleistung Georgiens ging 1991-94 auf 27 % zurück. Mit der Verwirklichung eines am 7. 2. 1994 beschlossenen Antikrisenprogramms konsolidiert sich mit Unterstützung von Krediten des IWF und der Weltbank die Wirtschaft seit 1995 allmählich, der Produktionsrückgang wurde gestoppt, das Haushaltsdefizit auf 6 % reduziert. Die Inflationsrate wurde von (1994) 19 000 auf (1995) 250 % gesenkt. 1993 verließ Georgien die Rubelzone und führte als alleiniges Zahlungsmittel den Georg. Kupon (GEK) ein, der 1995 von der neuen Währung Lari abgelöst wurde. Nicht verringert hat sich die Auslandsverschuldung. Ihr Bruttowert erreichte 1994 984,2 Mio. US-$, dem 41,4 Mio. US-$ Brutto-Währungsreserven gegenüberstanden. Im April 1996 betrugen die Schulden Georgiens 1,3 Mrd. US-$ (Hauptgläubiger sind die GUS-Staaten, v. a. Aserbaidschan und Turkmenistan wegen der Erdgaslieferungen). Der Anteil des Privatsektors am Bruttoinlandsprodukt (BIP) belief sich (1994) auf 20 %. Im Frühjahr 1996 waren 89 % der 8 000 Kleinbetriebe privatisiert, bei 425 der 1 338 mittleren und Großbetriebe konnte die Bevölkerung durch Privatisierungsscheine Anteile erwerben, wovon etwa 3,4 Mio. Menschen Gebrauch machten. Mit der Verabschiedung des Gesetzes über das Eigentum an Grund und Boden im März 1996 wurde auch auf dem Land der Weg für die weitere Privatisierung geebnet, wo bisher nur 10 % des bewässerten Bodens privatisiert und Pachtverhältnisse typisch waren.
 
Landwirtschaft:
 
Ihr Anteil am produzierten Volkseinkommen lag 1993 bei 68 % (1987: 30,6 %). 1992 waren 27 % der Erwerbstätigen im Agrarbereich beschäftigt. Die landwirtschaftliche Nutzfläche umfasst 43 % der Gesamtfläche, davon sind 10 % Ackerland, 27 % Weiden und Wiesen sowie 6 % Dauerkulturen. Durch das im März 1996 beschlossene Gesetz über das Eigentum an Grund und Boden wurde nach der Auflösung der Kolchosen die Privatisierung auf dem Land auf eine rechtliche Grundlage gestellt. Ein sehr mildes Klima erlaubt den Anbau subtropischer Früchte (u. a. Tee, Zitrusfrüchte). Weitere Anbaukulturen sind Weintrauben, Gemüse, Tabak, Mais und Weizen (auf etwa zwei Drittel des Ackerlandes Getreidekulturen), Baumwolle und Sonnenblumen sowie ätherische Öle enthaltende Pflanzen. In den gebirgigen Landesteilen ist die Schaf-, in den westlichen Landesteilen die Rinderhaltung vorherrschend. Wegen des Bürgerkriegs und des Wegfalls traditioneller Absatzmärkte in den ehemaligen Sowjetrepubliken sowie auch durch hohe Betriebskosten und fehlende Anreize für die Marktproduktion ist die Agrarproduktion 1993 um 54 % gegenüber dem Vorjahr gesunken. Die Erntemenge bei Tee ging im Zeitraum 1985-93 von 581 000 t auf 135 000 t zurück. Seit 1995 ist, abgesehen von Abchasien, eine Stabilisierung der landwirtschaftlichen Produktion erkennbar.
 
Bodenschätze:
 
Neben den Energierohstoffen Kohle (im Gebiet von Tkwartscheli und Tkibuli), Erdöl (bei Mirsaani) und Erdgas, bei denen Georgien über beträchtliche Vorräte verfügt, deren Abbau (bereits in den 1980er-Jahren rückläufig) den Bedarf aber bei weitem nicht decken kann, werden v. a. Manganerz bei Tschiatura (Rückgang der Fördermenge 1990-92 um 77 %), aber auch Zink- und Eisenerz sowie Baryt abgebaut und Halbedelsteine, Marmor und Quecksilber gewonnen.
 
Energiewirtschaft:
 
Im Rahmen der ehemaligen innersowjetischen Arbeitsteilung entwickelte sich eine große Abhängigkeit Georgiens von Energielieferungen aus anderen Teilrepubliken. Gegen Ende der 1980er-Jahre wurden 25 % der benötigten Elektrizität und ein Großteil des benötigten Erdöls und Erdgases eingeführt. Heute beliefern Turkmenistan und Aserbaidschan Georgien mit Brennstoffen. Wegen der Devisenknappheit Georgiens besteht ein ständiger akuter Energiemangel. Das größte Wärmekraftwerk befindet sich in Tiflis.
 
Industrie:
 
Ihr Anteil am Volkseinkommen machte 1993 (einschließlich Bauwesen) 26 % aus (1987: 55 %). 1991-94 brachen etwa drei Viertel der industriellen Produktion zusammen, wobei zwei Fünftel der gesamten Industrieproduktion auf die Lebensmittelindustrie (davon ein Fünftel Weinkellereien und Teeverarbeitung) entfielen. 1994 arbeiteten noch 17,2 % der insgesamt 1,78 Mio. Beschäftigten im industriellen Sektor. Neben der dominierenden Nahrungs- und Genussmittelindustrie sowie der Textilindustrie haben die Schwerindustrie sowie der Bau von Fahrzeugen (E-Loks, LKW, Schiffe), Land- und Werkzeugmaschinen gewisse Bedeutung. In den letzten drei Jahrzehnten entwickelte sich die feinwerktechnische, chemische und elektronische Industrie. Wichtigste Industriestandorte sind Tiflis, Kutaissi, Rustawi, Batumi, Poti und Suchumi.
 
Tourismus:
 
Georgien verfügt über sehr günstige Voraussetzungen für den Reiseverkehr. Die abchasische Schwarzmeerküste (»Riviera des Schwarzen Meeres«) mit den Badeorten Suchumi, Gagra, Pizunda u. a. gehörte zu den beliebtesten Feriengebieten der ehemaligen UdSSR. Zu den touristischen Anziehungspunkten zählen auch die Wintersportgebiete im Großen Kaukasus sowie die vielfältigen Zeugnisse georgischer Kunst. Durch den innergeorg. Krieg wurde der Fremdenverkehr stark geschädigt.
 
Außenwirtschaft:
 
Der Rückgang der inländischen Produktion sowie der Zusammenbruch des zentralisierten Außenhandelssystems und die inflationäre Preisentwicklung führten nach 1990 zur Verringerung des Außenhandelsvolumens. Im Jahr 1993 wurden Waren für 222 Mio. $ aus- und für 460 Mio. $ eingeführt. 1994 waren die Hauptimportländer Türkei (22,2 %), USA (21,0 %), Russland (14,9 %), Italien (6,5 %), Frankreich (5,3 %), Deutschland (4,6 %), Aserbaidschan (4,3 %) und Litauen (3,9 %), die Hauptexportländer Russland (58,0 %), Türkei (19,7 %), Deutschland (5,0 %), Italien (5,0 %) und China (2,8 %). Maschinen und Metallerzeugnisse, Produkte der Leichtindustrie sowie Nahrungsmittel (Tee, Zitrusfrüchte, Tabak, Wein) dominierten 1993 unter den Ausfuhrwaren. Bei der Einfuhr hatten im gleichen Jahr Brennstoffe und Elektroenergie (42 %), Industriegüter (26 %) und Lebensmittel (17 %) die größte Bedeutung.
 
Verkehr:
 
Georgien hat als Transitland Bedeutung, jedoch wurden infolge des Bürgerkriegs zahlreiche Eisenbahn- und Straßenverbindungen zumindest teilweise unterbrochen. 1993 umfasste das vollständig elektrifizierte Eisenbahnnetz 1 583 km. Es verbindet die Hauptstadt Tiflis mit den großen Schwarzmeerhäfen sowie mit den Nachbarländern Armenien und Aserbaidschan. Die wichtigste Linie führt vom Haupthafen Batumi über Samtredia zur russischen Grenze. Das Straßennetz wies 1990 eine Gesamtlänge von 35 100 km auf, davon haben 31 200 km eine harte Decke. Durch Georgien führt die im Bau befindliche neue Erdölleitung von Baku (Aserbaidschan) zum Ölterminal Supsa bei Poti (jährliche Transitgebühren für Georgien von etwa 8 Mio. US-$). Die wichtigsten Hafenstädte sind Batumi, Poti und Suchumi. Obwohl Georgien einen Teil der ehemaligen sowjetischen Schwarzmeerflotte übernommen hat, sind im Zeitraum 1985-92 die Leistungen im Seeverkehr um 35 % zurückgegangen. Nationale Fluggesellschaft ist die Transair Georgia. Der internationale Flughafen liegt nahe der Hauptstadt.
 
 
Seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. berichteten griechische Quellen über die Staatsbildung in Westgeorgien (griechisch Kolchis, georgisch Egrissi) mit der Hauptstadt Aea (heute Kutaissi), seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. über das ostgeorg. Iberien (georgisch Kartli) mit der Hauptstadt Mzcheta. Unter Pompeius dehnte sich der römische Einfluss über Kolchis und Iberien (66-63 v. Chr.) aus. Das Christentum wurde in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts durch armenische Vermittlung in Kartli eingeführt und war hier seit der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts mit der Herrschaft der Sassaniden und dem Mazdaismus (Parsismus) konfrontiert. Ein erfolgreicher Aufstand unter Wachtang Gorgasal (»Wolfshaupt«) 483 endete mit einem Friedensvertrag, der die georgische Selbstverwaltung anerkannte. Der westliche Teil Georgiens (Kolchis oder römische Lazika) wurde zu Beginn des 6. Jahrhunderts christianisiert. 404-406 entwickelte Mesrop Maschtotz das georgische Alphabet. Folgen der Eroberung durch die Araber um 640 waren Tributpflicht, erste Islamisierungswellen und - nach Aufstandsbewegungen - die Liquidierung der Adelsschicht. Seit Ende des 8. Jahrhunderts formierten sich in Georgien drei Reiche: Kachetien (Osten), Abchasien (Nordwesten) und Tao-Klardschetien (Südwesten), 912 proklamierte sich der Emir von Tiflis zum selbstständigen Herrscher (bis 1121). Von Südwestgeorgien setzte unter der Dynastie der Bagratiden (seit 826) eine Einigungsbewegung ein; als Ergebnis entstand unter Bagrat III. (975-1014) ein Staatswesen (»Sakartwelo«). Unter König David IV., dem Erbauer, (1089-1125) und Königin Tamara (1184-1213) erlebte das Land ein »goldenes Zeitalter«, eine Phase östlicher Renaissance (geistiges und geistliches Zentrum Kloster Gelati) und seine größte Ausdehnung vom Schwarzen bis zum Kaspischen Meer. Durch die Mongolen (1235-39) und ihre Nachfolger (mehrere Invasionen der Heere Timurs am Ende des 14. Jahrhunderts) wurde Georgien verwüstet, ent- und wieder neu bevölkert. Der Aufstieg der Osmanen und ihr Streit um die Herrschaftsansprüche Persiens sowie der Zerfall der alten Handelswege isolierte die Region von Europa; wirtschaftlicher Niedergang, dynastische Schwäche und Zweckbündnisse ließen Georgien in mehrere Königreiche und Fürstentümer zerfallen, die im Westen vom Osmanischen und im Osten vom Persischen Reich abhängig waren. Erst im 18. Jahrhundert setzte ein erneuter Zentralisierungsprozess ein. Wachtang VI. (1703-24 König von Kartlien) gründete die erste Druckerei, ließ geltende Rechtsvorschriften sammeln und kodifizierte georgische Staatsrecht (»Dasturlamal«). Die Hoffnung, sich mit russischer Hilfe aus türkischer Vorherrschaft zu befreien, blieb unerfüllt. Erst unter König Teimuras II. (1744-62) und seinem Sohn Erekle II. (1744-98 König von Kachetien, ab 1762 auch von Kartlien) gelang eine staatliche Konsolidierung, die Russland als Schutzmacht unterstützen sollte. Im Vertrag von Georgiewsk (1783) unterstellte Erekle II. Kartli-Kachetien russischer Schutzherrschaft, behielt sich aber innenpolitische Autonomie vor. Der König von Imeretien, Salomon II., dessen Reich seit 1758 (Herrschaft Salomons I.) über einen militärischen Beistandspakt mit Ostgeorgien verbunden war, lehnte jegliche Unterhandlungen ab, während Russland seine Verpflichtungen nicht erfüllte, als es 1791/92 und 1795 (Zerstörung von Tiflis) zu Kriegen mit Persien kam. 1801, nach dem Tod Georgs XII., annektierte Russland Kartli-Kachetien, 1804-10 das westgeorg. Königreich Imeretien, weitere Teile bis 1864 (Abchasien) beziehungsweise 1878 (Batumi). Die einsetzende Russifizierung richtete sich 1811 mit der Abschaffung der Autokephalie gegen die georgische Kirche; 1817 erfolgte die Einsetzung eines russischen Exarchen, mit ihm wurde die georgische Liturgiesprache durch das Kirchenslawische abgelöst, die kirchliche Ausstattung verändert, Vermögen der Kirchen und Klöster beschlagnahmt. Mehrere Aufstände (u. a. 1819, 1832) wurden niedergeschlagen, bevor die russische Herrschaft ihre ambivalente Wirkung entfalten konnte. Unter Generalgouverneur M. S. Woronzow (1845 bis 1854) eröffneten sich Freiräume für den georgischen Emanzipationsgedanken; als dessen Verfechter traten Adlige und Intellektuelle unter der Losung »Vaterland, Sprache, Glaube« in Erscheinung (bekanntester Vertreter der Schriftsteller I. Tschawtschawadse). Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ging das »nationale Erwachen« eine enge Verbindung mit sozialistisch-menschewistischen Ideen ein; georgische Politiker spielten eine bedeutsame Rolle in den Dumas des zaristischen Russland 1906-1917.
 
Nach dem Zerfall des Russischen Reiches strebte ein im November 1917 unter der Führung von J. P. Gegetschkori (* 1881, ✝ 1954) gebildetes »Transkaukasisches Kommissariat« die Unabhängigkeit Transkaukasiens an. Am 22. 4. 1918 erklärte ein transkaukasischer Sejm die Unabhängigkeit der Transkaukasischen Demokratischen Föderativen Republik unter Ministerpräsident A. I. Tschchenkeli, dessen Regierung jedoch an den unterschiedlichen Interessen der nationalen Regierung insbesondere in Bezug auf das Verhältnis zur Türkei und Territorialforderungen (u. a. Brest-Litowsk) scheiterte. Am 26. 5. 1918 rief der georgische Nationalrat unter Führung der sozialdemokratische Menschewiki die Unabhängigkeit der Georg. Republik aus, die zwei Tage später in einer zeitweiligen Vereinbarung von Deutschland, am 7. 5. 1920 von Sowjetrussland anerkannt wurde. Ihre Aufnahme in den Völkerbund scheiterte jedoch an der zögerlichen Haltung der Großmächte. In einem Zusatzpunkt zum Friedenspakt mit Sowjetrussland musste sich Georgien verpflichten, die bolschewistischen Gruppierungen auf seinem Territorium anzuerkennen. Als Aufstände im Süden des Landes ausbrachen, griffen Anfang Februar 1921 Truppen der Roten Armee »zur Unterstützung der rebellierenden Proletarier« ein. Am 25. 2. 1921 wurde Tiflis eingenommen, am 18. 3. ging die Regierung nach Frankreich ins Exil. Die Phase der ersten Unabhängigkeit Georgiens war militärisch beendet worden, aber bis 1925 hielt der politische Widerstand an (im Oktober 1921 Austritt von 24 Mitgliedern des ZK der Kommunistischen Partei als Protest gegen die antinationale Politik Georgien K. Ordschonikidses; im August 1924 Volksaufstand, dessen Niederschlagung etwa 4 000 Todesopfer forderte). Von Dezember 1922 bis Dezember 1936 bildete Georgien mit Armenien und Aserbaidschan die »Transkaukasische Föderative Sozialistische Sowjetrepublik«. In dieser Zeit durchlief das Land im Zuge von Kulturrevolution, Zwangskollektivierung und Industrialisierung einen Transformationsprozess von der bäuerlichen zur industriellen Gesellschaft. Begleitet wurde dieser Prozess von Terrormaßnahmen, die unter L. Berija (seit 1931 Erster Sekretär der georgischen KP, seit 1932 des transkaukasischen Parteiapparates) zur weitgehenden Liquidierung der intellektuellen Elite und der Altbolschewisten des Landes im Zuge der »stalinschen Säuberungen« (1936/37) führten. 1944 wurden die turkisierten Mescheten unter brutalen Umständen kollektiv aus Südgeorgien nach Zentralasien deportiert.
 
Nach Stalins Tod stand 1953-72 W. Mschawanadse an der Spitze des georgischen Parteiapparates; unter ihm gediehen Korruption und Schattenwirtschaft, während Probleme der nationalen Minderheiten und die wirtschaftliche Entwicklung vernachlässigt wurden. Mit Machtantritt von E. Schewardnadse (1972) wurde eine Säuberung des Partei- und Staatsapparates eingeleitet; eine kontrollierte Öffnung des Landes unterstützte im Zusammenhang mit dem KSZE-Prozess die Formierung einer politisch und national motivierten Dissidentenbewegung, welche die Losung »Vaterland, Sprache, Glaube« erneut aufgriff, um Russifizierungsversuchen (Abschaffung der Staatssprache Georgisch 1978) Widerstand entgegenzusetzen. Der seit 1985 von M. S. Gorbatschow und Schewardnadse als sowjetischer Außenminister getragene Reformkurs der UdSSR ermutigte die nationale Bewegung, die Sowjetisierung von 1921 und damit die Zugehörigkeit Georgiens zur Union infrage zu stellen. Die blutige Niederschlagung einer friedlichen Demonstration in Tiflis am 9. 4. 1989 führte nicht nur die verschiedenen politischen Kräfte zusammen, sondern auch zum endgültigen Bruch mit der Moskauer Zentralmacht. Zugleich kam es seit Ende der 80er-Jahre wiederholt zu heftigen, zum Teil bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Georgiern und den um ihre Eigenständigkeit ringenden nationalen Minderheiten: seit 1989 mit den Abchasen, seit 1990 mit den Südosseten. Bei den ersten freien Wahlen am 28. 10./11. 11. 1990 wurde in Georgien das Parteienbündnis »Runder Tisch - Freies Georgien« stärkste parlamentarische Kraft und dessen Führer S. Gamsachurdia Parlamentspräsident. Nachdem Georgien als »Georg. Republik« am 9. 4. 1991 seine Unabhängigkeit erklärt hatte, wählte die Bevölkerung am 27. 5. 1991 Gamsachurdia zum Staatspräsidenten; sein diktatorischer Kurs und der von ihm betriebene Kult um seine Person sowie die Unterdrückung der nationalen Minderheiten Georgiens stießen auf starken Widerstand, der sich zum Bürgerkrieg ausweitete. Am 2. 1. 1992 erklärten die Aufständischen Gamsachurdia für abgesetzt. Am 10. 3. 1992 trat der Reformpolitiker Schewardnadse als Vorsitzender an die Spitze eines neu gebildeten Staatsrats. Die Bevölkerung bestätigte ihn bei den Wahlen vom 11. 10. 1992, aus denen der »Friedensblock« als stärkste Gruppe (gefolgt vom »Block 11. Oktober«) hervorgegangen war, im Amt.
 
Zur Beilegung des blutigen Konflikts in Südossetien, das seinen Zusammenschluss mit dem zur Russischen Föderation gehörenden Nordossetien anstrebte, vereinbarten die georgische Führung und südossetische Politiker Ende Juni 1992 einen Waffenstillstand; die Situation blieb jedoch auch nach Stationierung einer gemischten Friedenstruppe angespannt. Während einer Militäraktion gegen Anhänger Gamsachurdias marschierten Einheiten der georgischen Nationalgarde im August 1992 in Abchasien ein, das im Juli 1992 einseitig seine Unabhängigkeit erklärt hatte. Zur Beendigung der Kämpfe, in denen die abchasischen Freischärler Unterstützung von Freiwilligeneinheiten der »Konföderation Kaukasischer Bergvölker« (v. a. von Tschetschenen) erhielten, wurde im September 1992 unter Vermittlung Russlands ein Waffenstillstand geschlossen; bald darauf kam es jedoch erneut zu schweren Gefechten, in denen es den abchasischen Milizen gelang, bis Ende September 1993 die georgischen Truppen wieder aus Abchasien zu verdrängen (Rückeroberung Suchumis am 27. 9. 1993, Flucht von circa 250 000 Georgiern aus der Region). Der militärische Versuch Gamsachurdias, in Georgien wieder Fuß zu fassen (August bis November 1993), scheiterte; im Dezember 1993 kam Gamsachurdia ums Leben.
 
Unter dem Druck der inneren Konflikte trat Georgien 1993 der »Gemeinschaft Unabhängiger Staaten« bei (Vertragsratifizierung am 1. 3. 1994) und schloss mit Russland am 3. 2. 1994 einen Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gute Nachbarschaft. Am 14. 5. 1994 einigten sich Vertreter Georgiens und Abchasiens in Moskau über ein Waffenstillstandsabkommen (Überwachung durch eine russische Friedenstruppe und UN-Militärbeobachter). Die Hauptprobleme der Konfliktregelung, die Rückführung der Flüchtlinge und die rechtliche Stellung zwischen Georgien und Abchasien, welches sich Ende 1994, erneut 1999 in einer eigenen Verfassung als »souveränen Staat« definierte, blieben ungeklärt; dafür gelang es Russland, seinen Einfluss in der Region auszubauen. Am 22. 3. 1995 wurde ein Abkommen über die Stationierung russischer Truppen in vier Stützpunkten paraphiert (im November 1999 russisch-georgische Einigung über die Schließung von zwei Stützpunkten). Umbesetzungen militärischer Führungspositionen gingen einher mit der Entwaffnung jener nationalen Milizen, die beim Sturz Gamsachurdias und bei den Abchasien-Ereignissen eine führende Rolle gespielt hatten. Im Oktober 1999 zogen die letzten für die Bewachung der georgischen Außengrenzen eingesetzten russischen Soldaten ab; trotz russischer Vorwürfe, den georgisch-tschetschenischen Grenzabschnitt passierten islamischen Kämpfer und Waffentransporte, lehnte Georgien eine Stationierung russischer Truppen dort ab.
 
Im August 1995 verabschiedete das georgische Parlament eine neue Verfassung (Verankerung einer starken Präsidialmacht); bei Wahlen am 5. 11. 1995 wurde Schewardnadse im Amt des Staatspräsidenten bestätigt. Aus den Parlamentswahlen am 31. 10. 1999 ging (wie schon aus denen vom November 1995) die von Schewardnadse geführte Bürgerunion als stärkste politische Kraft hervor. Schewardnadse konnte sich auch bei den Präsidentschaftswahlen am 9. 4. 2000 durchsetzen und wurde bereits im ersten Wahlgang mit rd. 80 % der Stimmen im Amt bestätigt.
 
Im März 1994 war Georgien dem NATO-Programm »Partnerschaft für den Frieden« beigetreten; es verkündete unter Präsident Schewardnadse auch (allerdings unter Berücksichtigung des Verhältnisses zu Russland) sein Streben nach Aufnahme in die NATO. Im April 1996 schloss Georgien ein Kooperations- und Partnerschaftsabkommen mit der EU (seit Juli 1999 in Kraft). Im April 1999 wurde es Mitglied des Europarates (verbunden u. a. mit der Aufforderung, einen gesetzlichen Rahmen für die Wiederansiedlung der Mescheten zu schaffen). Im November 1999 unterzeichneten die Türkei, Georgien (als Transitland) und Aserbaidschan ein Abkommen über den Bau einer Erdölpipeline von Baku nach Ceyhan an der türkischen Mittelmeerküste. Im Juni 2000 wurde Georgien in die WTO aufgenommen.
 
 
O. Lordkipanidse: Archäologie in G. (1991);
 H. Fähnrich: Gesch. G.s von den Anfängen bis zur Mongolenherrschaft (1993);
 R. Georgien Suny: The making of the Georgian nation (Bloomington, Ind., 21994);
 
Krisenherd Kaukasus, hg. v. U. Halbach u. A. Kappeler (1995);
 B. Pietzonka: Ethnisch-territoriale Konflikte in Kaukasien (1995);
 
Unterwegs zum Goldenen Vlies. Archäolog. Funde aus G., hg. v. A. Miron u. W. Orthmann, Beitrr. v. M. Abramischwili u. a. (1995);
 R. Götzu. U Halbach: Polit. Lexikon GUS (31996);
 
Lebens- u. Konfliktraum Kaukasien. Gemeinsame Lebenswelten u. polit. Visionen der kaukas. Völker in Geschichte u. Gegenwart, hg. v. E.-M. Auch (1996);
 J. Gerber: G.: nationale Opposition u. kommunist. Herrschaft seit 1956 (1997).
 

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Ge|ọr|gi|en; -s: Republik in Transkaukasien.

Universal-Lexikon. 2012.