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Richter
Kadi (umgangssprachlich)

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Rich|ter ['rɪçtɐ], der; -s, -, Rich|te|rin ['rɪçtərɪn], die; -, -nen:
Person, die die Rechtsprechung ausübt, über jmdn., etwas gerichtliche Entscheidungen trifft:
die Richterin ließ Milde walten.
Zus.: Einzelrichter, Einzelrichterin, Jugendrichter, Jugendrichterin, Untersuchungsrichter, Untersuchungsrichterin, Verfassungsrichter, Verfassungsrichterin.

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Rịch|ter 〈m. 3
1. 〈i. w. S.〉 jmd., der über etwas od. jmdn. richtet
2. 〈i. e. S.〉 mit der Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten vom Staat bevollmächtigter Beamter
3. 〈Pl.; nach bibl. Überlieferung〉 Stammeshelden u. zeitweise Regenten der Israeliten zwischen der Landnahme u. der Einsetzung des Königtums
4. 〈El.; kurz für〉
4.1 Gleichrichter
4.2 Wechselrichter
● das Buch der \Richter über die Geschichte der Richter berichtender Teil des AT; wo kein Kläger ist, da ist auch kein \Richter 〈Sprichw.〉; ein \Richter soll zwei gleiche Ohren haben 〈Sprichw.〉 er soll beide Parteien unparteiisch anhören, damit er ihnen gerecht werden kann; ein gerechter, milder, strenger, ungerechter, weiser \Richter; der höchste \Richter Gott; er entzog sich dem irdischen \Richter durch Selbstmord; er wird bald vor dem letzten \Richter stehen 〈poet.〉 vor Gott, er wird bald sterben; jmdn. od. etwas vor den \Richter bringen; jmdn. zum \Richter bestellen; man soll sich nicht zum \Richter über seine Mitmenschen aufwerfen, machen [<ahd. rihtari;richten]

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Rịch|ter , der; -s, - [mhd. rihter, rihtære, ahd. rihtāri]:
1. jmd., der die Rechtsprechung ausübt, der vom Staat mit der Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten beauftragt ist:
R. [am Landgericht, am Bundesgerichtshof] sein;
einen R. als befangen ablehnen;
jmdn. vor den R. bringen (vor Gericht stellen);
jmdn. zum R. bestellen, ernennen, wählen;
Ü sich zum R. über jmdn., etw. aufwerfen (abschätzig über jmdn., etw. urteilen).
2. <Pl.> Buch des Alten Testaments.

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I
Richter,
 
unabhängiges Organ der Rechtspflege, durch das der Staat oder ein anderer Hoheitsträger seine Recht sprechende Gewalt ausübt.
 
Rechtsstellung:
 
In Deutschland ist der Richter nicht Beamter, sondern steht in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zum Staat (Richterverhältnis). Dies wird durch das Deutsche Richtergesetz (DRiG) in der Fassung vom 19. 4. 1972 und die Richtergesetze der Länder zum Ausdruck gebracht. Richter sind sachlich und persönlich unabhängig und nur an das Recht gebunden (Art. 97 Absatz 1 GG). Sachliche Unabhängigkeit bedeutet, dass ihnen weder allgemein noch im Einzelfall hinsichtlich ihrer richterlichen Tätigkeit Weisungen erteilt werden dürfen. Maßnahmen der Dienstaufsicht unterliegt ein Richter nur insoweit, als sie seine Unabhängigkeit nicht beeinträchtigen (§ 26 Absatz 1 DRiG). Er kann gegen solche Maßnahmen das Dienstgericht anrufen. Die persönliche Unabhängigkeit, die in vollem Umfang nur Richter auf Lebenszeit und Richter auf Zeit gewährt ist, äußert sich in der Unabsetzbarkeit durch Exekutive oder Legislative und in dem Verbot, Richter gegen ihren Willen zu versetzen. Das Dienstverhältnis kann nur durch eine gerichtliche Entscheidung beendet werden, u. a. zwingend bei Verurteilung des Richters zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr. Ein Richter auf Probe kann auch bei mangelnder Eignung entlassen werden. Ein Richter darf, von engen Ausnahmen abgesehen, nicht zugleich einer der anderen Staatsgewalten (Legislative oder Exekutive, Gewaltenteilung) angehören.
 
Richteramt:
 
Die Recht sprechende Gewalt wird durch Berufsrichter und ehrenamtliche Richter ausgeübt. Die Befähigung zum Amt des Berufsrichters wird nach § 5 DRiG durch Ablegung zweier staatlicher Prüfungen erlangt. Der ersten geht ein rechtswissenschaftliches Studium voraus, der zweiten ein praktischer Vorbereitungsdienst (Referendariat). Voraussetzung für die Berufung sind ferner die deutsche Staatsangehörigkeit und die Gewähr, dass die Bewerber jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinn des GG eintreten. Die Berufsrichter werden in der Regel auf Lebenszeit ernannt (zum Teil nach vorangegangener Wahl, Richterwahl), nachdem sie mindestens drei Jahre als »Richter auf Probe« oder als »Richter kraft Auftrags« tätig waren. Eine Ernennung zum Richter auf Zeit ist nur für gesetzlich festgelegte Aufgaben zulässig; Richter auf Lebenszeit und Richter auf Zeit führen die Amtsbezeichnung »Richter am. ..« mit einem das Gericht betreffenden Zusatz (z. B. Richter am OLG); Richter auf Probe führen die zusatzlose Bezeichnung »Richter«.
 
Der unabhängigen Stellung des Richters entsprechen besondere Pflichten, die im Richtereid (§ 38 DRiG) zum Ausdruck kommen. Der Richter hat sich innerhalb und außerhalb seines Amtes, auch bei politischen Betätigungen, so zu verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird. Richter müssen über die Beratungen und Abstimmungen Stillschweigen bewahren; Richter des Bundesverfassungsgerichts können der Entscheidung aber abweichende Voten anfügen (Dissenting Opinion). Für die Richter bestehen in Bund und Ländern besondere Dienstgerichte (Richterdienstgerichte), die in Disziplinarsachen, über Versetzungen im Interesse der Rechtspflege, über Nichtigkeit und Rücknahme einer Ernennung, die Entlassung, Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit und bei Anfechtung bestimmter dienstrechtlicher Maßnahmen und Anordnungen entscheiden. Ähnlich dem Personalvertretungsrecht gibt es bei den Gerichten des Bundes und der Länder Richtervertretungen (Richterräte), die mit beschränkten Beteiligungsrechten ausgestattet sind. Daneben gibt es Präsidialräte.
 
Organisation:
 
Die Richter und Staatsanwälte Deutschlands sind auf freiwilliger Basis zum Teil im »Deutschen Richterbund« zusammengeschlossen, einem Dachverband, den seine Landesverbände bilden. Daneben existieren andere Fachverbände (z. B. der Bund Deutscher Sozialrichter).
 
In der DDR wurde die Justiz schon frühzeitig zu einem Herrschaftsinstrument der SED umgebildet und die Unabhängigkeit der Richter beseitigt. Voraussetzung für das Amt des Richters war ein Mindestalter von 25 Jahren, juristische Ausbildung und politische Zuverlässigkeit. Seit dem Beitritt gilt das DRiG mit Maßgaben auch in den neuen Ländern. Die Richter der DDR wurden nach der Vereinigung von besonders gebildeten Richterwahlausschüssen auf ihre fachliche und persönliche Eignung überprüft und bei positivem Ergebnis dem zuständigen Landesjustizminister zur Ernennung zum Richter auf Zeit oder auf Probe vorgeschlagen. Die Richter auf Probe konnten nach drei Jahren richterlicher Tätigkeit zum Richter auf Lebenszeit ernannt werden. Soweit sich der Richterwahlausschuss gegen eine Übernahme aussprach, schieden die betroffenen Richter sofort aus dem Richterverhältnis aus.
 
Außerhalb des staatlichen Bereichs können aufgrund von Parteivereinbarungen Streitigkeiten von Schieds- Richtern (Schiedsgerichtsbarkeit) entschieden werden.
 
Die Stellung der Richter von Gerichten übernationaler Zuständigkeit, z. B. des Gerichtshofs der EG in Luxemburg (EuGH) oder des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg, ist in völkerrechtlichen Verträgen geregelt.
 
In Österreich werden die beamteten (Berufs-)Richter auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten oder aufgrund dessen Ermächtigung vom zuständigen Bundesminister ernannt (Art. 86 Bundesverfassung). Für alle Richterposten sind - nicht bindende - Besetzungsvorschläge der hierzu berufenen Personalsenate einzuholen. Die näheren Bestimmungen über das Dienstrecht der beamteten Richter und Richteramtsanwärter enthält das Richterdienstgesetz 1961. Schon die Bundesverfassung sichert den Richtern bei Ausübung ihres Richteramtes Unabhängigkeit, Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit zu. - In der Schweiz werden die Richter der kantonalen Gerichte vom Volk oder vom Kantonsparlament, die Richter der eidgenössischen Gerichte von der Bundesversammlung gewählt. Nach Ablauf der Amtsperiode von in der Regel vier oder sechs Jahren müssen die Richter bestätigt werden. In kantonalen Gerichten können auch Laienrichter tätig sein, zu vollamtlichen Richtern werden heute nur noch ausgebildete Juristen gewählt; eine juristische Ausbildung wird auch für die eidgenössischen Gerichte faktisch vorausgesetzt. Bei den Richterwahlen sowohl ins Bundesgericht als auch in die kantonalen Gerichte wird für die Zusammensetzung auf die Stärke der politischen Parteien Rücksicht genommen.
 
Literatur:
 
H. Grimm: Richterl. Unabhängigkeit u. Dienstaufsicht in der Rechtsprechung des BGH (1972);
 F. Matter: Der R. u. seine Auswahl (Zürich 1978);
 E. Teubner: Die Bestellung zum Berufs-R. in Bund u. Ländern (1984);
 P. Quart: Umfang u. Grenzen polit. Betätigungsfreiheit des R. (1990);
 G. u. J. Schmidt-Räntsch: Dt. Richtergesetz (51995).
 
II
Richter,
 
im Alten Testament die zwölf Hauptgestalten, von denen das biblische Buch der Richter (Abkürzung Ri.) handelt. Zu unterscheiden sind die »Kleinen Richter« (Richter 10, 1-5; 12, 8-15), Amtsträger des Rechtswesens, von den »Großen Richter«, charismatischen Heerführern einzelner israelitischer Stämme oder Stämmegruppen in vorköniglicher Zeit. Von den Letzteren erzählen die Heldensagen des Richterbuches (Otniel, Ehud, Schamgar, Debora und Barak, Gideon, Jiftach, Simson), die die deuteronomistische Geschichtsschreibung in das Geschichtskonzept eines in dieser Zeit immer wiederkehrenden Wechsels von Abfall, Strafe, Buße und Errettung Israels eingebettet hat (Richter 2, 6-3,6). Das Buch der Richter enthält darüber hinaus einen Landnahmebericht (Richter 1, 1-2,5), die Geschichtserzählung vom Staatenbildungsversuch des Abimelech (Richter 9) sowie Stammesüberlieferungen von Dan (Richter 17-18) und Benjamin (Richter 19-21).
 
Literatur:
 
W. Richter: Traditionsgeschichtl. Unterss. zum R.-Buch (21966);
 J. A. Soggin: Judges. A commentary (a. d. Ital., Philadelphia, Pa., 1981);
 
Das A. T. dt., hg. v. O. Kaiser u. a., Teilbd. 9: Die Bücher Josua, R., Ruth, übers. v. H. W. Hertzberg (61985);
 U. Becker: Richterzeit u. Königtum. Redaktionsgeschichtl. Studien zum Richterbuch (1990).
 
III
Rịchter,
 
1) Adrian Ludwig, Maler, Zeichner und Illustrator, * Dresden 28. 9. 1803, ✝ ebenda 19. 6. 1884; war Schüler seines Vaters, des Kupferstechers Carl August Richter (* 1770, ✝ 1848); wurde 1823-26 in Italien zum Maler ausgebildet und dort v. a. von J. A. Koch beeinflusst. 1828-35 war Richter Zeichenlehrer an der Porzellanmanufaktur in Meißen, 1836-71 Professor für Landschaftsmalerei an der Dresdener Akademie. Zu den bekanntesten Gemälden Richters zählen »Der Watzmann« (1824; München, Neue Pinakothek), »Überfahrt am Schreckenstein« (1837; Dresden, Gemäldegalerie) und »Genoveva« (1841; Hamburg, Kunsthalle). Die Verbindung zu dem Verleger Georg Wigand (* 1808, ✝ 1858; Aufträge für Buchillustrationen, rd. 150 Bücher mit über 2 000 Holzschnitten) führte seit 1838 zur Entfaltung seiner zeichnerischen Begabung, bedeutend im Figürlichen wie in der Landschaft und der Arabeske. In Vorzeichnungen für Holzschnitte und Lithographien, auch in frei komponierten Sammelwerken, entstand eine reiche, biedermeierliche Bildwelt volkstümlichen Charakters.
 
Literatur:
 
L. R.s Hausbuch. Musik u. Poesie in seiner Zeit, bearb. v. M. Jenewein (Innsbruck 1990);
 H. J. Neidhardt: L. R. (Neuausg. 1995).
 
 2) ['rɪktə], Burton, amerikanischer Physiker, * New York 22. 3. 1931; ab 1968 Professor an der Stanford University und am Stanford Linear Accelerator Center in Stanford (Calif.); baute dort den ersten Speicherring für Elektronen und war nach 1961 maßgeblich am Aufbau des großen Elektron-Positron-Speicherrings (SPEAR) beteiligt. Richter und seine Mitarbeiter entdeckten 1974 - unabhängig von S. C. C. Ting - mit dieser Anlage bei Zusammenstößen von Elektronen und Positronen sehr hoher Energie ein neuartiges Elementarteilchen, das Psiteilchen. Für diese Entdeckung erhielten Richter und Ting 1976 den Nobelpreis für Physik.
 
 3) ['rɪktə], Charles Francis, amerikanischer Seismologe, * Hamilton (Ohio) 26. 4. 1900, ✝ Pasadena (Calif.) 30. 9. 1985; 1927-70 Professor am California Institute for Technology in Pasadena; arbeitete über Erdbeben und den inneren Aufbau der Erde; stellte 1935 die Richter-Skala auf.
 
 4) Eugen, Politiker, * Düsseldorf 30. 7. 1838, ✝ Lichterfelde (heute zu Berlin) 10. 3. 1906; Jurist; gehörte als Linksliberaler seit 1867 dem Reichstag, seit 1869 auch dem preußischen Abgeordnetenhaus an. Er war der einflussreichste Führer der Deutschen Fortschrittspartei, seit 1884 der Deutschfreisinnigen, seit 1893 der Freisinnigen Volkspartei; widersetzte sich ständig der Realpolitik O. von Bismarcks und der Nationalliberalen.
 
 5) Franz Xaver (František), böhmischer Komponist, * wohl Holleschau (bei Prerau) 1. 12. 1709, ✝ Straßburg 12. 9. 1789; wirkte seit 1740 als Vizekapellmeister in der Kapelle des Fürstabtes von Kempten, wurde 1747 Violinist und Sänger (Bass), später Kammerkomponist in der Kurpfälzischen Hofkapelle von Mannheim und 1769 Kapellmeister am Straßburger Münster. Richter ist einer der Hauptvertreter der Mannheimer Schule. Während die instrumentalen Kompositionen überwiegend in seiner Mannheimer Zeit entstanden (rd. 80 Sinfonien, sechs Klavierkonzerte, sechs Streichquartette, sechs Solosonaten für Flöte oder Violine und Basso continuo u. a.), gehören seine Vokalwerke (30 Messen, drei Requien, 18 Psalmen und Cantica, 43 Motetten und Kantaten, zwei Tedeums u. a.) bis auf zwei Oratorien (1748 und 1762; Musik verloren) seiner Straßburger Periode an.
 
 6) Gerhard, Maler und Grafiker, * Dresden 19. 2. 1932; wurde 1971 als Professor an die Kunstakademie in Düsseldorf berufen. Richter malte ab 1964 nach fotografischen Vorlagen Bilder in verwischten Grautönen, die das Prinzip »Abbildung« reflektieren. 1966 folgten Farbtafeln nach dem Vorbild von Farbmusterkarten. Gegen Ende der 60er-Jahre entstanden wiederum nach Fotovorlagen Serien mit Stadt- und Landschaftsmotiven, später gestaltete er mittels pastosem Farbauftrag effektvolle abstrakte Kompositionen. Der ebenfalls nach Fotografien gemalte Zyklus »18. Oktober 1977« (1988; seit 1995 im Besitz des Museum of Modern Art, New York) thematisiert den Tod der RAF-Häftlinge in Stuttgart-Stammheim.
 
Literatur:
 
G. R. Bilder 1962-1985, hg. v. J. Harten, Ausst.-Kat. (1986);
 
G. R., bearb. v. A. Thill u. a. Ausst.-Kat. Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris, u. a., 3 Bde. (1993);
 
G. R., Atlas der Fotos, Collagen u. Skizzen, hg. v. H. Friedel u. U. Wilmes, Ausst.-Kat. Lenbachhaus, München (1997).
 
 7) ['rɪktə], Gisela Maria Augusta, amerikanische Archäologin, * London 15. 8. 1882, ✝ Rom 24. 12. 1972; wesentlich beteiligt am Aufbau der Antikenabteilung (Direktorin 1925-48) des Metropolitan Museum, New York. Herausgeberin des »American Journal of Archaeology«.
 
Werke: Handbook of Greek art (1959; deutsch Handbuch der griechischen Kunst); The engraved gems of the Greeks, Etruscans and Romans, 2 Bände (1968-71).
 
 8) Hans (János), Dirigent, * Raab 4. 4. 1843, ✝ Bayreuth 5. 12. 1916; studierte u. a. bei S. Sechter, war Chordirektor und Kapellmeister an der Münchner Hofoper (ab 1867), Chefdirigent am Nationaltheater in Pest (1871-75), Kapellmeister der Wiener Hofoper (1875-99; 1893-97 Musikdirektor) sowie Dirigent der Philharmonischen Konzerte (1875-82 und 1883-98) und Konzertdirigent der Gesellschaft der Musikfreunde (1880-90) in Wien. Er leitete 1876 in Bayreuth die erste Aufführung von R. Wagners Tetralogie »Der Ring des Nibelungen« und 1877 (alternierend mit Wagner) Wagner-Konzerte in London, 1903-10 die Wagner-Aufführungen an der dortigen Covent Garden Opera, 1879-97 die (später »Richter Concerts« genannt) »Orchestral Festival Concerts« in London, 1885-1909 Musikfestspiele in Birmingham und 1899-1911 die Konzerte des Hallé Orchestra in Manchester; 1904-11 war er Chefdirigent des London Symphony Orchestra. Richter, dessen Schwerpunkt das deutsche Repertoire bildete, leitete u. a. die Uraufführungen von Sinfonien J. Brahms' und A. Bruckners.
 
 9) Hans, Maler und Filmkünstler, * Berlin 6. 4. 1888, ✝ Minusio (bei Locarno) 1. 2. 1976. Richter stand zunächst Kubismus und Expressionismus nahe und schloss sich 1916 in Zürich den Dadaisten an. Über Zeichnungsfolgen, die ein Thema in verschiedenen Zeitphasen festhalten (»Rollen«), kam er 1921 zum experimentellen Film (Zusammenarbeit mit V. Eggeling), dessen abstrakte Spielart (Film als musikalische Analogie) er als Künstler und Theoretiker wesentlich weiterentwickelte. Richter, der schon in den 30er-Jahren nicht mehr in Deutschland arbeitete, emigrierte 1941 in die USA, wo unter seiner Regie der surrealistische Film »Träume zu verkaufen« (1947, mit M. Ernst, F. Léger, M. Ray, M. Duchamp und A. Calder) entstand. Seine Malerei und seine meisten Filme tendieren zu einem konstruktivistischen Formenrepertoire, das auf der Grundlage grafischer Positiv- und Negativwerte aufgebaut ist.
 
 
Weitere Filme: Rhythmus 21, 23, 25 (1921-25); Filmstudie (1926); Vormittags-Spuk (1928); Thirty years of experiment (1951, eine Sammlung von Experimentalfilmen; 1961 unter dem Titel 40 years experiment); 8 × 8 (1957); Alexander Calder (1962).
 
Schriften: Dada Profile (1961); Dada - Kunst und Antikunst (1964); H. Richter by H. Richter (1971).
 
Literatur:
 
H. R. 1888-1976, Dadaist, Filmpionier, Maler, Theoretiker, bearb. v. B. Volkmann u. a., Ausst.-Kat. (1982);
 G. Hossmann: H. R. 1888-1976. Das bildner. Werk (Diss. Köln 1985);
 
H. R. Malerei u. Film, Ausst.-Kat. (1989).
 
 10) Hans Theo, Zeichner und Grafiker, * Rochlitz 7. 8. 1902, ✝ Dresden 14. 9. 1969; war 1947-67 Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden. Er bevorzugte Einzelfigur- und Doppelfigurmotive (z. B. Trinkende, Mutter und Kind, Geschwister) für seine in schlichtem, ruhigem Gestus gehaltenen Darstellungen von Alltagssituationen.
 
 11) Hans Werner, Schriftsteller, * Bansin 12. 11. 1908, ✝ München 23. 3. 1993; gab mit A. Andersch 1946/47 die Zeitschrift »Der Ruf« heraus; Initiator und Organisator der Gruppe 47 (»Im Etablissement der Schmetterlinge«, 1986). Schrieb realistische Antikriegsromane (»Die Geschlagenen«, 1949; »Sie fielen aus Gottes Hand«, 1951), später satirisch-gesellschaftskritische Darstellungen der Nachkriegszeit (»Linus Fleck oder Der Verlust der Würde«, 1959). Daneben entstanden Hörspiele, Reisebeschreibungen und Kinderbücher; Herausgeber von Anthologien.
 
Weitere Werke: Romane und Erzählungen: Spuren im Sand (1953); Du sollst nicht töten (1955); Blinder Alarm (1970); Rose weiß, Rose rot (1971); Die Flucht nach Abanon (1980); Die Stunde der falschen Triumphe (1981); Ein Julitag (1982).
 
Sonstige Prosa: Briefe an einen jungen Sozialisten (1974).
 
Autobiographisches: Reisen durch meine Zeit (1989).
 
Ausgabe: Briefe, herausgegeben von S. Cofalla (1997).
 
Literatur:
 
H. W. R. u. die Gruppe 47, Beitrr. v. W. Jens u. a. (1979);
 E. Embacher: Zum literar. Werk u. zum publizist. Wirken eines engagierten dt. Schriftstellers (1985);
 S. Cofalla: Der »soziale Sinn« H. W. R.s (1997).
 
 12) Horst-Eberhard, Arzt und Psychoanalytiker, * Berlin 28. 4. 1923; leitete 1952-62 die »Beratungs- und Forschungsstelle für seelische Störungen im Kindesalter« in Berlin-Wedding, 1959-62 das Psychoanalytische Institut Berlin; er war ab 1962 Professor für Psychosomatik in Gießen, ab 1973 Direktor des dortigen Zentrums für Psychosomatische Medizin (1991 emeritiert). Richter lenkte die Aufmerksamkeit auf die soziale, bei Kindern und Jugendlichen meist familiäre Bedingtheit seelischer Störungen und bemüht sich um die Anwendung psychoanalytischer Verfahren in Familien- und Sozialtherapie. Politisch engagierte er sich auch in der Friedensbewegung (u. a. Mitgründer der westdeutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges) und als Kritiker der Globalisierung (Mitglied von Attac).
 
Werke: Eltern, Kind und Neurose (1963); Patient Familie (1970); Der Gießen-Test (1972, mit D. Beckmann); Die Gruppe (1972); Lernziel Solidarität (1974); Flüchten oder Standhalten (1976); Der Gotteskomplex (1979); Zur Psychologie des Friedens (1982); Die Chance des Gewissens. Erinnerungen und Assoziationen (1986); Bedenken gegen Anpassung. Psychoanalyse und Politik (1995); Wanderer zwischen den Fronten. Gedanken und Erinnerungen (2000); Das Ende der Egomanie. Die Krise des westlichen Bewusstseins (2002).
 
Herausgeber: Russen und Deutsche (1990).
 
 13) Jeremias Benjamin, Chemiker, * Hirschberg (heute Jelenia Góra) 10. 3. 1762, ✝ Berlin 4. 5. 1807; arbeitete an der Münze in Breslau, dann in der Berliner Porzellanmanufaktur. Richter untersuchte den Vorgang der Neutralisation und entdeckte die Äquivalenz von Säuren und Basen; er fand die Konstanz der chemischen Verbindungsverhältnisse (Gesetz der äquivalenten Proportionen) und begründete die Stöchiometrie.
 
 14) Johann Paul Friedrich, Schriftsteller, Jean Paul.
 
 15) Joseph, Pseudonym F. A. Obermayer, österreichischer Schriftsteller, * Wien 16. 3. 1749, ✝ ebenda 16. 6. 1813; Herausgeber der als wertvolle kulturhistorische Quelle geltenden satirischen Wochenschrift »Briefe eines Eipeldauers an seinen Herrn Vetter in Kakran über d'Wienstadt« (178 Hefte, 1785-1813). Richter schrieb auch Gedichte, Romane, Erzählungen, Satiren und Dramen.
 
 16) Karl, Organist und Dirigent, * Plauen 15. 10. 1926, ✝ München 15. 2. 1981; studierte u. a. bei K. Straube und G. Ramin, wurde 1949 Organist an der Thomaskirche in Leipzig, 1951 an der Markuskirche in München, lehrte an der Münchner Musikhochschule und gründete und leitete den Münchner Bach-Chor und das Münchner Bach-Orchester. Er setzte sich besonders für eine dynamisch-lebendige Pflege der Musik J. S. Bachs ein.
 
 17) Swjatoslaw Teofilowitsch, ukrainischer Pianist, * Schitomir 20. 3. 1915, ✝ Moskau 1. 8. 1997; studierte am Moskauer Konservatorium bei H. Neuhaus. In seinem weit gespannten Repertoire nahmen die deutsche Musik und Werke zeitgenössischer sowjetischer Komponisten eine zentrale Stelle ein. Er spielte die 6., 7. und die ihm gewidmete 9. Klaviersonate von S. S. Prokofjew bei der Uraufführung. Richter trat auch als Kammermusiker und Liedbegleiter hervor.
 
 18) Trude, eigentlich Erna Bạrnick, Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin, * Magdeburg 19. 11. 1899, ✝ Leipzig 4. 1. 1989; trat 1931 der KPD bei; emigrierte 1934 in die Sowjetunion. Dort 1936 verhaftet, verbrachte sie 20 Jahre in Arbeitslagern und in der Verbannung, wovon sie in den autobiographischen Werken »Die Plakette« (1972) und »Totgesagt« (1990) berichtet. 1957 Rückkehr nach Deutschland auf Vermittlung von Anna Seghers, lebte seither in der DDR; ab 1958 Dozentin am Literaturinstitut J. R. Becher in Leipzig.
 
 19) Willi, Gewerkschaftsführer, * Frankfurt am Main 1. 10. 1894, ✝ ebenda 27. 11. 1972; war nach 1945 führend am Wiederaufbau der Gewerkschaften in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands (v. a. in Hessen) beteiligt; 1949-57 Mitglied des Bundestags (SPD). Seit 1949 Mitglied des Bundesvorstandes, 1956-62 Vorsitzender des DGB.

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Rịch|ter, der; -s, - [mhd. rihter, rihtære, ahd. rihtāri]: 1. jmd., der die Rechtsprechung ausübt, der vom Staat mit der Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten beauftragt ist: ein gerechter, milder, strenger, weiser R.; R. [am Landgericht, am Bundesgerichtshof] sein; gesetzlicher R. (Rechtsspr.; für einen Fall von vornherein zuständiger Richter); vorsitzender R. (Rechtsspr.; bei einem Kollegialgericht mit der Vorbereitung u. Leitung der Verhandlung betrauter Richter); einen R. als befangen ablehnen; jmdn. vor den R. bringen (vor Gericht stellen); Nach etwa dreijähriger Untersuchungshaft ... steht er ... zum ersten Mal vor seinen -n (kommt es für ihn zur ersten Gerichtsverhandlung; Noack, Prozesse 105); jmdn. zum R. bestellen, ernennen, wählen; Ü ganz zu schweigen von den ... Künsten, die von jeher ihre R. (= Kritiker) gefunden haben (Enzensberger, Einzelheiten I, 22); sich zum R. über jmdn., etw. aufwerfen (abschätzig über jmdn., etw. urteilen); er wollte nicht jmds. R. sein (über jmdn. urteilen). 2. <Pl.> Buch des Alten Testaments.

Universal-Lexikon. 2012.